Von Vätern, Söhnen und Brüdern
Thrash, Thrash bedeutet vor allem rhythmisches Kopfschütteln, bis der Arzt kommt. Es bedeutet ein Fluten der Gehörgänge mit peitschenden Riffs, so lange, bis jene Gehörgänge zu bluten beginnen. Thrash ist – in der Regel – wie ein aggressives, brutales Gewitter, bei dem die Gitarren die Rolle von Blitzen und die Drums in die Haut des Donners schlüpfen. Hatriot aus der unter Thrash-Fans bekannten Bay Area folgen diesem Mantra beinah blind und liefern mit From Days Unto Darkness einen beachtlichen, dritten Fussabdruck ab.
Wer sich das Album und wohl insbesondere den mit siebeneinhalb Minuten nicht nur in der Länge beachtlichen (höhö) Opener zu Gemüte führt, dem wird – sofern Metal- und nicht etwa Bibel-Fan – unweigerlich der Begriff «Exodus» durch die Hirnwindungen schiessen. Und dieser jemand wäre nicht etwa verrückt. Tatsächlich teilen sich Hatriot und Exodus nicht nur eine geographische Nähe, sondern auch eine Blutsbande – Blood In, Blood Out, sozusagen. Denn Hatriot sind, respektive waren bis vor kurzem ein Familienunternehmen, bei dem Exodus-Urgestein (aber nicht Gründungsmitglied) Steve Souza und seine beiden Söhne Cody und Nick Souza mitwirken. Nicolas aka Nick kam «erst» 2012 dazu, konnte somit aber immer noch seinen Teil zum ersten echten Langspieler der Band (Heroes Of Origins) beitragen. Papa Steve übergab das Gesangszepter 2015 vollends an seinen Sohn Cody, da er sich wieder voll für Exodus engagieren wollte.
Und da stehen wir nun und bewerten die nunmehr dritte Auskopplung der Band, die auf den schwungvollen Namen From Days Unto Darkness hört und die sich, so viel sei schon mal gesagt, weder den Vergleich mit Exodus-Werken zu scheuen braucht, noch, und das ist genau so wichtig, irgendwelche Eigenständigkeitsmerkmale missen lässt.
Vom Eintauchen in die Dunkelheit
Tatsächlich behandeln Hatriot durchaus düstere Themata auf ihrem neuen Werk. Ein Titel wie Daze Into Darkness (nette Wortakrobatik im Hinblick auf den Titel der Scheibe), der gemäss einem Interview mit dem deutschen Rock Hard-Magazin (siehe Interview) durchaus Ungleichheiten in der eigenen Heimat beleuchtet, ohne dabei all zu politisch wirken zu wollen, spricht da Bände. Doch Hatriot belassen es mit der Düsterheit nicht bei den Songtiteln, sondern weiten sie auch auf die stilistischen Elemente aus. Bedeutet: From Days Unto Darkness fördert nicht nur das typische Thrash-Gekeife, sondern auch gutturalen Gesang zu Tage. Das hat einerseits sicherlich auch damit zu tun, dass Gitarrist Kosta Varvatakis ein grosser Death-Metal-Fan zu sein scheint und ein Grossteil der Hatriot-Musik aus seiner Feder stammt, andererseits aber dient das Gutturale aber auch dazu, atmosphärische, inhaltliche Elemente gesondert hevorzuheben – so zum Beispiel beim Track Frankenstein Must Be Destroyed, wo die tieferen Stimmlagen dem Monster selbst eine Stimme verleihen.
Das alles passt jedenfalls für meine Lauscher hervorragend zum Klangbild des Albums und büsst weder Thrash-Anteile ein, noch sind die gutturalen Elemente ein zu starkes Zugeständnis an den Death Metal (sollte das denn überhaupt für irgendwen ein Problem darstellen). Doch kommen wir zu einem weiteren Merkmal, das weiter oben bereits kurz angesprochen wurde: Die Länge der Songs. Man mag sie mit durchschnittlich 5.77 Minuten, wobei der längste 7:30 und der kürzeste 4:25 misst, für ungewöhnlich lang halten, speziell für Thrash-Verhältnisse. Aber seid unbesorgt. Weder wirken die längeren Tracks uninspiriert oder langweilig, noch enthalten sie irgendwelches Füllmaterial, das man genau so gut auch hätte weglassen können. Speziell der Opener One Less Hell und die beiden B-Seiten-Tracks Frankenstein Must be Destroyed und In The Mind Of The Mad enthalten ausgedehntere Instrumentalpassagen, die besonders bei letztgenanntem in ein messerscharfes, um nicht zu sagen affengeiles, Metallgewitter ausarten.
Es mag Rezensenten geben, die die Meinung vertreten, dass Songlängen jenseits der 7-Minuten-Marke Bands wie Vektor vorbehalten bleiben sollten. Dem halte ich gerne ein nicht gerade unberechtiges «Warum?» entgegen. Weil die Hatriot-Songs nicht (jaja, auch nicht ansatzweise) an die Komplexität und Verschachtelungen der Vektor-Pendants heranreichen? Müssen sie das den unbedingt? Darf es nicht einfach mal wirklich geiles, melodisches, rasiermesserscharfes Gefrickel sein, dem man auch ohne einen Doktor in Vektorologie folgen kann? Nicht falsch verstehen – ich liebe das musikalische Schaffen von Vektor und erachte es als etwas vom Geilsten, was die letzten zehn Jahre musikalisch hervorgebracht haben. Aber weder zählt hier der Vergleich mit Vektor, noch haben Hatriot vor, unbedingt im selben Tümpel zu fischen.
Und ausserdem: Auf From Days Unto Darkness finden sich beide Welten. Die kurzen, knackigen Nackenbrecher wie Daze Into Darkness, World, Flesh & Devil und Delete, aber auch die komplexere Gegenseite, die immer mal wieder mit gitarrengeführten Höhenflügen zum Schweben einlädt.
Das Fanzit Hatriot – From Days Unto Darkness
Mit dem dritten Langspieler haben Hatriot meines Erachtens nicht nur die künftige Marschrichtung gefunden, sie haben auch mehr als deutlich bewiesen, dass es durchaus ohne Papa Steve und seinen Bekanntheitsgrad geht. Und speziell seine Söhne zeigen spätestens jetzt, dass sie würdige Vertreter der Souza-Blutlinie sind und kein Problem damit haben, in ein paar grosse Fussstapfen zu treten – ja, dies sogar absolut mühelos hinbekommen. Das hier ist ein abwechslungsreiches, im Vergleich zu den Vorgängern gar etwas komplexeres und strukturierteres Album geworden – und das steht den Jungs verdammt gut. Zwar wirken Songs wie Ethereal Nighmare speziell in der Intro-Passage etwas Melodic-Death-mässig, aber das stört im Hinblick auf die Gesamtwirkung des Albums nicht wirklich.
Wenn die Scheibe ein Problem hat, dann dass es zwar an Eigenständigkeit nicht fehlt, richtig herausstechende Merkmale aber (mag man auch als Innovation bezeichnen) etwas fehlen. Nicht, dass man eine so hungrige und zielgerichtete Band wie Hatriot es offenbar sind, daran aufhängen sollte. Das gleiche Argument könnte man bei unzähligen Neuveröffentlichungen anderer Formationen ebenso anbringen. From Days Unto Darkness macht einfach Spass – und dafür zücke ich gerne untenstehende, relativ hohe Note. Und so, wie Hatriot hier vorlegen, habe ich keinerlei Bedenken, dass sie mit einem hoffentlich bereits geplanten vierten Output noch einen drauflegen werden.
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Trackliste Hatriot – From Days Unto Darkness
- One Less Hell
- Daze Into Darkness
- Carnival of Execution
- Organic Remains
- World, Flesh & Devil
- Frankenstein Must Be Destroyed
- In the Mind Of The Mad
- Delete
- Ethereal Nightmare
Line-Up Hatriot
- Cody Souza – Lead Vocals / Bass
- Kosta Varvatakis – Lead Guitars / Vocals
- Kevin Paterson – Guitar / Vocals
- Nick Souza – Drums