Feine Sahne Fischfilet zerlegen das Volkshaus Zürich!
Am diesjährigen Greenfield Festival (siehe Review und Fotos) gehörten die Punks aus Mecklenburg-Vorpommern nicht nur für mich zu den absoluten Gewinnern. Ihre energetische Show hat wohl so ziemlich alle die vor der Bühne anwesend waren abgeholt. Nun bringen Feine Sahne Fischfilet ihren von Ska beeinflussten und sehr melodischen Sound ins Zürcher Volkshaus. Ich bin gespannt, wie die Band bei einer Indoor Headliner Show abliefert.
Nicht nur ich scheine gespannt zu sein, das Konzert war innert weniger Tage nach Vorverkaufs-Beginn komplett ausverkauft. Dummerweise musste mein Arbeitgeber genau an diesem Donnerstag eine Sitzung in Bern in meinen Kalender schieben. So bin ich weder auf den vor jedem Konzert in einer nahegelegenen Location stattfinden Vortrag der Seenotrettungsorganisation Iuventa (bereits um 17 Uhr), noch auf die Türöffnung um 19 Uhr da. Als wir ungefähr um 19.40 am Stauffacher Richtung Volkshaus abbiegen, trifft mich fast der Schlag: die Reihe der Wartenden reicht tatsächlich fast bis zur St. Jakobs-Kirche. Definitiv die längste Schlange die ich bisher bei dieser Location gesehen habe.
Wenigstens ist der Ticket-Schalter dank „Sold Out“-Schild nicht wirklich belagert, das mit der Akkreditierung klappt dementsprechend ziemlich schnell. Und auch das Anstehen ist in Anbetracht der Menge an Leuten in einigermassen erträglicher Zeit erledigt, trotz relativ strengen Eingangskontrollen. Wie sich zeigt sind das aber so ziemlich die einzigen Sachen, die heute einigermassen zügig klappen. Bereits an der Garderobe heisst es wieder anstehen, an der Bar dann nochmals eine Stufe schlimmer.
Da wir uns aufgrund der sehr vollen Halle erstmal für den Balkon entscheiden – weniger Gedränge und ein guter Überblick übers Geschehen – versuchen wir unser Glück an der Bar im ersten Stock. Da arbeiten trotz ausverkauftem Konzert pro Tresen genau zwei Leute, inklusive Zapfanlage. Keine Ahnung wer sowas jeweils plant…
Clowns
Zum Glück steht meine Freundin für mich an, so kann ich wenigstens noch den letzten paar Songs des Supportacts lauschen. Die Jungs und das Mädel spielen räudigen Punk der immer mal wieder ein bisschen an die Ramones erinnert, aber auch einen Hardcore-Einschlag hat. Dazu kommen ein paar eher metallische Parts, etwas Sludge ist rauszuhören. Und auch skandinavische Rotzrock-Bands im Stile von den Backyard Babies kommen mir zwischendurch in den Sinn.
In der doch bereits relativ gut gefüllten Halle gibt es vorne bereits etwas Bewegung. Auch der Frontmann ist bemüht Stimmung zu machen, klettert von der Bühne und performt direkt am Gitter bei der ersten Reihe. Mich haut das Ganze aber nicht vom Hocker. Irgendwie ist mir das zu wenig spannend, bereits nach wenigen Songs wird es sogar fast ein wenig langweilig. Ich habe sowas in ähnlich (oder sogar in besser) schon einige Male gehört. Kein wirklich schlechter Auftritt, zu einer Headlinershow der Gruppe würde zumindest ich aber wohl nicht gehen.
Feine Sahne Fischfilet
Die Bühne wird nun durch einen grossen Vorhang mit Feine Sahne Fischfilet-Logo verhüllt, hinter diesem findet der Umbau statt. Schnell wird klar, dass es im Stehplatzbereich heute wirklich gerappelt voll sein wird. So entschliessen wir uns auf dem Balkon zu bleiben. Hier hat es doch einige freie Plätze, und wirklich sitzen wird ja wohl trotzdem niemand bei dieser Show… Obwohl die Umbaupause doch etwas Zeit in Anspruch nimmt, reicht es dank langer Schlangen nur knapp für WC und Bier holen. Am Balkongeländer wird durch Aktivisten noch ein „Fight 4 Rojava“-Banner angebracht und im Publikum sind erste Sprechchöre zu hören.
Als das Licht ausgeht und das Intro erklingt ist die Anspannung förmlich zu spüren. Und als der Vorhang fällt und die Jungs loslegen gibt es ab der ersten Sekunde kein Halten mehr! Beim Eröffnungsdoppel „Zurück in unserer Stadt“ und „Alles auf Rausch“ ist die Stimmung bereits am Kochen. Unten im Stehbereich wird bis sehr weit hinten gepogt und gesprungen, unzählige Bierbecher fliegen durch die Luft und es werden die ersten Pyros gezündet. Auch oben hält es absolut niemanden auf den Sitzen. Zum Glück sind das Klappsitze, so hat man auch hier etwas Bewegungsfreiheit.
Es wird zudem praktisch jeder Song aus sehr vielen Kehlen mitgesungen, was im Verlaufe der Show öfters mal zu Hühnerhaut führt. Ob die Lieder des aktuellen und sehr starken Albums „Sturm & Dreck“, welche heute alle (!) gespielt werden, oder ältere Klassiker wie „Geschichten aus Jarmen“, das Publikum erweist sich als sehr textsicher. Vom Alt-Punk, der sich vor Begeisterung das Shirt vom Leib reisst, bis zum ungefähr zehnjährigen Mädchen, welches mit dem Götti hier ist und alle Texte kennt – kalt lässt dieses Konzert keinen in unserer unmittelbaren Nähe.
Und das ist „nur“ der Balkon, im Stehplatzbereich ist natürlich nochmals einiges mehr los. Auch die Band trägt ihren Teil dazu bei. Nicht nur durch eine unglaubliche Spielfreude, sondern auch durch altbekannte Aktionen wie die Crowdsurf-Session mit einer aufblasbaren Gummi-Banane oder das Verteilen von Bier in Petflaschen von der Bühne. Wie Monchi richtig anmerkt würde die CDU das zwar für Glasflaschen halten, aber das ist eine andere Geschichte…
Der Frontmann gibt sich generell gut gelaunt und hat sichtlich Freude an den euphorischen Reaktionen im Publikum. In den Ansagen gibt er sich gewohnt politisch und erzählt vor allem gerne ein bisschen etwas über Lieder die ihm besonders wichtig sind. So verweist er zum Beispiel vor dem Song „Angst frisst Seele auf“ darauf, das der Sänger der Nazi-Band Erschiessungskommando, um die es im Text indirekt geht, aus der Schweiz kommt. Oder er erzählt vor „Suruç“ über den Besuch der Gruppe in der gleichnamigen südtürkischen Stadt, von wo der kurdische Wiederstand gegen den IS in Kobane organisiert wurde. Zudem dürfen auch die Jungs von der Seenotrettung Iuventa auf die Bühne, auch wenn das laut Aussage von Monchi eigentlich „nicht solche Narzissten“ wie er selbst seien.
Trotz diesen politischen Botschaften bekommt das Ganze nie den „Mief“ einer Parteiveranstaltung oder so. Die Inhalte sind wichtig, die Musik steht aber im Fall von Feine Sahne Fischfilet nicht dahinter an. „Zuhause“ ist nur ein Beispiel wie unglaublich melodiös und eingängig ein eigentlich sehr schweres Thema umgesetzt werden kann.
Nach dem von Gitarrist Christoph gesungenen und sehr gelungenen The Clash-Cover „London Calling“ geht es langsam aber sicher unweigerlich dem Ende entgegen. Die Menge vor der Bühne mobilisiert beim Zugabe-Block nochmals die letzten Kraftreserven, da ist wirklich praktisch während der ganzen Show Bewegung drin und unzählige Crowdsurfer „schwimmen“ über den Köpfen nach vorne.
Beim obligatorischen letzten Song „Komplett im Arsch“ – sowas wie der heimliche Hit der Band – wird nochmals aus voller Kehle mitgesungen und es werden die letzten Pyros gezündet. Erstaunlich, wie viele Leucht- und Rauchfackeln es trotz strenger Eingangskontrollen in die Halle geschafft haben. Ich als langjähriger Fussballfan finde das ehrlich gesagt ziemlich geil, und auch für die Stimmung ist das definitiv eher förderlich als negativ.
Nachdem die Hallenbeleuchtung nach gut zwei Stunden Spielzeit angeht, entlässt uns die Band in die kalte Dezember-Nacht. Zum Glück haben wir unsere Jacken bereits etwas vor dem Ende geholt, so bleibt das ganz grosse Anstehen an der Garderobe erspart. Auf dem Weg zum Hauptbahnhof sind eigentlich nur zufriedene Gesichter zu sehen und man ist sich einig, einem legendären Konzert beigewohnt zu haben.
Das Fanzit
Was für ein Abend! Die Vorgruppe Clowns bleibt in der Nachbetrachtung eine Randbemerkung. Zum einen war das Gehörte nicht extrem spannend, zum anderen ist es für jeden Support-Act schwierig gegen eine solche Hauptband zu bestehen. Feine Sahne Fischfilet aber haben mehr als nur abgeliefert. Die Jungs haben eine unglaubliche Energie auf der Bühne und dazu wirklich sehr starke Lieder im Programm. Auch das Publikum soll heute einmal explizit gelobt werden. Von der sonst bei Konzerten in der Schweiz oft vorherrschenden Zurückhaltung absolut keine Spur. Vom ersten bis zum letzten Song war die Stimmung am Kochen.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich Feine Sahne Fischfilet zum letzten Mal in so vergleichsweise „kleinem“ Rahmen gesehen habe. Aufgrund des Gefühls für Songs und Melodien sowie der besonderen Ausstrahlung der Gruppe, würde es mich nicht erstaunen, wenn die sympathischen Jungs aus dem Nord-Osten von Deutschland früher oder später noch grössere Hallen oder sogar Stadien füllen würden. Eine extrem grosse Lücke zu den ganz grossen Punkbands aus Deutschland – sprich Ärzte und Hosen – besteht da meiner Meinung nach nicht mehr. Ich bin gespannt, wohin der Weg noch führt. Und dankbar für dieses denkwürdige Konzert!
Setlist Feine Sahne Fischfilet
- Intro
- Zurück in unserer Stadt
- Alles auf Rausch
- Für diese eine Nacht
- Mit Dir
- Angst frisst Seele auf
- Solange es brennt
- Niemand wie ihr
- Schlaflos in Marseille
- Geschichten aus Jarmen
- Ich mag kein Alkohol
- Glitzer im Gesicht
- Alles anders
- Dreck der Zeit
- Zuhause
- Wut
- Nur Applaus
- Suruç
- Warten auf das Meer
- Lass uns gehen
- London Calling (The Clash Cover)
- Weit hinaus
- Ostrava
- Wo niemals Ebbe ist
- Wir haben immer noch uns
- Komplett im Arsch