Ein Powerabend im Kiff
Walls Of Jericho sind meiner Meinung nach eine der besten Live-Bands aus dem Hardcore-Sektor. Da sie zudem einiges an Metal-Einflüssen in ihrem Sound haben, passen sie auch bestens in die bekannte Metalmayhem-Reihe, welche immer wieder Internationale Top-Acts nach Aarau bringt. Da zudem noch drei weitere Bands angekündigt sind, erwartet uns ein spannender Konzert-Abend.
Der Vorverkauft muss auch ziemlich gut gelaufen sein. War auf den früh gekauften Vorverkaufs-Tickets meiner Freunde mit dem Foyer noch der kleinere Raum im Kiff als Veranstaltungsort angegeben, findet die Show nun im Saal Platz, dem grossen Raum direkt unter dem Dach. Zum Glück sind die Temperaturen nicht mehr ganz so hoch wie noch vor ein paar Wochen, ansonsten ist die Hitze da jeweils fast nicht auszuhalten. Aber auch so sind in diesem Raum Mitte August und mit den heutigen Bands noch einige Schweisstropfen garantiert…
Higher Power
Als erstes müssen heute Higher Power aus Leeds ran. Und so richtig ins Schwitzen komme ich dabei ehrlich gesagt noch nicht. Erstens sind noch nicht ganz so viele Leute da, und zweitens haut mich die Band auch nicht wirklich um… Musikalisch ist das Ganze eigentlich noch spannend. Das Fundament ist klar Hardcore mit einer guten Portion Punk, es kommen aber auch Einflüsse von Sludge, Thrash und auch Grunge dazu. Da hat es dann durchaus einige Passagen, die mir wirklich gefallen. Allerdings macht Frontmann J Town mit seiner nöligen Stimme dann wieder alles zunichte. Ist natürlich Geschmackssache, mir gefällt die weinerliche, hohe Stimmlage hier und heute so gar nicht. Gegen Schluss der Show versucht es der offensichtlich ziemlich bekiffte Sänger noch mit ein paar Rap-Passagen. Klingt fast etwas besser als der Gesang und gibt dem Sound noch eine weitere Facette hinzu. Im Grossen und Ganzen aber definitiv nicht mein Fall. So bin ich nicht allzu enttäuscht, als nach gut 30 Minuten das Ende erreicht ist. Jetzt erstmal ein neues Bier holen und auf die nächste Band hoffen…
Get The Shot
Glücklicherweise ist mein Hoffen nicht vergebens: bereits nach dem ersten Tönen merke ich, das Get The Shot aus Québec (Kanada) viel mehr mein Ding sind. Da ist verdammt aggressiver Hardcore mit einer guten Metal-Kante zu hören. Zudem hat Frontmann J.P. Lagacé richtig viel Power mitgebracht. Und zwar nicht nur in der Stimme, auch vom Acting her ist der muskelbepackte Shouter ziemlich aktiv. Bereits beim ersten Song springt er von der Bühne und holt die Leute, welche zu Beginn noch einen ziemlichen Sicherheits-Abstand einhalten, höchstpersönlich nach vorne. Das ganze Prozedere wiederholt er immer mal wieder. Auch bei den ständigen Forderungen nach Circle Pits und Crowd Surfern wirkt der Gute dabei manchmal fast etwas gar Aggressiv. Allerdings habe ich nicht das Gefühl, dass das irgendwie böse gemeint ist. Es geht mehr darum, die bestmögliche Stimmung hinzubekommen…
Und je länger die Show dauert, desto mehr gelingt das auch. Da ist nun doch einiges an Bewegung vor der Bühne vorhanden. Die Circle Pits und auch einige Sprünge von Crowdsurfern klappen jedenfalls schon bestens, die Wall Of Death gegen Ende der Show dann eher nicht. Während die Teilung des Publikums nach funktioniert, rennt dann irgendwie fast keiner los. So muss J.P. selber für den grossen Schlusspunkt sorgen: nachdem er durch den ganzen Raum gerannt ist, performt er schlussendlich auf der Bar stehend. Habe ich in der um einiges kleineren Met Bar auch schon erlebt, im Kiff allerdings noch nicht… So geht schliesslich nach etwas mehr als 35 Minuten eine sehr energetische Show zu Ende, die nun doch auch schon für etwas Schweiss gesorgt hat. Auch wenns J.P. wohl noch nicht ganz genug war. Trotzdem: starker Auftritt einer Band, die ich jederzeit wieder Live schauen gehen würde.
Insanity
Nun folgt mit der Hardcore-Gruppe Insanity aus dem Entlebuch die einzige Schweizer Band des Abends. Da die Jungs nun seit über 10 Jahren unterwegs sind, schon unzählige Shows gespielt und eine beachtliche Fanbase aufgebaut haben, ist es mehr als nur verdient, dass sie hier und heute nach den Engländern von Higher Power und den Kanadiern von Get The Shot auf die Bühne zu dürfen. Trotzdem würde sich das wohl nicht jeder Veranstalter trauen, Respekt an dieser Stelle an Metalmayhem. Der Saal ist nun auch wirklich bereits bei Beginn gut gefüllt.
Allerdings zündet der Auftritt irgendwie nicht ab der ersten Sekunde heute. Könnte daran liegen, dass das Mikrofon von Frontmann Tobias anfangs etwas leise eingestellt ist. Allerdings ist es auch ein bisschen schwierig, nach dem teilweise doch sehr metallischen Sound von Get The Shot wieder auf mehr oder weniger «reinen» Hardcore zurück zu wechseln. Zudem hat es bei Walls Of Jericho generell immer auch viele Metalheads im Publikum und nicht nur Hardcore-Leute. Nach ein paar Songs wird die Stimmung aber immer besser, die vom Sänger geforderten «Tanzfödle» finden sich dann doch noch vor der Bühne ein.
Gespielt werden heute nur bekannte Songs, leider ist noch kein Stück der für den Herbst angekündigten neuen Scheibe bereit für eine Live-Premiere. Macht aber nichts, schliesslich gehören ein paar echte Klassiker zum Repertoire. In Sachen melodiösem Hardcore mit vielen Gangshouts und Singalong-Parts macht den Luzernern so leicht niemand etwas vor. Und so steht schlussendlich nach 40 Minuten Show ein guter Auftritt zu Buche, wenn auch mit leichten Anlaufschwierigkeiten von Seiten des Publikums. Die Band wiederum hat bewiesen, dass sie Live nach wie vor stark unterwegs ist. Ich bin gespannt auf das neue Album und freue mich auf die dazugehörige Tour.
Setliste Insanity
- Fight
- All I Need
- Find A Way
- Toss A Coin
- Part Of Us
- With My Friends
- Ready To Row
- Face Your Chance
- No Tolerance
- No Limit
Walls Of Jericho
Als letztes folgt – wie immer – der Headliner. Und Sängerin Candace Kucsulain und ihre vier Mitstreiter zeigen ab der Sekunde eins, dass sie Ihr Publikum definitiv im Griff haben! Da ist ab dem ersten Song einiges an Bewegung vor und auf der Bühne vorhanden, spätestens jetzt wird definitiv geschwitzt im Kiff. Das Publikum legt gleich mit ersten Moshpits los, und Candace springt wie ein Gummiball auf der Bühne hin und her. Das ist nun irgendwie die perfekte Mischung der beiden starken vorherigen Bands. Die Aggressivität und Metal-Elemente von Get The Shot, die Hardcore-Power von Insanity. Und dazu die immer wieder beeindruckende Stimme der Frontfrau und Hobby-Gewichtheberin.
Auch die Songauswahl weiss heute zu gefallen: es werden sämtliche LPs der Band plus die Debüt-EP «A Day And A Thousand Years» aus dem Jahr 1999 berücksichtigt. Das Haupt-Augenmerk liegt mit Total 4 Songs beim immer noch aktuellsten Release «No One Can Save You From Yourself». Ich hoffe wirklich, die Gruppe stellt dem starken Album aus dem Jahr 2016 bald einmal einen würdigen Nachfolger zur Seite. Und geht damit Idealerweise dann auch wieder auf Tour… Im Kiff (und soviel ich weiss auch generell in der Deutschweiz) ist die Gruppe heute ebenfalls zum ersten Mal seit 2016. Auch Candace stellt auf der Bühne fest, dass der letzte Besuch schon ein paar Jahre zurück liegt. Sie punktet heute auch sonst durch sympathische Ansagen und ist definitiv auf dem Boden geblieben. So lässt Sie sich bereits vor der Show beim Merch-Stand blicken und ist offen für einen kurzen Schwatz oder ein Foto mit den Fans.
Nach etwas weniger als einer Stunde guter Stimmung – zum Ende der Show sind sogar noch vereinzelte Crowd-Surfer Unterwegs – kommt das Konzert zu einem fast etwas zu schnellen Ende. Ich hoffe, wir müssen nach diesem starken Auftritt nicht wieder drei Jahre warten, um die Band aus Detroit zu Gesicht zu bekommen.
Setliste Walls Of Jericho
- Relentless
- All Hail The Dead
- No One Can Save You From Yourself
- Forever Militant
- A Little Piece Of Me
- Playing Soldier Again
- I Know Hollywood And You Ain’t It
- A Trigger Full Of Promises
- Feeding Frenzy
- Reign Supreme
- A Day And A 1000 Years
- The American Dream
- Revival Never Goes Out Of Style
Das Fanzit – Walls of Jericho & Co.
Wieder einmal haben mich die Jungs von Metalmayhem auch unter der Woche problemlos ins Kiff Aarau locken können. Die Müdigkeit am Donnerstagmorgen ist bei solch einem Mittwochs-Programm schon fast vorprogrammiert. Aufgrund Walls Of Jericho, Get The Shot und Insanity nehme ich das aber gerne in Kauf, die drei Gruppen haben mich allesamt überzeugt. Sehr gerne wieder!