Satans Propheten wüten in der Ruhmeshalle
Wenn der Wetziker Rock-Schuppen Hall Of Fame der Crew von Veranstalter Meh Suff! Unterschlupf gewährt, bringt das oftmals einen erfolgreichen Konzertabend mit sich. Am Mittwoch war dies erneut der Fall. Dieses Mal verschlug es die schwarzmetallischen Ikonen Mayhem ins Zürcher Oberland. Gemeinsam mit Gaahls Wyrd und GosT fütterten sie die düsteren Seelen der Zuhörerschaft mit diabolischen Klängen.
Oha lätz! Die gestrige Amon Amarth-Show steckt mir noch ziemlich in den Knochen und auch im Nacken. Die Devise ist allerdings klar: Bloss keine Müdigkeit vortäuschen! Der nächste Event steht schliesslich bereits vor der Tür.
Seit dem Erscheinen des Films «Lords Of Chaos» sind sowohl die norwegische Black Metal-Szene als auch Mayhem bei den Leuten wieder ein bisschen mehr in den Fokus gerückt – auch bei denjenigen, die mit dieser Stilrichtung sonst kaum etwas anfangen können. Kritiker gaben gemischte Rückmeldungen zur teils blutigen und absurden Leinwandgeschichte. Bassist Necrobutcher zeigte sich in einem Interview ebenfalls alles andere als begeistert über die Umsetzung der Geschichte. Tja, die meisten von uns dürften bei den damaligen Unruhen, Morden, Kirchen-Brutzeleien, Skandalen etc. nicht mit von der Partie gewesen sein. Somit bleibt die Wahrheit nur ausgewählten Nasen vorbehalten. Nichtsdestotrotz haben Mayhem dank des Films (egal, ob gewollt oder ungewollt) einiges an Publicity erhalten. Das dürfte die Vermarktung vom neusten Studioalbum «Daemon» (Veröffentlichungsdatum: 25. Oktober 2019) sicherlich gefördert haben. Aber das würde die «trve» Black Metal-Fraktion logischerweise niemals offen zugeben.
Erwartungsgemäss tummelt sich bereits vor der Lokalität eine grosse Warteschlange. Die unglaubliche Treue der schwarzmetallischen Fans versetzt wirklich jedes Mal aufs Neue ins Staunen. Da könntest du irgendwo in «Hinterpfupfikon» am Gesäss der Welt ein Konzert veranstalten und das Volk würde trotzdem zahlreich erscheinen. Polizisten und Juso-Demonstranten sind hingegen keine zu sehen. Letztgenannte Kameraden wollten den heutigen Event ja sogar komplett verhindern. Des Weiteren streunt ein Kätzchen gemütlich durch die Gegend. Pass gut auf dich auf, kleine Mieze. Sonst endest du am Ende noch als Bühnen-Deko. Wobei…, so wie ich den guten Hall Of Fame-Bühnenmeister Mac ‘N’ Roll kenne, wird er blutige Rituale oder dergleichen tunlichst unterbinden. Okay, die wilde «Schweinekopf-Zeiten» von Mayhem gehören meines Wissens eh schon länger der Vergangenheit an.
GosT
Doch genug des Vorgeplänkels – schliesslich wollen die werten Leser ebenfalls ein paar Dinge über die musikalischen Darbietungen erfahren. Der erste Acts, der vom Namen her nicht mit Ghost zu verwechseln ist, sorgt bei den Zuhörern bereits nach wenigen Augenblicken für irritierte Blicke. Da dröhnt uns ein skurriles Electronic/Synthesizer-Gemisch entgegen. Zudem setzt der Sänger (eine Art «Hobby-Marilyn Manson») auf schwarzmetallisches Gekrächze. Unterstützt wird er lediglich von einem Bassisten. Allerdings bleiben die Namen der beiden Herren ein Geheimnis.
Was das Duo da so zusammenköchelt, ist unglücklicherweise nur schwer in Worte zu fassen. Man muss es einfach erlebt haben – sofern man sich die ganze Sache tatsächlich antun möchte… Mein Bezeichnungsversuch würde wohl am ehesten «ABBA Disco Black Metal» lauten. An einer Endstation-Gothic-Party wären die Amis sicherlich hervorragend aufgehoben; im Billing dieser Tour sind GosT hingegen absolut fehl am Platz. Eigentlich sind nur die gelegentlichen Schreie des Typen am Mikrofon einigermassen erträglich. Den Rest könnte man locker in die Tonne kloppen.
Gaahls Wyrd
Nach diesem Auftakt zum Vergessen sehnen sich meine Ohren nach brauchbarer Mucke. Ich bin zuversichtlich, dass der werte Gaahl und seine Mitstreiter diesbezüglich weiterhelfen können. Die Truppe wirkt bei jedem unserer Aufeinandertreffen stärker. Zuletzt gab’s eine mitreissende Performance am diesjährigen Summer Breeze Open Air. Diese Leistung dürfte im Hall Of Fame gerne erneut abgerufen werden.
Bis etwa zur Hälfte des Auftritts läuft alles wie am Schnürchen. Dann sorgt plötzlich ein technisches Problem am Mikrofon für einen minutenlangen Unterbruch. Die Suche nach einem Ersatz scheint eine grosse Herausforderung darzustellen. Gaahl wartet geduldig und scheint in einen Zustand der Meditation versunken zu sein. Keine Ahnung, was momentan in seinem Innern vorgeht. Vor meinem geistigen Auge sehe ich jedenfalls schon reihenweise sterbende Tontechniker… Glücklicherweise spielt die Saitenfraktion ein paar Töne, um die vollständige Stille zu verhindern.
Spannenderweise ist der Gig nach der Behebung der Mikro-Angelegenheit überragend. Die gesamte Band dreht auf und lässt sich von der rappelvollen Hütte feiern. Gaahl ist freilich ein Meister der Stimmen. Diesen Kerl umgibt zweifelsohne eine faszinierende Aura. Nach dem Gig schreitet der Norweger an den Absperrgittern vorbei und bedankt sich bei den Fans. Neben den Handshakes liegen ausserdem ein paar Fotos drin. Wie war das noch mit den unnahbaren Black Metallern? Ich werde jetzt jedenfalls den Merch-Stand plündern. Shirt, Hoodie, signierte CD – einmal das volle Programm, bitte.
Mayhem
Der Headliner greift um 21.35 Uhr ins Geschehen ein. Es dauert ein bisschen, bis die fünf Herren in die Gänge kommen. Danach geht aber in bester Vollgas-Manier die Post ab. Der maskierte Attila krächzt, röchelt und flüstert Gift und Galle in sein Mikrofon. Mit Kapuze und Mantel erinnert er mich jedes Mal an einen Darth Sidious-Verschnitt. Der Fronter operiert während der gesamten Darbietung mit diversen Requisiten. Unter anderem kommen ein umgekehrtes Knochenkreuz und ein Henkersknoten zum Einsatz. Die Botschaften des teuflischen Priesters soll jeder für sich selbst interpretieren. Das populärste Mitbringsel von Attila scheint jedoch ein Totenschädel zu sein. Wie ein Irrer fuchtelt er damit in der Gegend herum. Erinnert phasenweise fast an einen epileptischen Anfall.
Die einzig wahre Institution des norwegischen Schwarzmetalls gliedert ihre unheilige Zeremonie in drei Akte. Im ersten Teil tauchen mit «Malum», «Bad Blood» und «Invoke The Oath» gleich drei Hörproben vom aktuellen Silberling auf. Ein Kauf dieser Platte wird für mich immer wahrscheinlicher. Aber zuerst wird vorbildlich von A bis Z der Show beigewohnt. Im zweiten Abschnitt kommen die alteingesessen Mayhem-Sympathisanten auf ihre Kosten, da ausschliesslich Liedgut vom prägenden und äusserst relevanten «De Mysteriis Dom Sathanas»-Album gespielt wird. Schon bei den ersten Klängen von «Freezing Moon» bricht beispielsweise frenetischer Jubel aus.
Die Maschinerie gerät kaum ins Stocken. Ghul und Teloch entlocken ihren Saitenköniginnen unermüdlich bösartige Riffs. Sollten die Besucher wider Erwarten schläfrig werden, sorgt Necrobutcher am Tieftöner für ein rasches Erwachen. Der kleine Giftzwerg stachelt die Masse regelmässig an. Im Hintergrund gibt Hellhammer mittels seiner Schiessbude den Takt vor.
Den finalen Akt widmen die Herrschaften schliesslich den Demos und der EP aus den Anfangstagen. Dieses rohe, aggressive «Hau-drauf-Geknüpple» lässt die Gemäuer der Ruhmeshalle regelrecht erzittern. Dieser wilde Schlussspurt hat es definitiv in sich. Die endgültige Pulverisierung folgt dann mit dem Track «Pure Fucking Armageddon». Die Verwüstung der anwesenden Gehörgänge ist damit erfolgreich geglückt.
Das Fanzit
Trotz technischer Schwierigkeiten hiess mein Tagessieger Gaahl. Der nippte übrigens am Ende des Abends neben der Bühne in einer Ecke genüsslich an einem Glas Rotwein. Dank meiner Merch-Einkäufe dürfte ihm sein Stoff wahrscheinlich nicht so schnell ausgehen. Mayhem konnten sich konstant steigern und liessen dadurch kaum mehr Zweifel an ihrer Headliner-Position zu. Auf GosT aus den US und A hätte man dagegen gerne verzichten dürfen.
Wie gesagt, die Kombination von Black Metal-Events und Hall Of Fame funktioniert. Wer sich auch einmal davon überzeugen möchte, darf gerne Anfang Mai des kommenden Jahres ins Zürcher Oberland pilgern. Zu diesem Zeitpunkt wird nämlich das Black Hole Fest stattfinden, bei welchem unter anderem Marduk, Endstille, Firtan und Imperium Dekadenz mitmischen werden.
Setliste – Mayhem
Akt I
- Falsified And Hated
- To Daimonion
- My Death
- Malum
- Bad Blood
- Symbols Of Bloodswords
- A Bloodsword And A Colder Sun, Part II
- Invoke The Oath
Akt II
- Freezing Moon
- Pagan Fears
- Life Eternal
- Buried By Time And Dust
Akt III
- Deathcrush
- Chainsaw Gutsfuck
- Ancient Skin
- Carnage
- Pure Fucking Armageddon