Himbo meets Thrash
War da nicht mal was mit einer Band namens GWAR? Ja gibt es die denn noch? Sind die nur seh- oder auch hörbar? Und Nella? Bis auf Letzteres werden in dieser Review diese brennendsten Fragen beantwortet.
Prolog
Wer wie ich Ende der 80er/Anfang der 90er mit dem Metal und dementsprechend auch mit Metal Hammer & Co. aufgewachsen ist, kann sich sicher auch an die Monster-Figuren-Band GWAR erinnern. Lange bevor man was von Lordi oder Slipknot hörte, gab es also schon hässlich-kostümierte Gestalten, die irgendwie auch noch Musik machen. So nahm ich GWAR zumindest war. Ich hätte nie gedacht, dass die auch wirklich was Brauchbares spielen. Vielleicht hab ich mich da auch etwas zu fest an KISS erinnern lassen … und ja, mich von denen mit Blut und Sperma abspritzen zulassen, auf das hatte ich bisher kein Bock.
Nun, wie auch immer, ich hatte dann bald den Nella Martinetti-Effekt: «Lebt die jetzt noch oder ist die gestorben?». So gefühlt hatte man das bei ihr ja für 20 Jahre oder so – und ich hab soeben wieder mal gegoogelt, ob die jetzt noch lebt oder nicht. Hättest du es spontan gewusst? Und so war es bei mir auch mit GWAR … bis ich 2014 las, dass sich Sänger Dave Brockie, das letzte verbliebene Gründungsmitglied*, eine Überdosis Heroin verpasste. Mein erster Gedanke war, ach GWAR gab es noch? *Übrigens, die haben wohl noch mehr Ex-Band-Mitglieder als Krokus …
Nun, umso mehr war ich dann überrascht, als uns Good News für eine Medienpartnerschaft für das Konzert im Komplex 457 in Zürich im Dezember 2019 anfragte. Mein erster Gedanke: Gibt es die noch? Waren die nicht schon lange tot?
Nun zum Dritten, nachdem ich die Band seit gut 20 Jahren nur von Bildern und deren Namen kannte, war es doch mal an der Zeit, bei denen mal reinzuhören. Wenn die sich schon so hartnäckig dem Tod widersetzen. Bei Nella hatte ich das ja verpasst, ich glaub, die ist jetzt wirklich tot. Oder? Hab‘s schon wieder vergessen.
Was ich dann aber hörte, hat mich doch schon sehr überrascht. Lupenreiner Thrash Metal mit einer Prise Punk im Stile von D.R.I. Hey, das ist doch genau mein Ding! So, als öffnete man eine Weinflasche, die immer im Weinkeller war, aber von der man immer dachte, nö, das ist nix. Und dann köpft man die doch mal und ist überrascht, dass die sogar gut gereift ist. Oder wenn man die Winterjacke nach dem Herbst zum ersten Mal anzieht und Geld drin findet. OK, das ist jetzt ein bisschen weiter hergeholt, aber der pam hat halt so seine spontanen Gedanken, die sich immer grad niederschreiben, bevor das Hirn aktiv werden kann. Tja, schon passiert.
Nun … echt jetzt, schon wieder (Nun)? Also dann, machen wir es mal mit einem also dann, hab ich mir doch gedacht, wenn der Wein schon schmeckt, wie ist es denn, wenn die ein ganzes Fass aufmachen? Also, da steh ich jetzt mit genügend Abstand von der Bühne – ich hab immer noch kein Bock auf Möchte-Gern-Körperflüssigkeiten – im Komplex 457 und lass mich überraschen. Viel mehr als die zwei, drei Lieder bei denen ich vor Monaten reingehört habe, kenn ich immer noch nicht.
Der Seich am Eingang
Doch bevor es losgeht mit den Vorbands, mach ich noch schnell einen Seich.
Als ich so am Pissoir steh, muss ich grad wieder an die doofe Dame beim Eingang denken. OK, ich hab’s andernorts auch schon erlebt, aber dann waren es entweder Grossanlässe im Hallenstadion oder keine Metal-Geschichte. ABER, dass mir an einem Metalkonzert im Komplex 457, mit vielen Metalkonzerten eigentlich geeicht, der Security-Besen den Einlass verwehren will, weil ich eine Wallet-Chain trage – in normaler Länge – ging mir schon sehr auf den Sack. Ich war zuerst etwas konsterniert und dachte, ja gut, die sagt es einfach, weil sie es sagen muss. Doch falsch der Hase, sie meinte das verdammt ernst. Entweder Kette weg oder nix rein. Da ich – oh Wunder – etwas knapp dran war, hab ich gesagt, ja dann schmeiss mich doch raus und bin weitergelaufen. Sie sagte mir noch was Nettes auf den Weg in den Komplex rein. Echt jetzt Komplex? Ich weiss es gibt Vorgaben der Bands, der Veranstalter, der Ehefrau und selbst die Eltern meinen es oft noch gut mit mir, aber wo bleibt der gesunde Menschenverstand? Was in Teufelsnamen will ich mit einer kurzen Kette anfangen? Ein Kettenmassaker? Bitte liebe Bands, Tourmanager, Veranstalter und alle die da mitentscheiden, brieft doch die Security so, dass sie streng und fair sind, aber mit Augenmass. Und was bei einem Metalkonzert immer erlaubt sein muss, sind verdammt nochmals Wallet-Chains, Nieten, Stahlkappenschuhe (grad bei grossen Füssen), besoffene Fans, Pogo (ohne Bruce-Lee-Moves) und Trinkhörner. Auch wenn ihr das bei anderen Genres nicht kennt, das gehört zum Metal dazu und ich bin sicher, alle Bands, die wirklich Metal sind, pflichten dem bei und akzeptieren das auch. Alle anderen gehören boykottiert.
So, der Seich ist fertig, abgetröpfelt und Hände gewaschen. Zurück zum Wesentlichen. Versprochen. Aber die Dame hat mir schon grad den Appetit verdorben. Da muss mich jetzt die erste Band, die ich heute abends sehe, aufheitern – Ravenchild hab ich leider verpasst … da sollen einfach mal die Bilder von Steve sprechen.
Voivod
Das kanadische Thrash-Quartett hat ganz schön viel Erfahrung auf den Buckeln und auch das eine oder andere Top-Ass in ihrem Repertoire. Voivod wurde 1982 gegründet und ist wohl der Vorreiter aller Spasskapellen. Vor zwei Jahren hab ich sie mir schon mal auf der 70’000 Tons of Metal-Cruise gegönnt und folgendes Fanzit gezogen: «Voivod sind D.R.I. auf Speed». Also Instrumental ist das 100% mein Ding. Als Anthraxer mit Gefallen am Punk haben mich schon früher an gleicher Stätte auf der Cruise D.R.I. überzeugt und schliesslich auch Voivod. Einziger kleiner Schwachpunkt ist phasenweise der Gesang und für mich schon ab zu ein bisschen zu viel Rumgeblödle. Spass ist ja gut, aber wenn es vom doch geilen Sound ablenkt, dann halt auch schade.
An Festivals und als Vorband immer wieder gerne, aber für eine Headliner-Show würde ich wohl nicht weit reisen.
GWAR
So, jetzt aber eine schlussendlich doch längst fällige Premiere für meine persönliche Metallogy. Lasst die Monster kommen. Ich steh ganz hinten beim Mischpult, soweit können die Grüsel sicher nicht abspritzen. Erstes visuelles Fanzit: Lordi können einpacken. Deren Kostüme eignen sich im Vergleich mit GWAR grad so für die Kinderfasnacht. Und obwohl der Soundmix anfangs noch etwas Luft nach oben zulässt, auch soundmässig. Wie erwartet ist das so was für meine Löffel.
Joa, und dann geht’s von der mehr oder weniger ersten Sekunde auch schon los mit dem Rumgespritze. Von Anfang bis Ende spritzt es aus allen möglichen Körperöffnungen und Schläuchen. Meist ist es rotes Kunstblut, wobei die Kunst dabei nicht war, es möglichst wie Blut aussehen zu lassen. Es sieht mehr wie ein Himbeersirup aus. Da ich mich definitiv richtig positioniert habe und nichts davon abkriege – im Gegensatz zu den Kollegen Dobler und Späni, die in ihrem jugendlichen Übermut ganz zuvorderst nicht genug davon abkriegen können (siehe Fotos) – weiss ich jetzt auch nicht, ob es denn auch nach Himbeere schmeckt. Was mich eher positiv überrascht, es bleibt während des ganzen Konzerts bei Himbo, als kein Sperma oder Sonstiges. Das wäre für mich dann doch zu viel des Guten gewesen.
Aber wie schon erwähnt, soundmässig ist das schon sehr geil. So grad die Old School Geschichte aus 80ern mit dem stark verzerrten Bass, welche auch schon früh einen Mosh-Pit anzettelt. Allgemein liefert die Saitenfraktion – mit deftigen Matten unter ihren Masken – ein grooviges Brett, das den Moshpit durchgehend am Leben erhält.
Der frühere Bassist und seit dem Tod von Oderus Urungus (Dave Brockie) Leadsänger Blothar (Michael Bishop) wirkt teilweise etwas ungelenkig wie Ozzy, gleich tut ihm auch sein Dauerdrogensmile – er bewährt sich aber auch als Grimassengrossmeister. Der Doktor in Musik – kein Witz – sieht jedoch optisch schon nicht grad wie der klassische Leadsänger aus, der alle Groupies abschleppt im Stile eines Vince Neil (gut, in jüngeren Jahren), Sebastian Bach & Co. Auch das aufgezeichnete Six-Pack macht seine mächtige Wampe nicht kleiner und darunter – wohl etwas in die Länge gezogen, damit er diese auch sieht – hängen drei Schwänze. Immerhin über einen hat er ein Kondom gestülpt. Es ist eine Monster- und Freak-Show, aber Blothar ist definitiv nicht der Frauenverführer im Stile eines Graf Draculas.
Trotz Pariser – wohl den falschen Schwängel erwischt – hat Blothar halt doch ein Groupie geschwängert. Er will das kleine Monster jedoch nicht oder glaubt es wohl selber nicht, dass es von ihm ist und schlitzte wie bei allen Statisten, die immer wieder auf die Bühne kommen den Bauch auf. Gummi-Gedärme fallen raus und … genau, es spritzt als allen Rohren. In diesem Fall dann auch noch vom Fötus. Das gleiche widerfährt natürlich auch Donald Trump, der wortwörtlich auch sein (Bauch-)Fett wegkriegt und … auch rumspritzen darf. Das wäre wohl auch voll das Ding des echten Donalds. Er hat dann auch noch die Ehre, Blothar eins zu blasen. Natürlich spritzt der dann auch gewaltig ab – jedoch auch eine rote Flüssigkeit. Blothar hat wohl vor dem Konzert eine Schüssel Randensalat gegessen.
Übrigens, auch das Kondom wird dann noch zum Platzen gebracht, durch ein totes Mädchen und einen Buben. Das ist schon sehr an der Grenze des schlechten Geschmacks. Klar, das ist Gesellschaftssatire auf deftigstem Niveau, dennoch muss man seine moralischen Grundsätze definitiv zu Hause lassen. Wer das nur eine Sekunde hinterfragt, ist sofort fehl am Platz.
Das Ganze entwickelt sich immer mehr zu einem Musical und Blothar und der zweite Sänger verlieben sich dann auch noch … jetzt wird’s definitiv richtig kitschig. Und mit der Zeit hat man das ewig gleiche Blut auch gesehen. Es fehlt mehr und mehr das Überraschungsmoment. Also der kommt am Ende: Nach einer Stunde ist abrupt Schluss. Da gingen wohl die Ideen oder der Himbeersirup aus.
Das Fanzit – GWAR
Kurz: Once in a lifetime.
Lang: Wem Lordi & Co. zu fest Kindergeburtstag sind und soundmässig auch zu lahm, der ist bei GWAR definitiv besser aufgehoben. Wer Anthrax, D.R.I. und grundsätzlich Old School-Thrash mag, fühlt sich bei GWAR auch zu Hause. Die Kostüme sind schon gewaltig, aber das ewige Gespritze von dem immer gleichen Möchte-gern-Blut wird irgendwann schon fast nervig. Man wird das Gefühl nicht los, es geht einfach in erster Linie jeden im Publikum vollzuspritzen. Alles andere ist sekundär. Drum, einmal sehen ist cool, ein zweites Mal würde ich mir das gerne nochmals ohne Himbeersirup gönnen – vielleicht sogar auch ohne Kostüme. Denn ich bleib dabei, zu meiner allergrössten Überraschung: GWAR ist soundmässig verdammt geil!
PS: Nachdem Konzert packe ich mir die beiden rotgetränkten Buben Dobler und Späni und gönn mir mit denen – gut, sie haben ihn schon sehr ausgeprägt – im Becks Kater noch einen Rouge. Also eigentlich mehr als eines. Was passt nach der Himbeerdusche besser als das rötliche «Grimbergen Rouge» … 😉.
Setliste GWAR (setlist.fm)
- The Salaminizer
- Krak Down
- I’ll Be Your Monster
- Bring Back the Bomb
- Black and Huge
- I, Bonesnapper
- Maggots
- Have You Seen Me?
- Metal Metal Land
- Ham on the Bone
- The Sordid Soliloquy of Sawborg Destructo
- Beat You to Death
- Fuck This Place
- GWAR Theme*
- Sick of You*
*Zugabe