Neue metallische Gefilde
Das Programm dieses Samstagabends passte definitiv hervorragend in die Kategorie «Horizonterweiterung». Begriffen wie Trance Metal steht der geneigte Metallschädel bekanntermassen eher kritisch gegenüber. Doch ab und zu muss man einfach über seinen eigenen Schatten springen. Die Zuhörer kamen in der Met-Bar jedenfalls in den Genuss dreier gelungener Auftritte.
Der Austragungsort preist seine heutige Veranstaltung mit der Bezeichnung «Trance Melo Death Metal-Abend» an. Wie bitte? Was ist denn das für eine neue Teufelei? Gut, inzwischen tummeln sich in unserer Szene so viele unterschiedliche Genre-Bezeichnungen, dass man da schon einmal ganz leicht die Orientierung verlieren kann. Als inoffizieller Christoph Kolumbus der metallischen Mucke bin ich natürlich gerne bereit, die Neuheiten genauer unter die Lupe zu nehmen. Eine gewisse Skepsis bleibt allerdings bestehen. Entweder wird der Abend ein Erfolg – oder ein kompletter Schuss in den Ofen. Doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt. In diesem Zusammenhang würde ich mir von einigen Headbanger-Kumpels durchaus etwas mehr Offenheit wünschen.
Die Speisekarte sieht ein 3-Gänge-Menü (made in Switzerland) vor. Mir persönlich sind einzig Rage Of Light ein Begriff – und das liegt wiederum ausschliesslich an deren Frontmädel Melissa Bonny. Die Sängerin aus Montreux ist ja ebenfalls in diversen anderen Projekten aktiv. Dazu zählen beispielsweise Ad Infinitum, Serenity oder Warkings. Letztgenannte Kapelle ist das richtige Stichwort, denn mit dieser steht die gute Dame heute am Metalacker-Festival im deutschen Tennenbronn (siehe Fotos) auf der Bühne. Richtig gelesen, Melissa muss sich mit einem verflucht engen Zeitplan herumschlagen. Hoffen wir einmal, dass ihr die Anti-Stau-Götter wohlgesonnen sind und sie rechtzeitig in Lenzburg eintreffen wird. Zuerst müssen aber eh sowieso die beiden Support-Acts ran.
Pillar Of Salt
Für den Auftakt ist das Duo Pillar Of Salt aus dem Kanton Bern besorgt. Gothic Metal und Rock gemischt mit Techno und Elektro-Elementen? Hmm, bei diesem Beschrieb meldet sich sogleich meine Skepsis zurück. Glücklicherweise verschwinden meine Sorgenfalten bereits nach den ersten Klängen wieder. Was Philippe Delacombaz (Gesang/Gitarre) und Pieric Grosjean (Drums) hier zeigen, ist deutlich besser, als ich es erwartet hätte. So viel zum Thema Vorurteile… Die Herren arbeiten zwar mit vielen Samples, aber da sie lediglich zu zweit agieren, ist das irgendwo durch auch verständlich und nachvollziehbar. Pierics Schiessbude thront in der Bühnenmitte auf einem schönen Wohnzimmerteppich. Da kommt fast schon etwas Proberaum-Atmosphäre auf.
Soundtechnisch bewegen wir uns dann effektiv mehrheitlich im Gothic-Gebiet. Dazu passt natürlich auch der lange Mantel vom sympathischen Philippe. Bei der Mehrheit der Songs singt er auf Englisch, aber es finden ebenfalls ein paar hochdeutsche Nummern Platz in der Setliste. Bewegungstechnisch sind die zwei aufgrund des zahlreichen Equipments ziemlich eingeschränkt und böse Zungen würden nun wohl von herumstehenden Salzsäulen (der Bandname lässt grüssen) sprechen. Pillar Of Salt haben nichtsdestotrotz viel Spass. Dank Pierics Trommelwirbel wird sogar das Naseputzen von Philippe zu einem Show-Effekt.
Pillar Of Salt zeigen in diesen rund 40 Minuten, dass man sie definitiv auf dem Schirm haben sollte. Vielleicht sollte man einmal über eine gemeinsame Tour mit Kissin’ Black nachdenken. Das würde – zumindest gemäss meinem Oberstübchen – noch gut zusammenpassen. Ich freue mich jedenfalls schon auf die nächste Begegnung mit den vielseitigen Salzsäulen.
The Kate Effect
Wenn das Prinz William wüsste! Ne Quatsch, der Name der nächste Truppe hat – wenn überhaupt – nur ganz am Rande mit der Herzogin von Cambridge zu tun. The Kate Effect stammen aus Wädenswil und ballern den anwesenden Musikliebhabern eine Mischung aus Metalcore und Melodic Death Metal um die Lauscher.
Die Outfits der Musiker liefern aber definitiv auch etwas fürs Auge. Aushilfsbasser Simon Burri punktet beispielsweise mit glitzernden Hotpants und einer Kapitänsmütze. Das Beinkleid von Fronter Lukas Villiger lässt ebenfalls kaum Spielraum für Fantasie oder Geheimnisse offen. Jep, es braucht in Tat und Wahrheit monströse Eier, um in diesem Aufzug auf einer Bühne zu stehen. Quasseln kann der Typ ebenfalls bestens. Meine Fresse, das ist ein waschechter «Schnorri». Diese Eigenschaft könnte mit der Zeit möglicherweise ein bisschen nerven, aber heute scheint dies kein Problem zu sein. Lediglich vereinzelt auftretende Schwierigkeiten mit dem Mikrofon können Lukas’ Redefluss vorrübergehend stoppen.
Die Fans, welche übrigens alle in Hawaiihemden erschienen sind, stehen zweifelsohne hinter dem Quintett. Die Truppe gibt ordentlich Gas und sorgt damit für jede Menge Action in den Publikumsreihen. The Kate Effect mögen zwar das komplette Gegenteil von Pillar Of Salt sein, aber trotzdem vermögen auch sie auf ihre ganz eigene Art zu überzeugen.
Rage Of Light
Eine Gruppe ist noch übrig – der Headliner des heutigen Abends. «Good News» vorweg; Melissa hat’s rechtzeitig in die Met-Bar geschafft und ist bereit, gemeinsam mit ihren Kollegen Jonathan Pellet (Gitarre), Noé Schüpbach (Bass) und Théophile Schüpbach (Drums) zu ihrer zweiten Schicht anzutreten. Müdigkeitserscheinungen aufgrund der bereits gespielten Show mit den Warkings ein paar Stunden zuvor? Nö, Fehlanzeige! Die 26-jährige Westschweizerin steckt nach wie vor voller Energie und Tatendrang. Das ganze Quartett agiert mit viel Spielfreude. Selbst fürs gelegentliche Herumblödeln ist man sich nicht zu schade. Melissa schnippt beispielsweise einmal ihr Haargummi in Richtung von Basser Noé. Ein anderes Mal ist plötzlich vom wunderschönen Wort «Arschwasser» die Rede. Das muss ich mir merken! Dies bleibt allerdings der einzige Abstecher in deutsche Gefilde, denn sonst wird nur Englisch gesprochen. Wahrscheinlich wird bewusst auf die französische Sprache verzichtet, da sonst wohl alle Anwesenden – ausser meiner Wenigkeit – wie lebendige Fragezeichen dastehen würden.
2019 dürfte als prägendes Jahr in die Bandhistorie von Rage Of Light eingehen. Seit Ende März ist das Debütwerk «Imploder» offiziell erhältlich. Veröffentlicht wurde die Scheibe übrigens über das österreichische Label Napalm Records. Acht der elf Songs bekommen die Besucher der Met-Bar heute zu hören. Die Melodic Death Metal-Parts sind dominant, weswegen sich allfällige Ängste bezüglich einer Trance-Überdosis ziemlich rasch in Luft auflösen. Hingucker Melissa bekommt die Wechsel zwischen Growls und klarem Gesang problemlos hin. Das Mikro von Jonathan dürfte hingegen ruhig etwas lauter eingestellt sein. Nach 45 Minuten neigen wir uns bereits dem Ende entgegen, da die Location nach Mitternacht auf den Lärm-Grad achten muss. Den Schlusspunkt setzt der Vierer mit dem Track «Lollipop» – einem Cover der Eurodance Musikgruppe Aqua (jep, das sind dieselben Leute, die auch für das nervtötende «Barbie Girl» verantwortlich sind…). Dieses gewöhnungsbedürfte Finale einer sonst souveränen Show hinterlässt leider einen etwas faden Nachgeschmack.
Das Fanzit
Ein cooler Abend, der jedoch nicht überragend viel Publikum aufweisen konnte. Die Soundqualität passte mehrheitlich und an den Shows aller drei Truppen gab’s kaum etwas auszusetzen. Die Met-Bar wirkt zweifelsohne bereit für die zweite Jahreshälfte. Das Programm des Lenzburger Konzertlokals kann sich freilich sehen (und hören) lassen.
Setliste – Pillar Of Salt
- Paranoid
- Reittier
- She’s The Wolf
- Go Straight
- Reason For What
- Cycle Runner
- Get A Real Life
- Scham
- Raise Up
Setliste – The Kate Effect
- Until It Breaks
- Zero Derivation
- Indivisible
- Our Own Purgatory
- Reclaim Your Soul
- Come Watch TV
- Run
Setliste – Rage Of Light
- Intro – Light
- Enraged
- Fallen
- Away With You
- Battlefront
- Mechanicals
- Nothingness
- I Can, I Will
- Lollipop (Candyman) (Aqua-Cover)