Nightwish – DIE Enttäuschung des Jahres?
Im Gegensatz zu Kollege Dutti oder Ober-Metalinsider pam bin ich in Sachen Nightwish sicherlich ein Spätzünder. So gehöre ich auch zu den Leuten, denen die after-Tarja Werke sehr zusagen, teilweise mehr als das frühere Material. So ist “Endless Forms Most Beautiful” in meinen Ohren das wohl beste Album der finnischen Symphonic Metal Giganten. Dementsprechend gross sind meine Erwartungen an Silberling Nummer neun.
Über die thematischen Details von “Human. :II: Nature.“ hat euch Dutti bereits ausführlich in seiner Review informiert. So konzentriere ich mich nun auf das Wesentliche: Die Musik. “Music” nennt sich auch der gut 7-minütige Opener. Das fast dreiminütige Intro erinnert von der Machart her zweifellos an die Grosstat „Greatest Show On Earth“, nimmt mich aber (noch) nicht so gefangen. Erst in der Mitte des Songs kommen dezent Instrumente zu Floor’s schmeichelndem Gesang hinzu, bis es dann endlich richtig losgeht. Und genau hier liegt nun das Problem: Das Ende kommt viel zu schnell! Während bei der grössten Show auf der Erde dann auf diesen dramatischen Teilen aufgebaut wurde, endet es bei „Music“ nun sehr abrupt. Doch abgesehen davon bietet der zweite Teil wirklich gute Nightwish-Kost, die den Fan glücklich macht.
„Noise“ ist dann wirklich Nightwish, wie man sie kennt und liebt. Da werden Erinnerungen an „Alpenglow“ wach. Da packe ich doch glatt mal meine Luftgitarre aus und wärme die Nackenmuskulatur auf… Selbst kurze ruhige Parts vermögen die Dynamik nicht zu stoppen. Das harte Gitarrensolo, untermalt mit orchestralen Tönen, ist richtig gut – dann darf Floor nochmals zeigen, was sie stimmlich drauf hat.
Doch dann driften die Finnen mit „Shoemaker“ wieder in Gefilde, mit denen ich nicht allzu viel anfangen kann. Während der erste Teil noch gemässigt daher kommt, geht’s im zweiten Teil dann sehr stark in die Richtung „Soundtrack“. Das ist sicher alles erstklassig umgesetzt (saustark, was Floor Jansen hier bietet), das war’s auch bei „Imaginaerum“. Das Problem (oder einfach MEIN Problem?) – Ich würde gerne METAL hören, keine Filmmusik. Und sei sie noch so gut gespielt… Auch das ruhige „Harvest“, bei dem Troy Donockley den Gesang komplett übernimmt, geht eher Richtung Film oder sogar Musical. Von Nightwish ist hier höchstens im Mittelteil kurz was zu spüren, als Donockley mit seinen Flöten an alte Geschichten wie „The Islander“ erinnert.
„Pan“ lässt dann Hoffnung auf eine richtige Dosis Symphonic Metal aufleben. Immerhin darf nun auch Floor Jansen wieder ins Geschehen eingreifen. Im Prinzip könnte man diesen Song als Kurzversion von „Greatest Show On Earth“ ansehen, zumindest vom Aufbau her sind Ähnlichkeiten sicher vorhanden. Die Klasse des Originals wird jedoch nicht erreicht – das ist zudem eh kaum möglich, schon gar nicht mit gut fünf Minuten Spielzeit.
Troy’s Flöten und balladeske Töne eröffnen „How’s The Heart“. Erinnert mich etwas an „Our Decades In The Sun“. Das Wechselspiel zwischen Troy und Floor’s fantastischer Stimme ist zweifellos der grosse Pluspunkt hier. Dennoch muss ich Dutti recht geben: Es wäre wirklich mal Zeit für ein paar RICHTIGE Nightwish Headbanger…
„Procession“ liefert das – nicht. Durchgehend ruhig gehalten brilliert hier zwar die Sängerin erneut. Der Track selber ist allerdings sehr fad. Keine Power, kaum Gitarren. Einmal mehr vorwiegend Soundtrack, wenig bis kein Metal. Und zwei Drittel des Albums (respektive des ersten Teils) sind durch. Doch nun folgt mit „Tribal“ endlich nochmals ein Track, bei dem es richtig zur Sache geht. Zwar beginnt es auch hier sehr sanft, doch als dann die rhythmischen Trommeln mit den Gitarren einsetzen, horcht man auf. Das fiese Gebell als Zwischenspiel setzt einen komplett unerwarteten Farbtupfer. Insgesamt zweifellos die härtesten Parts auf dem Album.
Dann ist schon das Ende da. Also das Ende der ersten CD. „Endlessness“ heisst Titel Nummer 9 und wer jetzt eine richtige Nightwish-Hymne erwartet, wird… enttäuscht. Zwar kommt nun Duttis Liebling Marko Hietala endlich am Mikrofon zum Zug, Goldkehlchen Floor Jansen hingegen hat kaum mehr was zu singen hier. „Endlessness“ ist ein sehr getragener Song, Parallelen zu „Meadows Of Heaven“ kann man möglicherweise ziehen. Allerdings fehlt hier wirklich jegliche Power. Am Ende ist es einmal mehr ZU viel Soundtrack…
Dann kommt noch die zweite CD. Mastermind Tuomas Holopainen hat mehrmals grossartige Longtracks geschrieben. „Greatest Show On Earth“ ist dermassen mächtig und alles überragend, aber auch „The Poet And The Pendulum“ darf man hier erwähnen. Doch was diese gut 30 Minuten sollen, weiss nur der Meister selbst. Das mag alles technisch und handwerklich gut umgesetzt sein – an diesen Qualitäten zweifle ich zu keiner Sekunde! Aber selbst ein Metalhead, der auch mal einen Blick über den Tellerrand hinaus riskiert, wird hier seine Mühe haben. Das ist Klassik, Soundtrack, vielleicht eine Spur Musical und eine Prise Esoterik. Von METAL ist jedenfalls nichts zu sehen, zu hören, zu spüren. Nun gut, vielleicht können andere was damit anfangen – ich kann’s nicht.
Das Fanzit Nightwish – Human. :II: Nature
In Anbetracht der oben erwähnten Longtracks höre ich mir gerade wieder „The Poet And The Pendulum“ an. Pure Weltklasse! Und von diesem Prädikat ist “Human. :II: Nature.“ weit weg. Auch nach mehrmaligem Hören bleibt eine grosse Resignation. Sicher: Das Album hat durchaus richtig guten Stoff zu bieten! Material, wofür ein Gros anderer Bands die eigenen Grossmütter verkaufen würde. Doch mit dem letzten Silberling haben sich Nightwish die Messlatte selber in fast unerreichbare Höhen gelegt.
An den handwerklichen Fähigkeiten gibt es wie gesagt nichts auszusetzen. Und dass man ein Nightwish-Album nicht nach einem Hördurchlauf beurteilen kann, versteht sich auch von selbst. Musikalisch hingegen tanzen die Finnen schlicht auf ZU vielen Hochzeiten. Das ergibt einen Mix, der so einfach kaum funktionieren kann. Zumal der METAL-Anteil schlicht zu wenig ist. Über CD Nummer zwei hüllen wir den Mantel des Schweigens, das hat mit Nightwish kaum was zu tun.
Nach dem genialen „Endless Forms Most Beautiful“ hätte ich einfach mehr erwartet. Enttäuschende 6 von 10 Punkten für das Werk einer Band, die ich eigentlich wirklich sehr mag.
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