Zwei nordische Grössen machen gemeinsame Sache
Dimmu Borgir und Amorphis – stilistisch mögen die beiden Truppen kaum etwas gemeinsam haben und trotzdem touren sie zurzeit durch ein paar ausgewählte, europäische Städte. Am Freitagabend gastierte der Tross (zu dem auch die US-Amerikaner von Wolves In The Throne Room gehören) im Zürcher Komplex 457. Die Analyse der einzelnen Performances gibt’s im nachfolgenden Wortsalat.
Ehrlich gesagt hat mich die Location-Auswahl doch ein bisschen überrascht, denn rein von den Namen her hätte man das Ganze problemlos ebenso in einer Samsung Hall oder Halle 622 durchführen können. Tja, nun ist die Entscheidung eben auf einen in Sachen Soundqualität ziemlich risikohaften Laden gefallen. Des Weiteren dürfte das Ganze eine ziemlich enge Geschichte werden, da sich die zwei Co-Headliner durchaus einer gewissen Popularität erfreuen. Weil mit Amorphis eine meiner absolut favorisierten Gruppen am Start ist, musste ich dennoch keine zwei Sekunden über den Besuch dieser Veranstaltung nachdenken.
Zuerst steht die obligate Inspektion des Merch-Angebotes auf dem Plan. Alle drei Akteure habe effektiv einige Artikel mitgebacht. Freudig erweitere ich meine ohnehin schon ansehnliche Schweissband-Sammlung um ein Exemplar der Finnen. Anschliessend geht’s via Schluckspecht-Tresen zur linken Raumseite, wo wir unseren Beobachtungsposten beziehen. Bisher ist’s in Sachen Menschenauflauf glücklicherweise noch erträglich.
Wolves In The Throne Room
Die schwarzmetallischen Wölfe aus Olympia, Washington sollten eigentlich mit dieser Höhle bestens vertraut sein. Vor einem knappen Jahr haben sie nämlich schon einmal in dieser Stätte als Support-Act von Behemoth gespielt. Für die knipsende Zunft stellen sie – beziehungsweise die Lichtverhältnisse ihres Auftritts – eine gigantische Herausforderung dar. Blau, Rot, Nebel und manchmal sogar komplett düster – da weint das Fotografenherz… Den Amis genügen drei Tracks, um eine Spielzeit von 35 Minuten auf die Uhr zu bringen. Gute Ansätze sind zwar vorhanden, aber die 2019er-Show hat mich dann doch mehr gepackt. Dieses Mal müssen sich unsere Gehörgänge mit einem mühsamen «Schepper-Schlagzeug» herumquälen. Ausserdem will das Gekeife von Nathan Weaver irgendwie nicht wirklich in die Songstrukturen passen. Das Stimmorgan seines Kollegen Kody Keyworth schneidet im direkten Vergleich viel besser ab.
Amorphis
Lange haben es die Herren aus dem Land der tausend Seen ja nicht ohne die Schweiz ausgehalten. Der Gig am Meh Suff! Metal-Festival in Hüttikon liegt schliesslich erst ein paar Monate zurück. Jetzt sind die Suomi-Metaller abermals in unseren Gefilden zu Gast und starten sogleich mit dem mächtigen «The Bee» vom Meisterwerk «Queen Of Time» in ihr Set. Nun wird freilich eine ganz andere Kadenz an den Tag gelegt. Über Fronter Tomi Joutsen kann man einfach jedes Mal wieder staunen. Der Kerl ist ein sagenhafter Stimmgott! Die Wechsel zwischen klarem Gesang und Growls gehen ihm scheinbar absolut mühelos von der Hand. Er muss tatsächlich einen fantastischen Lehrer gehabt haben.
Für eine positive Überraschung sorgt ebenfalls die Abmischung – eine lupenreine Angelegenheit. Wuchtig dröhnen die Melodien des Sextetts aus den Boxen, was in diesen Mauern alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist. Keyboarder Santeri Kallio punktet mit seinem Dauergrinsen. Kann man also von einer perfekten Darbietung sprechen? Nicht ganz. Das Bass-Solo von Olli-Pekka Laine geht beispielsweise komplett unter. Zudem wird der Background-Gesang von Klampfer Tomi Koivusaari Opfer eines zu leise eingestellten Mikrofons.
Die coole Setlist zeigt das gesamte Spektrum der Band auf. Während sie heutzutage eher progressiv und melodiös unterwegs sind, dominierten in der Vergangenheit die groben Klänge. Für «Sign From The North Side» haben die Herrschaften verdammt tief in der Mottenkiste herumgegraben. Das Stück stammt nämlich vom Debütsilberling «The Karelian Isthmus» aus dem Jahre 1992 und wurde schon länger nicht mehr live gespielt.
Die Kampfansage an Dimmu Borgir ist gemacht. Die Norweger müssen liefern – aber so was von! Und ich bin froh, dass meine Hühnerhaut vorübergehend zur Ruhe kommt.
Dimmu Borgir
Der «Döner Burger», wie die Kapelle in gewissen Kreisen liebevoll genannt wird, sorgte Anfang Mai 2019 für Aufsehen, als sie sich nach achtjähriger Funkstille mit einem neuen Album zurückgemeldet haben. Seither kann man den Sechser wieder öfters auf den Bühnen dieser Welt bestaunen. «Eonian» hat in einem Punkt deutliche Klarheit geschaffen: Shagrath und Co. sind endgültig im Symphonic Black Metal-Sektor angekommen – zum grossen Leidwesen der «trven» Fans. Mir persönlich gefallen die aktuellen Nummern nicht schlecht. Im Live-Gewand haben sie einfach die Tendenz, mit der Zeit etwas seicht daherzukommen. Mal schauen, wie’s heute wird.
Wahrscheinlich liegt’s am bockstarken Auftritt von Amorphis, aber meines Erachtens kommen Dimmu Borgir nur langsam auf Touren. Dafür können sie sich an einer hervorragenden Kulisse erfreuen. Das Komplex ist zum Bersten voll (und scheint trotzdem nicht völlig ausverkauft zu sein). Tja, dann gibt’s in diesen 75 Minuten halt das totale Sardinenbüchsen-Gefühl.
Ab «The Chosen Legacy» und «The Serpentine Offering» von der 2007er-Scheibe «In Sorte Diaboli» bin ich hundertprozentig mit von der Partie. Es sind heute wahrlich die älteren Tracks, welche in den Publikumsreihen für ausgelassene Jubelstürme sorgen. Fronter Shagrath mag mit seinem Corpsepaint zwar wie der Oberbösewicht wirken, aber er nimmt sich trotzdem immer wieder Zeit für Ansagen zwischen den einzelnen Stücken. Nix da mit arrogantem Black Metal-Gehabe. Die Gesichtsentgleisungen von Kahlkopf und Schnauzträger Galder sind verdientermassen einige Stilstudien wert. Tastenmann Gerlioz weist gewisse Ähnlichkeiten zu Flake von Rammstein auf. Für die nächste Aussage würde mich Metalinside-Kollege Kaufi wahrscheinlich mittels «one-way»-Ticket mindestens auf den Mars schiessen, aber würde man die Musik komplett ausblenden und bloss auf den Bühnenaufbau und die Outfits der Akteure schauen, könnte man für einen gaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanz kurzen Moment meinen, dass da gerade Powerwolf auf der Bühne stehen (so, und jetzt muss ich mich wohl oder übel längerfristig verstecken). (Anm. Kaufi: Ich finde dich – so lange kannst du nicht untertauchen… die Rakete zum Mars ist bereit…).
Wie bereits erwähnt versetzt hauptsächlich das ältere Liedgut die schwarzgekleidete Masse in Ekstase. Bei «Puritania» und «Mourning Palace» gehen einige sogar beinahe auf die Knie. Dafür wird mir unter anderem bei «Progenies Of The Great Apocalypse» wieder etwas bewusst: Dimmu Borgir sollten unbedingt an eine erneute Zusammenarbeit mit einem Chor oder Gastsängern denken, denn es ist schade, dass diese Dinge alle ab Band kommen. Logisch kann man nicht jedes Mal ein ganzes Orchester mit auf Tour nehmen, aber gewissen Hymnen würde das zweifelsohne gut tun.
Das Fanzit
Amorphis waren heute Abend sackstark und legten einen nahezu perfekten Auftritt aufs Parkett. Sonderlob verdiente sich insbesondere Frontmann Tomi Joutsen mit seinem unglaublichen Stimmorgan. Die symphonischen Schwarzmetaller aus Norwegen erwischten einen Kaltstart, konnten sich aber anschliessend zurück ins Geschehen kämpfen. Einzig mit den Wolves In The Throne Room wollte niemand so richtig warm werden. Bei den Co-Headlinern hat sich sogar die Soundqualität einigermassen brauchbar gehalten.
Setlist – Wolves In The Throne Room
- Born From The Serpent’s Eye
- Angrboda
- I Will Lay Down My Bones Among The Rocks And Roots
Setlist – Amorphis
- The Bee
- Heart Of The Giant
- Bad Blood
- Silver Bride
- The Four Wise Ones
- Thousand Lakes (ab Band)
- Into Hiding
- Against Widows
- Sampo
- Wrong Direction
- The Golden Elk
- Sign From The North Side
- House Of Sleep
- Black Winter Day
- Outro – House Of Sleep (Polka-Version) (ab Band)
Setlist – Dimmu Borgir
- Intro
- The Unveiling
- Interdimensional Summit
- The Chosen Legacy
- The Serpentine Offering
- Gateways
- Dimmu Borgir
- Puritania
- Ætheric
- Council Of Wolves And Snakes
- Progenies Of The Great Apocalypse
- Mourning Palace
- Outro – Rite Of Passage