Endlich wieder on Tour
Lange ist es her seit dem letzten Zusammentreffen mit Annihilator. Nicht etwa, da ich dafür keine Zeit hatte, sondern weil die Band selbst die letztjährige Tour um fast ein Jahr verschoben hat. Aber Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude. Zudem werkeln die Herren und insbesondere Jeff Waters momentan an einem neuen Opus, welches auf den Namen «Ballistic, Sadistic» getauft ist und zu Beginn des neuen Jahres veröffentlicht wird. Also ein Grund mehr an diesem warmen Novemberabend nach Solothurn zu pilgern.
Archer Nation
Denn Support-Slot belegt heute Abend die junge aufstrebende Band aus Santa Cruz, Kalifornien. Die 3er Besetzung besteht aus Dylan Rose (Vocals und Gitarre), David De Silva (Vocals und Bass) sowie Keyhan Moini (Drums).
Archer Nation legen direkt und ohne Schnörkel los und bieten während der Dauer ihres Sets eine wilde Mischung zwischen Hard Rock und Heavy Metal Klängen. Mich persönlich haut die Performance aber nicht aus den Socken. Dies liegt meines Erachtens aber auch daran, dass mir einfach eine zweite Gitarre fehlt, welche dem Sound sicher noch eine höhere Diversität bescheren würde. Trotzdem versuchen die drei Jungs alles, um sich in die Herzen des bereits zahlreich anwesenden Publikums zu spielen.
Musikalisch wie auch gesanglich hinterlässt Archer durchaus einen guten Eindruck, obwohl aus meiner Sicht vor allem im gesanglichen Bereich noch mehr drin liegen würde. Vielleicht liegt das aber heute Abend auch an der Abmischung des Sounds. Die Stimme von Dylan Rose wirkt in gewissen Parts auf alle Fälle dünn und wenig druckvoll. Gerade im Genre Hard Rock / Heavy Metal ist für mich aber oft die Stimme ein wesentliches Kriterium, welche den Erfolg einer Band ausmacht.
Dass sie untätig sind, kann man den Amerikanern definitiv nicht vorwerfen, nach meinen Recherchen zu urteilen sind sie ständig irgendwo mit auf Tour und/oder spielen Konzerte als Headliner. Ich wünsche Archer, dass sich dies in nicht all zu ferner Zukunft auszahlt. Den sympathisch sind sie definitiv. Oder trifft man nach dem Gig die grösseren Bands heute noch am Merch-Stand für ein «Schwätzchen»?
Setliste Archer Nation
- Not My Own
- Shackled
- Acedia
- Hell in a Handbag
- Day That Never Came
- Division
- Severed
- I Am the Dawn
Annihilator
Nach kurzer Umbauphase ist es schon soweit und Jeff Waters und seine Kumpels entern die Bühne. Unter dem Banner «A Tour for the Demented» bereisen Annihilator momentan Europa.
Wieso?
Was ich noch heute nicht begreife, ist der Umstand, dass es diese Band nie geschafft hat völlig aus dem Underground aufzutauchen. Die Musik der Kanadier hätte aus meiner Sicht alles, um mehr Ruhm und Ehre verdient zu haben. Sind es die vielen Wechsel in der Band, welche dies verhindert haben? Auch heute ist übrigens bereits wieder ein neues Gesicht in der Band. Der Drummer der letzten Tour konnte sich neben Jeff Waters nicht halten und wurde durch Fabio Alessandrini ersetzt.
Oder ist es ganz einfach die Persönlichkeit Jeff Waters? Ich kann mir gut vorstellen, dass der Zeitgenosse nicht immer ganz einfach zu geniessen ist. Aber das ist ja oft bei Menschen so, welche sich wie Waters zwischen Genie und Wahnsinn bewegen. Vielleicht wollte man aber einfach auch nicht so «gross» werden und somit der Thrash-Bewegung treu bleiben.
Auf alle Fälle ist das Kofmehl heute recht gut gefüllt, aber nicht voll. Auch der Ticketpreis ist aus meiner Sicht unheimlich human für die heutige Zeit. Für 36 CHF geht man heute nicht mehr oft in eine Location.
Quer durch die Zeit
Die Band startet direkt und ohne Ansage in das Set, ein kurzes Intro kündigt die Band an, nachdem die Lichter off sind. Mit «Betrayed» geht es direkt in den IC-Schnellzug-Bereich. Jeff Waters scheint gut aufgelegt zu sein und bereitet mit seinen Grimassen und Blicken bereits während des ersten Songs Anlass für ein Schmunzeln.
Die Auswahl der Songs für das heutige Konzert scheint wohlüberlegt und enthält alle erwarteten Hits sowie auch ein paar Perlen, welche noch nicht so oft Live dargeboten wurden. Waters und seine Band nehmen uns also mit auf einen wilden Ritt durch die Annihilator- Zeit. Und dieser Ritt macht echt Spass. Die Band wirkt gut eingespielt und abgestimmt, es scheint (aber ich will nicht zu viel verschreien) als stehe seit längerem wieder Mal eine Mischung von Bandmitgliedern auf der Bühne, welcher ich persönlich eine längere Lebenszeit gebe als auch schon. Auf jeden Fall motzt Jeff heute – nicht wie bei den letzten besuchten Konzerten – nie einen Mitstreiter an. Das stimmt mich positiv.
Zurück zur Musik; Annihilator ist einer dieser Bands (insbesondere natürlich Jeff Waters selber) welche es wirklich jedes Mal schaffen mich in Sachen Riffs und Gitarrrenspiel wieder vom Hocker zu hauen. Auch heute spielt die Band äusserst genau, um nicht zu sagen verdammt präzise. Gekoppelt mit der tighten Art und Weise der Instrumentenbehandlung mündet dies in einem äussert druckvollen Sound, welcher sich auch auf die Stimmung des Publikums überträgt. Bereits während der ersten Songs bilden sich ein paar Circle Pits.
Randy Rampage for Ever
Kennt ihr Randy? Falls nicht, er war früher Sänger bei Annihilator und starb am 14. August 2019 mit 58 Jahren an einem Herzinfarkt. Jeff Waters erzählt im späteren Verlauf des Konzerts ein paar Anekdoten aus dem Leben in der Band mit Randy und widmet ihm auch drei Songs aus dieser Ära. Zu jedem der Songs hat er eine Geschichte bereit (kennen wir ja von Jeff). Es sind grossartige Geschichten und man kann sich Randy während dem Zuhören genau vorstellen.
Jeff Waters und der Gesang
Als Dave Padden die Band im Jahre 2014 verliess übernahm Jeff Waters – wie wir alle wissen – wieder den Gesang. Aus meiner Sicht nicht unbedingt die beste Entscheidung. Für mich war in den letzten Jahren immer der Gesang einer der grössten Kritikpunkte in Bezug auf die Band. Auch heute ist dies nicht anders. Jeff Waters spielt zwar virtuos auf seinem Saitenbrett und auf CD kommt sein Gesang druckvoll und «geschönt» aus den Boxen, live merkt man aber immer wieder, dass Waters eigentlich nicht fürs Mikrofon bestimmt ist.
Trotzdem kommt jetzt ein aber; Ich weiss nicht, was in den Letzten 2-3 Jahren passiert ist, aber es scheint als hätte der Mastermind der Band Gesangsstunden genommen. Im Vergleich zu den letzten – noch in Erinnerung behaltenen Konzerten – attestiere ich Waters heute doch einen gewissen Fortschritt in dieser Angelegenheit.
Tricks and Hits
Wie bereits angetönt fehlt auch heute keiner der grossen Hits. Phantasmagoria, Alice in Hell, Tricks an Traps, No Way Out, es ist alles dabei was das Annihilator-Herz zum Schlagen braucht. Auch neuere Tracks wie «Twisted Lobotomy» zünden sofort. Das Publikum gröhlt und singt wacker mit und lässt sich von den Riffsalven eindecken, als gäbe es kein Morgen mehr.
Leider ist dann die Spielzeit mal wieder zu schnell vorbei und nach drei Zugaben und knapp 90 Minuten Spielzeit ist das Treffen mit Jeff und Band leider auch schon wieder Geschichte. Zum Glück darf ich die Band ein paar Tage später nochmal in Zagreb sehen. Und die Kroaten haben sowas von gefeiert sag ich euch, da sind wir Schweizer schon sehr reserviert an einem Konzert.
Das Fanzit – Annihilator
Es hat sich auf alle Fälle gelohnt nach Solothurn zu fahren. Ein kurzweiliger Abend mit einer Band, welche es zwar nie an die Spitze der Bewegung geschafft hat, aber das «Kenner»-Herz heute noch bewegt. Egal wie viele Besetzungswechsel es im musikalischen Werdegang der Band noch geben wird: Annihilator ist und bleibt Annihilator.
Falls ihr Wacken-Gänger seid: Die Band wurde kürzlich für die Ausgabe 2020 bestätigt und ist somit auch wieder auf grosser Bühne zu erleben.
Setliste Annihilator
- Betrayed
- King of the Kill
- No Way Out
- One to Kill
- Set the World on Fire
- Ultraparanoia
- The Trend (Intro only)
- Schizos (Are Never Alone) Parts I & II
- Knight Jumps Queen
- Twisted Lobotomy
- Tricks and Traps
- Phantasmagoria
- Burns Like a Buzzsaw Blade*
- W.T.Y.D.*
- Alison Hell*