Feuchtfröhliches Metallisieren im Sedel
Das Metal Scar-Festival wird im Jahr 2019 bekanntermassen leider nicht stattfinden. Nichtsdestotrotz verwöhnte OK-Boss Dave die Mähnen schüttelnde Zunft am Samstag mit einem ansprechenden Alternativ-Programm – der Metal Scar Rock Party – im Luzerner Sedel. Die Besucher durften sich an insgesamt neun Kapellen erfreuen. Die Schweizer-Akteure waren in diesem Billing besonders prominent vertreten. Unglücklicherweise konnte der ambitionierte Zeitplan am Ende nicht wie ursprünglich geplant eingehalten werden.
Dutti: Müsste man zwischen Wacken und dem Summer Breeze Open Air eigentlich nicht ruhen und die müden Knochen schonen? Fehlanzeige – der Konzertentzug soll schliesslich keinesfalls zu lange dauern. Abhilfe dazu gibt’s am heutigen Samstag in der Innerschweiz. Metal Scar-Maestro Dave kann sein Festival in diesem Jahr zwar blöderweise nicht durchführen, aber das hat ihn trotzdem nicht davon abgehalten, eine Alternativ-Veranstaltung mit der Metal Scar Rock Party aus dem Boden zu stampfen. Aufgrund dessen werden die Wände der ehemaligen Strafanstalt Sedel in den kommenden Stunden fleissig mit metallischen Klängen beschallt. Wer braucht da schon die Street Parade? Metalinside-Kollege Domi the Stick – der ebenfalls vor Ort weilt – wird gemeinsam mit meiner Wenigkeit die Leistung der aufspielenden Truppen beurteilen (Anm. DtS: Hallo miteinander! Das tönt fast schon nach Jury… Auf jeden Fall berichten wir von den Konzerten, Organisation, Stimmung und besonderen Vorkommnissen).
Zu Beginn hält sich der Publikumsaufmarsch beinahe schon erwartungsgemäss noch in Grenzen. Immerhin kann man so stressfrei sein Bier bestellen und auch bereits erste Blicke über das Merchandise-Angebot schweifen lassen. Es sind aber längst noch nicht alle Bands anwesend. Die Jungs von Lagerstein, welche im heutigen Line-Up als Headliner figurieren, sind jedoch bereits präsent und sorgen dafür, dass ihre Kehlen nicht austrocknen. Die australischen Piraten scheinen sich auf helvetischem Grund ziemlich wohlzufühlen. Manch einer munkelt, dass dies unter anderem an einer gewissen Verbindung zu Irony Of Fate liegen könnte, aber solche Geschichten überlassen wir dann doch lieber der Klatschpresse.
Burn Our Hometown
Dutti: Die Party wurde im Vorfeld zwar von einigen Bandabsagen überschattet, aber Dave und seine Kumpels konnten dann doch für sämtliche Positionen Ersatz auftreiben. Zu dieser Kategorie gehören auch Burn Our Hometown, die um 14.30 Uhr als erste Künstler ins Rennen gehen. Die Berner lassen einen Mix aus Hardcore und Post-Hardcore auf die Bretter knallen. Die Jungs nutzen die ihnen zur Verfügung stehende Spielzeit gleich einmal dazu, um den Zuhörern sämtliche Stücke ihres Debütsilberlings «Canyons», welches im Januar dieses Jahres erschienen ist, zu präsentieren. Zweifelsohne ein solider Auftakt in die Metal Scar – Rock Party.
Domi the Stick: Da muss ich zustimmen! Auch wenn ich vor wenigen Zeilen die Jury-Stelle noch abstritt, muss ich diesen Auftritt als einen der Höhepunkte des heutigen Abends werten. Auch wenn von Seite Publikum noch nicht viel läuft, sind die Musiker hochmotiviert und begeistern mit ihren Riffs. Ich kenne zwar lange nicht alle heute spielenden Bands, erhoffe mir aber weitere solche Auftritte!
Setliste – Burn Our Hometown
- Rough Times
- Oh Donald
- Trapped
- Distant
- Canyons
- Brute Force
- Run
Doctor Detox
Dutti: Thrash Metal steht bei Veranstalter Dave hoch im Kurs. Wundert euch also nicht, wenn ihr in Billings seiner Events auf die eine oder andere Drescher-Gruppe stösst. Auch Doctor Detox aus dem Rheintal haben sich diesem Genre verschrieben. Beim Soundcheck lässt sich Trio zumindest schon einmal ordentlich Zeit. Running Order adé… Die anschliessende Performance haut mich dann leider kaum aus den Socken. Des Weiteren kann ich mit den Witzen und Sprüchen von Frontmann Steve Rock`n`Rohner ebenfalls nicht sonderlich viel anfangen. Daran kann auch ein roter Buzzer in der Bühnenmitte (mit dem man wohl den Weltuntergang initialisieren kann) nix ändern. Fairerweise muss ich allerdings zugeben, dass in der vordersten Reihe ordentlich die Post abgeht. Die Hardcore-Supporter der thrashigen Doktoren scheinen den Weg in den Sedel also gefunden zu haben.
Domi the Stick: Auch wenn ich mich nicht zu den Supportern der Band zähle – ich kenne sie gar nicht –, stehe ich weit vorne und meine Haare fliegen. Tatsächlich glänzen die Jungs auch bei mir nicht mit allzu viel Sympathie, doch die Mucke macht Spass!
Setliste – Doctor Detox
- Eat, Shit, Fuck, Die
- Thrash Doctor
- CCC
- Unleash The Beast
- Can’t Find My Tankard
- ESFD
- Let’s Get Drunk
- Disco Thrash
- I Don’t Care
- Black Metal (Venom-Cover)
Calico
Dutti: Nun herrscht bei mir aber grosse Vorfreude. Der Grund? Tja, die nächste Band stammt aus Winterthur. Vor Auftritten von Truppen aus meiner Heimatstadt bin ich sowieso stets gespannt und stolz zugleich. Die Wege von Calico und mir haben sich bisher noch nie gekreuzt. Schön, dass sich dies heute endlich ändert.
Ähnlich wie beim heutigen Headliner dominiert auch bei den Winterthurern die Piraten-Thematik – sowohl optisch als auch musikalisch. Kapitän Philipp Wyssen – stilecht mit Papagei auf der Schulter – führt seine Crew mit seinem bitterbösen Stimmorgan ins Gefecht. Ohja, die fünf Freibeuter sorgen hier aber einmal für mächtig Stimmung. Nach einem halben Jahr Bühnenabstinenz steht den Herrschaften die Spielfreude deutlich in die Gesichter geschrieben. Tracks wie «Paul The Parrot» oder «Invisible Pineapples» mögen zwar keinen Preis in Sachen Seriosität gewinnen, aber unterhaltsam sind sie allemal. Ich freue mich jedenfalls jetzt schon auf das nächste Wiedersehen mit den ulkigen Metal-Piraten. Vielleicht gibt’s dann ja Neuigkeiten zum Debütalbum. Diese sei offenbar fleissig in der Mache.
Domi the Stick: Die erste Band, die ich bereits kannte! Mit den Piraten durfte ich zum Beispiel schon in der Met-Bar Vorlieb nehmen. Leider ist der Sound ein Spürchen zu breiig und trübt ein wenig das Konzert-Erlebnis. Nichtsdestotrotz ist der Abriss garantiert und der Gig geht als eines der erwähnten Highlights des heutigen Abends in meine eigene Chronik ein. Fehlt nur noch eines…
Setliste – Calico
- Intro
- A Cursed Ship’s Tale
- Paul The Parrot
- Surrender Or Die
- Invisible Pineapples
- Into The Storm
- The Feast Of Emerald Meadow
Mnemocide
Dutti: Entlastung für die Nackenmuckis? Nö, Fehlanzeige! Der nun aufspielende Akteur verlangt den Headbangern nämlich alles ab. Unermüdlich knüppelt die Basler Todesmaschinerie Mnemocide vor sich hin. Angeführt wird der Trupp von Sänger Matthias, der immer wieder bösartig auf der Bühne herumstampft. Leistungstechnisch eine absolut überzeugende Angelegenheit. Allerdings ist dies nicht wirklich verwunderlich, denn die Herrschaften sind alles andere als Amateure. Man kennt sich bereits aus Zeiten vorangegangener Projekte und hat sich vor zwei Jahren zu diesem neuen Death Metal-Ungetüm zusammengeschlossen. In Sachen Setliste hat das Quintett neben eigenem Material auch eine Cover-Version der legendären Bolt Thrower am Start: «Anti-Tank (Dead Armour)». Da bleibt kein Halswirbel verschont. Zum allerersten Mal bin ich den Jungs Anfang Februar dieses Jahres in der Luzerner Schüür begegnet. Bereits damals war das Gezeigte durchaus überzeugend, aber heute setzen die «Bebbi» definitiv nochmals einen drauf!
Domi the Stick: Interessant an diesem Bericht finde ich, wie Duttis und mein Empfinden auseinanderzugehen scheinen. Da ich nicht ganz so begeistert wie mein Schreiber-Kollege bin, verlasse ich den Sedel für eine Verschnaufpause und geniesse die Atmosphäre unter den zahlreich ankommenden Metalheads, welche zum einen oder anderen Gespräch verlocken.
Setliste – Mnemocide
- Crash And Burn
- In Pain
- Only Shades
- Dead Man Walking
- Pawns
- Collapse
- Let Me Feed You
- Anti-Tank (Dead Armour) (Bolt Thrower-Cover)
- Again
- Soul Collector
Irony Of Fate
Dutti: Gemäss Plan müssten jetzt eigentlich Ultra-Violence auf der Bühne den Tarif durchgeben. Aber offenbar stehen die Italiener im Stau und werden aufgrund dieser Blechlawine erst später am Ort des Geschehens eintreffen. Halb so wild. Die Irony Of Fate-Besatzung ist bereits vollzählig präsent und springt gerne in die Bresche. Ende Mai haben die Berner Alex Allmann als ihren neuen Manager vorgestellt. Der Kopf des Vereins Metal Storm Concerts ist hierzulande bestens vernetzt und kann die junge Truppe meines Erachtens beim Erreichen des nächsten Levels sicherlich massiv unterstützen. Diese Zusammenarbeit werden wir mit grösstem Vergnügen weiterverfolgen.
Inzwischen kann sich der Publikumsaufmarsch im Sedel absolut sehen lassen. Die Stimmung ist ebenfalls ausgezeichnet. Auf den Brettern gehen derweil Irony Of Fate gewohnt souverän zur Sache. Da ein bisschen Melodic Death Metal, dort etwas Groove Metal und dann noch eine Prise Thrash Metal – und fertig ist die Nackenbrecher-Wundermischung. Frontmädel Cveti Stojmenova brüllt und krächzt sich regelrecht ihre Seele aus dem Leib. Mein Favoriten-Track «Six Feet Deep» hat es ebenfalls wieder in die Setliste geschafft. Nichtsdestotrotz dürstet es mich langsam nach neuem Material der Berner. Doch verzagt nicht, werte Freunde, denn das Songwriting sei offenbar bereits im Gange.
Domi the Stick: Der absolute Höhepunkt des Abends! Zumindest ich hätte diese erfolgreiche junge Band auch als Headliner des Abends akzeptiert, denn was Irony Of Fate hier abliefern, ist allererste Sahne! Tiefpunkte gibt es keinen einzigen; als absolut überragend sind aber der Opener «Resurrection» und den Abschluss «Destruction» zu werten. Auf viele weitere solche Auftritte (und auch ich sage natürlich nicht nein zu neuen Werken aus dieser Metall-Schmiede)!
Setliste – Irony Of Fate
- Resurrection
- Oceans Of Doom
- The Curse
- When Worlds Collide
- Unleashed Your Chains
- Six Feet Deep
- Epitaph
- Destruction
Total Annihilation
Dutti: Der Abend schreitet munter voran und mit Total Annihilation steht erneut ein Vertreter des Kantons Basel auf der Matte. Der Sound der Herren zeichnet sich durch Elemente des Thrash und Death Metal aus und wird den Zuhörern regelrecht in die Kauleisten gedonnert. Unsere Wege haben sich inzwischen doch ein paar Mal gekreuzt und bisher habe ich keinen schwachen Auftritt dieser Truppe zu beklagen. Dies ändert sich auch heute Abend nicht. Es macht einfach richtig Laune, dem fulminanten Gedresche und Geknüpple der Nordwestschweizer zu lauschen. Im Februar des kommenden Jahres soll die neue Scheibe «…On Chains Of Doom» erscheinen. Einen kleinen Vorgeschmack darauf liefert schon einmal die Nummer «Black Blood». Nackenmuskulatur adé!
Setliste – Total Annihilation
- Intro
- Brainless Pigs
- Day Z
- Black Blood
- Reborn In Flesh
- Solace For The Weak
- Dead Souls
- W. S.
- Social Distortion
- Outro
Infinitas
Dutti: Die «Infinitösen» kommen! Zweifelsohne eine der kreativsten Truppen, die unsere lokale Szene zu bieten hat. Für die Umsetzung ihres neuen Streichs «Infernum» legen sich die Muotathaler schon seit einer Weile mächtig ins Zeug. Crowdfunding-Kampagne, Umtausch-Aktion etc. Immer wieder zaubern die Musiker eine neue Idee aus dem Hut. Glücklicherweise scheint alles hingehauen zu haben und der neue Silberling soll am 7. Dezember 2019 in der Zuger Chollerhalle der breiten Masse vorgestellt werden (Anm. d. Red.: Die Plattentaufe wurde später in die Hall of Fame in Wetzikon verschoben – siehe Review).
Doch das ist Zukunfts-Musik – fokussieren wir uns zuerst einmal auf die heutige Darbietung an der Metal Scar Rock Party. Im Vergleich zum MetalDays-Festival finden sich die Innerschweizer heute auf einer verhältnismässig kleinen Bühne wieder. Nichtdestotrotz spielen sich die Infinitas unbeirrt durch ihr Set und sind sich auch nicht für gewisse Show-Elemente – wie beispielsweise das Erscheinen von Sängerin Andrea Böll mit Sauron-Maske bei «Morrigan» – keinesfalls zu schade. Die Position an der Violine hält abermals Savannah Childers inne (die inzwischen übrigens offizielle als fixes, viertes Bandmitglied vorgestellt wurde).
Da die Zeit inzwischen schon arg fortgeschritten ist und sich meine Müdigkeit immer stärker bemerkbar macht, muss ich mich leider gezwungenermassen bereits nach dem Gig von Infinitas zur Abreise entschliessen. Hoffentlich beweist mein Metalinside-Kumpel Domi the Stick ein bisschen mehr Durchhaltevermögen und zieht sich die Auftritte von Lagerstein und Ultra-Violence noch rein.
Domi the Stick: Nun, ehrlich gesagt habe ich mir sogar schon während Infinitas Gedanken über die Abreise gemacht. Der Tag war bisher wirklich anstrengend und der Auftritt… Nun, überzeugt bin ich nicht. Doch da dies meine erste Begegnung mit Infinitas war und die Band bei vielen Mit-Metalheads sehr gut ankommt, werde ich mich bestimmt auf eine zweite Chance einlassen. Mit einem Bierchen in der Hand warten wir das Ende des Konzerts ab und hoffen, dass das Warten auf Lagerstein sich lohnen wird.
Setliste – Infinitas
- The Die Is Cast
- Labartu
- Samael
- Rudra
- Morrigan
- Skylla
- Indra
- Avnas
- Alastor
- A New Hope
Lagerstein
Domi the Stick: Nach einer weiteren eher zu langen Umbaupause beginnen die zweiten Piraten dieses Abends, die Trunkenbolde von Lagerstein. Zweifelsohne präsentiert sich die Truppe witzig (immerhin wird da mehr als nur einmal aus Schuhen getrunken…) und hätte mich unter anderen Umständen vielleicht auch eher überzeugt – noch vor wenigen Tagen in Wacken zum Beispiel. Nun denn, nach circa einer halben Stunde Lagerstein brechen wir unser Camp im Sedel ab und treten die Heimreise an. Ultra-Violence, welche anschliessend noch spielen sollten, verpassen wir also.
Das Fanzit – Metal Scar Rock Party
Dutti: Veranstalter Dave hat den Anhängern der lauten Gitarrenmusik mit der Metal Scar Rock Party meines Erachtens definitiv einen brauchbaren Ersatz für das Metal Scar-Festival präsentiert. Beim nächsten Mal klappt’s dann vielleicht auch mit dem Einhalten der Running Order. Nichtsdestotrotz hoffe ich, dass wir 2020 wieder zum Ursprung zurückkehren und für zwei Tage den Mattlisaal im wunderschönen Sachseln unsicher machen dürfen. Die hel(l)vetische Metal-Kavallerie hat sich heute im Sedel aber äusserst gut verkauft. Insbesondere die Shows von Calico, Mnemocide und Total Annihilation empfand ich als bockstark.
Domi the Stick: Alles in allem war der heutige Tag definitiv ein Erfolg! Die Qualitäten der einzelnen Auftritte empfinde ich aber als stark gestreut. Der Opener Burn Our Hometown, die Piraten Calico und die boomenden Irony Of Fate schwammen für mich ganz klar obenauf, während mich andere Bands nur wenig begeisterten. Ein fettes Danke an die Veranstalter, alle Mitwirkenden und an alle Bands.