Unwürdiger Publikumsaufmarsch
Am Ende hätte die Veranstaltung wahrscheinlich sogar problemlos im Mini Z7 stattfinden können. Schade, dass so wenige Nasen den Weg in die Nordwestschweiz gefunden haben. Insbesondere Rage und Serenity präsentieren sich nämlich während ihren Darbietungen in bestechender Form. Wer sich das durch die Lappen hat gehen lassen, ist schlichtweg selbst schuld.
Ein verdammt strenger Konzertmarathon steht bevor. Von heute an bin ich bis und mit Montag ständig unterwegs. Einzig am Freitag bleibt Zeit für eine kurze Verschnaufpause. Die erste Etappe dieser «Tour de Metal-Dutti» führt mich ins gelobte «Z7-Land». Auf der Bühne von Prattelns legendärer Konzertfabrik werden heute Abend Vanish, Serenity und Rage für Stimmung sorgen. Den Headliner habe ich persönlich schon länger nicht mehr in Aktion erlebt. Ein Blick in die Metalinside-Review-Historie verrät, dass die letzte Begegnung 2016 stattgefunden hat. Übrigens ebenfalls in dieser Location. Die Österreicher von Serenity, die einen der Support-Slots besetzen, sind sowieso stets ein Vergnügen. Zudem haben sie mit «The Last Knight» ein neues Eisen am Start. Die dritte Kapelle – Vanish – sagt mir hingegen im ersten Moment nix. Mit dem gleichnamigen Fleckenentferner aus der Werbung dürften sie wohl kaum Gemeinsamkeiten haben.
Die Pforten werden um 19 Uhr geöffnet. Bereits eine halbe Stunde später soll dann bereits mit der ersten Darbietung losgelegt werden. Falls das tatsächlich stimmt, wäre mir der anstrebte Zeitplan absolut sympathisch. Die ganze Angelegenheit finden im «3/4-Z7» statt. Aufgrund der bedauerlicherweise ziemlich überschaubaren Menschenmenge hätte die Veranstalter vielleicht sogar direkt auf die Mini-Hallenversion zurückgreifen können. Auf Empfehlung meiner besseren Hälfte verlasse ich – man staune – für einmal meinen geliebten Pfosten und wage mich ein bisschen weiter an die Front. Die Bands sollen ja trotzdem irgendwie spüren, dass wir sie tatkräftig unterstützen.
Vanish
Die Power Metaller aus Stuttgart machen den Anfang – und das effektiv um 19.30 Uhr. Soundmässig eine völlig solide Sache. Einzig der Stimme von Bastian Rose fehlt irgendwie der letzte Schliff, um optimal zu den Songstrukturen zu passen. Aus seiner Sicht klinge er recht gut, aber das liege wahrscheinlich am ausgeborgten Mikrofon von Georg Neuhauser. Er erklärt uns ausserdem, was das Geile an Metal-Konzerten ist. Da könne man problemlos in der ersten Reihe stehen und problemlos seine Fritten mampfen. Das ist jetzt nicht einfach so dahergesagt, denn ein Besucher tut wirklich exakt das und erntet dafür einige Lacher. Nach der Show werden sie am Merch-Stand gerne alles Mögliche signieren (selbst von Kaufverträgen ist die Rede).
Serenity
Die Symphonic respektive Progressive Power Metaller aus unserem östlichen Nachbarsland kündigen sich mit einem epischen Intro an. Anschliessend geht’s mit dem neuen «My Kingdom Comes» rasant weiter. Gitarrist Christian Hermsdörfer darf erstmals seine fetzigen Growls beisteuern. Offenbar scheint er gerade keine Verpflichtungen mit Beyond The Black zu haben und kann dadurch seiner eigentlichen Haupt-Band wieder einmal unter die Arme greifen. Speziell die Mädels in den Publikumsreihen dürften ihre wahre Freude an ihm haben. Er sieht gut aus, kann Gitarre spielen und verfügt über ein facettenreiches Stimmorgan – da sehe ich also zugegebenermassen schon ein bisschen alt neben ihm aus…
Die eigentliche Charisma-Maschine von Serenity ist und bliebt jedoch Frontmann Georg Neuhauser. Da weiss einer ganz genau, wie er die Zuhörerschaft animieren muss. Auch er wirkt ein bisschen irritiert wegen der vielen Lücken vor der Bühne. «Ist heute irgendein Spiel der Schweizer Fussball-Nati?», fragt er schliesslich in die Runde. Berührungsängste kennt der Kerl sowieso nicht. Bei einem Track schlendert er gemütlich durch die Halle und macht auf «Rockstar zum Anfassen». Rampensau par excellence! Die vielen Serenity-Shirts zaubern dem kahlköpfigen Ösi ein breites Grinsen ins Gesicht. Bei einem Fan mit Behemoth-Hoodie versucht Georg obendrein das Gegrunze und Gekrächze von Nergal nachzuahmen. Naja, das üben wir dann nochmals, mein lieber Kollege. Deine Kompetenzen liegen eindeutig in anderen Stimmlagen.
Bei der Songauswahl habe ich einen massiven Kritikpunkt zu beanstanden: Eine meiner Lieblingsnummern «Spirit In The Flesh» fehlt! Allerdings wurde sie aus gutem Grund aus der Setlist gestrichen, denn wie wir erfahren leidet Bassist Fabio D’Amore, der bei besagtem Stück einen wichtigen Gesangs-Part innehat, an der italienischen Männergrippe (die übrigens noch hundert Mal schlimmer sei als die normale Männergrippe). Nichtsdestotrotz kämpft er sich wacker durch den gesamten Gig. Beim nächsten Gastspiel hierzulande, welches am 10. April 2020 in der Luzerner Schüür stattfinden wird, ist er dann sicherlich wieder in Top-Form.
Rage
Nach dem lohnenswerten Zwischenstopp in Österreich folgt nun der nächste Abstecher nach Deutschland. Heavy, Speed und Power Metal – das erwartet die anwesenden Gehörgänge in den nächsten 105 Minuten. Alter Schwede, das ist ja direkt von Beginn weg ein überragender Abriss! Im Vergleich zu den beiden Vorgruppen ist das Leistungsniveau freilich nochmals ein paar Stufen höher. Angeführt vom Bass-Biest Peter «Peavy» Wagner schmettert uns das Trio aus der Region Nordrhein-Westfalen einen Kracher nach dem anderen entgegen. Zwar scheint der Fronter ebenfalls mit einem Husten zu kämpfen, aber glücklicherweise leidet seine Stimme überhaupt nicht darunter.
Komplettiert wird die Truppe durch Vassilios «Lucky» Maniatopoulos hinter der Schiessbude und Saitenhexer Marcos Rodríguez. Erstgenannter erhält regelmässig Besuch von einem Roadie da immer wieder irgendetwas an seinem Drum-Set feinjustiert werden muss. Das fleissige Helferlein trägt passenderweise ein Tri State Corner-Shirt. Das ist bekanntermassen das Nebenprojekt des Trommlers. Marco wird derweil die Rolle des Motivators zuteil. Es sei hier also keine Polizei-Versammlung. Man dürfe ruhig abgehen. Erfreulicherweise leistet die Mehrheit der Besucher dieser Aufforderung brav Folge.
Mit «Wings Of Rage» haben die Deutschen Anfang dieses Jahres ihr mittlerweile 24. (!) Studioalbum veröffentlicht. Diese beachtliche Zahl macht das Zusammenstellen einer allerseits akzeptierten Setlist alles andere als einfach. Gemäss Peavy versuche man trotzdem stets einen brauchen Mix hinzukriegen. Ich habe mir in diesem Zusammenhalt erlaubt, für einen kurzen Moment in die Statistikwelt einzutauchen: Heute kommen Tracks von zwölf verschiedenen Scheiben zum Einsatz. Sehr löblich würde ich meinen. Das neuste Werk ist dabei mit vier Stücken erwartungsgemäss am prominentesten vertreten. Das finale Ausrufezeichen setzen Rage schliesslich mit einer ausgedehnten Version von «Higher Than The Sky» (welche sowohl Mitmach-Parts für die Fans im Refrain als auch ein Medley, von dem ein Teil das legendäre «Seventh Son Of A Seventh Son» der eisernen Jungfrauen ist, enthält).
Das Fanzit – Rage, Serenity, Vanish
Ich mag vielleicht kein Schätzungs-Genie sein, aber heute Abend haben sich wohl lediglich so 200 bis 250 Nasen ins Z7 verirrt. Da hätte auch eine kleinere Location gereicht. Die Shows von Serenity und Rage waren bockstark. Da haben einige etwas verpasst. Nach den Konzerten konnte man sich noch gemütlich mit allen Musikern am Merch-Stand unterhalten. Berührungsängste? Fehlanzeige!
Setlist – Vanish
- Intro – The Insanity Abstract
- The Pale King
- Make-Believe
- Silence
- We Become What We Are
- Disbelief
- The Grand Design
- Follow
Setlist – Serenity
- My Kingdom Comes
- Reduced To Nothingness
- Iniquity
- Set The World On Fire
- Souls And Sins
- United
- Legacy Of Tudors
- Follow Me
- Lionheart
Setlist – Rage
- True
- Chasing The Twilight Zone
- Shadow Out Of Time
- The Devil Strikes Again
- Deep In The Blackest Hole
- Until I Die
- Set This World On Fire
- Wings Of Rage
- Heartblood
- Season Of The Black
- Refuge
- Shame On You
- Invisible Horizons
- Let Them Rest In Peace
- Don’t Fear The Winter
- Straight To Hell*
- Higher Than The Sky (inklusive Medley: «Princess Of The Night», «Heaven And Hell», «Seventh Son Of A Seventh Son», «Fear of the Dark»)*
*Zugabe