Irdorath – heisse Anwärter auf den Black/Thrash-Thron
Recherchen können manchmal in interessante Richtungen abdriften. Da gibt man den Bandnamen nichtsahnend im Netz ein und landet dann plötzlich via YouTube bei einem Musikvideo, in welchem Flöten, Harfen und andere mittelalterliche Instrumente zu hören sind. Mit Black und Thrash Metal hat das allerdings herzlich wenig zu tun. Das «Problem» ist rasch entdeckt. Offenbar nennen sich mehrere Truppen auf unserem Planeten Irdorath. Und ich scheine zuerst bei der weissrussischen Version gelandet zu sein (die übrigens gar nicht einmal so schlecht klingt).
Glücklicherweise liefern mir weitere Nachforschungen dann endlich die ursprünglich gesuchten Österreicher. Das Quartett steht beim spanischen Label Art Gates Records unter Vertrag und wird am 01.05.2020 Studioalbum Nummer fünf in die Läden bringen. Wir Metalheads sind effektiv verflucht dankbar, dass der Covid-19-Ausbruch unsere Szene nicht komplett lahmgelegt hat und man sich nach wie vor an neuer Musik erfreuen kann. Was die neun Kompositionen der letzten Sünde («The Final Sin») mit unseren Gehörgängen alles anstellt, werde ich in den nachfolgenden Zeilen analysieren. Das Cover ist bereits sehenswert. Da hat der griechische Künstler Giannis Nomikos fantastische Arbeit geleistet.
Das Album – The Final Sin
Der Einstieg in den Silberling erfolgt mit Kirchenglocken und irgendeiner Art von Messe, da ein Priester ein paar Worte zu murmeln scheint. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um die Ruhe vor dem Sturm, denn anschliessend legen Irdorath los wie die Feuerwehr. Ein fieser, markerschütternder Schrei von Fronter Markus und polterndes Blastbeat-Gewitter seitens Thomas geben nun den Tarif durch. Dazu kommen surrende Gitarren. Das erinnert alles stark an Immortal, wobei die Österreicher freilich einen Zacken schneller unterwegs sind. Jep, «Chains Of Virtue» macht zweifelsohne Lust auf mehr.
Spätestens beim nächsten Track «Debaptized» dürfte den Konsumenten klar sein, worauf die Kärntner thematisch hinausmöchten. Die Religionen kriegen gnadenlos ihr Fett weg. In diesem Zusammenhang haben die Jungs auch kürzlich auf ihrer Facebook-Seite ein Statement mit Ausrufezeichen verfasst. Darin heisst es, dass man trotz des Corona-Virus nicht ausblenden soll, dass Religionen immer noch ihre Lügen verbreiten, wir ständig mit korrupten Politikern zu tun haben, die Reichen die Welt weiter munter ausbeuten und alle zehn Sekunden ein Kind an Hungersnot stirbt. Der Songs selbst ist ein Fall für die Mähnenschüttler-Fraktion. Überaus gelungen kombiniert der Vierer schwarzmetallische und «dreschige» Elemente miteinander. Melodien bleiben dabei trotzdem keinesfalls auf der Strecke.
Als nächstes naht der Befreier der Ketzer («Redeemer Of The Heretics»). Ein echter Stampfer! Da wirst du regelrecht weggeblasen. Das nimmt phasenweise gar epische Ausmasse an. Die Herrschaften haben ihre Instrumente bestens im Griff und verstehen es ausserdem, regelmässig abwechslungsreiche Passagen in ihre Lieder einzubauen. Wieso zur Hölle lerne ich diese Gruppe eigentlich erst jetzt kennen? Hoffentlich ergibt sich demnächst einmal die Chance, die Ösi-Pandabären live in Aktion zu erleben.
«Divine Delusion» beginnt aufgrund der zarten Gitarren-Klänge verdächtig kuschlig. Hauen die jetzt etwa eine Ballade raus? Nicht ganz – aber es geht teilweise schon in diese Richtung (zumindest für die in den Genres Black und Thrash Metal möglichen Verhältnisse). Ich würde da als einigermassen passenden Vergleich «Back On Northern Shores» oder «One Thousand Burning Arrows» von Amon Amarth herbeiziehen. Das spricht eindeutig für die Vielseitigkeit von Irdorath. Hut ab.
Bei «Disgust Of Enlightenment» holen Markus und Craig alles aus ihren Saitenköniginnen heraus und lassen sie so richtig kreischen. Der Fuss wird auf dem Gaspedal platziert – und bewegt sich praktisch nicht mehr davon weg. Einzig im Mittelteil folgt ein kurzer, gemächlicher Akustik-Einschub, der abermals Argumente für den Facettenreichtum des musikalischen Schaffens der Band liefert. Art Gates Records hat diese Nummer bereits Ende März auf YouTube veröffentlicht, um interessierten Personen eine Hörprobe zu ermöglichen.
«The Anthem Of The Final Sin» trägt die Bezeichnung Hymne tatsächlich zurecht im Namen. Hier wird mit der grossen Kelle angerührt. Mein lieber Scholli, diese Kollegen können wirklich hammermässiges Liedgut verfassen. Sollten Rotting Christ eines Tages einmal in Rente gehen, mache ich mir bezüglich der möglichen Nachfolgeregelung überhaupt keine Sorgen. By the way, den Zockern unter euch dürfte Irdorath eventuell bekannt vorkommen. Genau so heisst im Action-Rollenspiel «Gothic II» nämlich eine Insel, auf der ein untoter Drache haust.
Mit einer Spielzeit von 04:13 Minuten ist «The Plague, I Am» der kürzeste Track der gesamten Scheibe. Die Thrash-Parts haben dieses Mal die Überhand und strapazieren die Nackenmuckis heftig. Zudem – und man möge mir diesen zynischen Abstecher verzeihen – könnte das Besingen von Plagen oder Seuchen im Jahre 2020 ein grosser Erfolgsgarant sein.
Der Zerstörer der Welten («Shatterer Of Worlds») kennt wahrlich kein Pardon. Insbesondere Thomas funktioniert sein Schlagzeug zu einer «Gatling Gun» um, deren Feuerkraft bekanntermassen fast unerschöpflich ist. Die melodiösen Riffs sammeln ebenfalls massenhaft Punkte.
Der Kreis schliesst sich. Zum Abschluss des Albums erklingen abermals die Glocken – wenn auch wohl zum letzten Mal, wie der Titel «When The Last Bell Falls Silent» unmissverständlich verrät. Das Stück wirkt zwar nicht ganz so mächtig wie das zuvor gehörte Material, aber im letzten Drittel drehen die Ösis dann plötzlich nochmals auf. Somit reicht die Puste für den Schlussspurt doch noch aus.
Das Fanzit
Boah, Irdorath haben mich effektiv positiv überrascht. Mit «The Final Sin» ist den vier Herren aus unserem östlichen Nachbarland ein wirklich packendes Werk gelungen, dass definitiv für verdammt viel Furore sorgen wird. Neben der gekonnten Zusammenführung von Thrash und Black Metal bauen sie ebenfalls ausreichend melodiöse Elemente in ihre Songs ein. Man wäre eines Tages sicherlich in der Lage, populäre Namen wie die bereits erwähnten Rotting Christ oder Desaster – die Meister des schwarzmetallischen Geprügels – eines Tages zu beerben. Die seit 15 Jahren aktive Kapelle muss man – ohne Wenn und Aber – auf dem Schirm haben. Bitte lasst die Hymnen einfach nicht zu nahe an einer Bibel aus den Boxen dröhnen, da diese sonst mit grösster Wahrscheinlichkeit Feuer fangen wird (es sei denn euch dürstet es exakt nach diesem Effekt – dann nur zu).
Empfehlenswerte Hörproben: «Debaptized», «Redeemer Of The Heretics», «Divine Delusion», «The Anthem Of The Final Sin»
Tracklist Irdorath – The Final Sin
- Chains Of Virtue
- Debaptized
- Redeemer Of The Heretics
- Divine Delusion
- Disgust Of Enlightenment
- The Anthem Of The Final Sin
- The Plague, I Am
- Shatterer Of Worlds
- When The Last Bell Falls Silent
Line Up – Irdorath
- Markus – Gesang & Gitarre
- Craig – Gitarre
- Mario – Bass
- Thomas – Drums