Metalinside.ch - Abstürzende Brieftauben - Werk 21 Zürich 2019 - Foto pam 04
Mo, 9. Dezember 2019

Abstürzende Brieftauben, The Dorks

Dynamo Werk 21 (Zürich, CH)
/ 22.01.2020

Das müsst ihr jetzt verkraften …

Unter diesem Tour-Titel gastieren die legendären Abstürzende Brieftauben ein weiteres Mal bei uns in der Schweiz. Soviel vorweg: Zu verkraften gibt es ausser dem (gefühlt zu frühen) Schluss des Konzerts nichts. Ein eindrücklicher Abend mit tollem Publikum und einer grandiosen Stimmung im Werk21 in Zürich.

The Dorks

Ich bin ehrlich, die Band habe ich bis Dato nicht gekannt und muss zugeben, dass ich zu Anfang des Sets ein wenig Anlaufschwierigkeiten habe, mich dem Sound des Trios hingeben zu können. Denn es ist doch ein wenig ein kurioses Bild, welches sich da den Zuschauern eröffnet: Gesang und gleichzeitig Bass(geige)…ja wirklich! spielend «siR wEbbsTer». Wo gibt es das sonst ausser bei Apocalyptica? Mein Auge muss sich zuerst an dieses eindrückliche Bild gewöhnen. Dies gelingt mir aber relativ schnell, denn die drei Herren können sich auf der bereits für die Tauben vorbereiteten Bühne nicht gross austoben und bewegen.

Drummer «CountRufus» hämmert auf das Kit ein als gäbe es kein Morgen mehr, dies ist auch ersichtlich an seinen Kopfhörern, welche nicht nur einmal den Weg ins nirgendwo antreten, statt auf den Ohren zu bleiben. Auch Gitarrist «The Clerkman aka Tingeltangel» macht seinem Namen alle Ehre. Auf die ersten Töne qualifiziere ich die Zürcher mehr als «lustiges Vorgeplänkel» ab. Dies ändert sich jedoch mit zunehmender Länge der Darbietung. Nach der Hälfte des Sets bemerke ich, dass ich selber bereits am mitgrooven bin. Kein Wunder bei der bunten Mischung an Musik, welche auf der Bühne dargeboten wird und es schwierig gestaltet die Herren in irgendeine Schublade von Genres zu verfrachten. Es vermischen sich Reggae mit Rock und weiteren Einflüssen, welche ich sehr gerne als «einzigartig» klassifiziere.

OK, nicht immer reicht aus meiner Sicht die gesangliche Leistung für ein Prädikat «ausgezeichnet», aber dies muss sie in der Nachbetrachtung des Gigs auch nicht. Die Leidenschaft, welche «The Dorks» antreibt ist nicht nur an den Schweissperlen auf den Gesichtern ablesbar (Anm. von pam: Und leider ist der Sänger mit Bassgeige auch ein notorischer Duschmittel- und Deo-Verweigerer … was sich olfaktorisch im kleinen Werk 21 schnell zum Nachteil für alle Anwesenden entwickelt. Old Skul in Ehren, aber das geht nicht! Vor allem als ich erfahre, das der Gute sogar Lehrer ist. Ich dachte man darf die Kinder nicht mehr bestrafen …). Auch das Publikum erkennt diesen Umstand ziemlich schnell und gibt sich dem einzigartigen Mix hin. Dazu gibt es passende Geschichten des Frontmannes und man wird Teil der Geschichte. Ein würdiger Support für den Hauptact des heutigen Abends.

Abstürzende Brieftauben

Kurze Pause nach dem animierenden Set des Support-Acts und dann geht’s los in die Vergangenheit meiner Generation. Ein Blick ins Publikum zeigt mir die Vielfalt der Zuhörer. Von der etwas sehr älteren Dame rechts vor mir bis hin zum Jüngling zwei Reihen vor mir geht’s nun so richtig ab.

Abstürzen? Abheben? Fliegen?

Die Tauben geben von Anfang an Gas und auch das Publikum singt vom ersten Song an mit. Es ist was los im Werk21. Es wird gestampft, gerudert, genickt und in den vorderen Reihe sind nach den ersten Songs nicht nur die Körper am Glühen sondern auch der Boden. Eine wahre Freude. Nebst neueren Songs, werden natürlich viele bekannte Hymnen zum Besten gegeben (siehe Setlist).

Auch der Instrumentenwechsel der beiden Herren auf der Bühne imponiert mir sehr und zeigt, wie flexibel Punk auch heute noch daherkommt. Micro und Norm scheinen gut eingespielt zu sein und haben sichtlich Spass an ihren eigenen Songs und auch am Publikum. Vor allem bei Norm scheint es mir, als bekäme er sein Grinsen fast nicht mehr vom Gesicht.

Ich stelle weiter mit Freude  fest, dass die Tauben immer noch für das Einstehen, was sie ursprünglich immer eingestanden sind. Dies illustrieren sie mit Songs wie «Nie wieder Pegida» oder dem «Räubermärchen» eindrücklich. Natürlich kommt auch der Fun-Anteil im Set der Hannoveraner nicht zu kurz; «Eine Muh, eine Mäh, eine Täterätätätä» oder «Betzy Fraitag» waren schon früher Songs, welche einfach positive Stimmung verbreiten und auch alle zum Mitsingen anstachelt.

Bleibt einmal mehr festzustellen, dass 90 Minuten einfach viel zu schnell vergehen. Zum Glück sind Punksongs eher kurz, somit sind es doch (Zugaben nicht mitgerechnet) satte 26 Songs, welche die Zuhörenden an diesem Abend in Zürich beglücken.

Natürlich gibt’s auch Zugaben. Lauthals werden diese im Vorfeld auch eingefordert. Sichtlich amüsiert kommen die beiden Tauben-Jungs zurück auf die Bühne und geben dem Publikum noch den den Rest.

Musikalisch gehört, ist der Grossteil des Gigs aus meiner Sicht auf hohem Niveau. Den einen oder anderen Fehler verzeihe ich und auch das Publikum sehr gerne. Den dies gehört für mich auch zu diesem Genre an Musik. Es muss und darf nicht alles perfekt sein. Den die Welt ist es definitiv auch nicht an allen Ecken und Enden.

Das Fanzit Abstürzende Brieftauben

Legendär, was uns da an diesem kühlen Dezember-Abend geboten wird. Einmal mehr. Die Abstürzende Brieftauben sind für mich eine dieser Bands, welche Generationen überdauern und das Feeling und den Groove der Vergangenheit in die Gegenwart transferieren. Ich muss nun zuerst verkraften, dass dieser Abend schon wieder vorbei ist und hoffe, dass es nicht meine letzte Begegnung mit dieser Kult-Band war. Somit starte ich offiziell die Petition: Das müsst ihr verlängern und zurück in die Schweiz kommen. Hoffen wir, dass der Bericht von den Tauben gelesen wird und wir bald nochmal in den Genuss eines solchen Abends kommen. Schluss, Aus, Ende, Danke!

Setliste Abstürzende Brieftaube

  1. Das Grauen Teil 3
  2. Heute doof und morgen doof
  3. Stefan
  4. Das war ich nicht
  5. Nie wieder Pegida
  6. Hör auf
  7. Keine Termine
  8. Der Kobold
  9. Konrad K.
  10. Das Grauen kehrt zurück
  11. Was ich nicht mag
  12. Paderborn
  13. Allein
  14. Barmieze
  15. Glyphosat
  16. Eine Muh, eine Mäh, eine Tätärätätä
  17. Die Kuh
  18. Mach’s noch einmal, Gabi!
  19. Die Blumen sind für sie Herr Polizist
  20. Räubermärchen
  21. Siegesmund
  22. Ede vom Hinterhof
  23. Richards Ende
  24. Love Song
  25. Duschen
  26. Der Letzte macht die Tür zu
  27. Betzy Fraitag*
  28. Tränen*
  29. Nicht mit mir*
  30. Pieke Punk*

Fotos Abstürzende Brieftauben, The Dorks – Werk 21 Zürich 2019 (pam)


Wie fandet ihr das Konzert?

/ 22.01.2020
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