In Cauda Venenum
Ablativ, Nominativ… Das Gift im Schwanz? Ich bin mir nicht sicher, was Opeth mit ihrem neuesten Albumtitel aussagen wollen. Viel wichtiger: Live bewies die Band im November, dass sie auf dem Progressive Metal / Rock-Markt ganz oben mitspielen.
Ehrlich gesagt hatte ich nach dem Auftritt der Schweden am Wacken Open Air ein wenig Zweifel darüber, wie der Abend am 10. November im Volkshaus Zürich wohl werden würde. Damals, kurz nach Mitternacht, hatte mich die Band nämlich mehr schlecht als recht überzeugt. Da ich in solchen Fällen jedoch generell eher optimistisch eingestellt bin und man eigentlich selten etwas Schlechtes über Opeth hört, hatte ich trotzdem noch Hoffnung, dass Mikael Åkerfeldt und seine Jungs alles wieder ins Lot bringen würden.
Wie viele andere Fans erwartete ich, dass auch älteres Songmaterial gespielt werden würde. Auf dem etwa einen Monat vorher erschienenen «In Cauda Venenum» (siehe Review) und auch in den Jahren zuvor begaben sich die Schweden nämlich sehr stark in weichere progressive Gefilde und weg von harten Metal-Klängen. Doch dazu später, zuerst zur Vorband…
The Vintage Caravan
Schon jetzt ist das Volkshaus anständig gefüllt, denn die beiden Bands haben für beachtlichen Zulauf gesorgt. Die Isländer, welche sich anscheinend schon in Schulzeiten gegründet haben, sorgen sofort für den sprichwörtlichen Funken, der auf das Publikum überspringt. Mit einer unglaublichen Energie und einem mehr als interessanten Genre-Mix passt die Band wie die Faust aufs Auge ins Vorprogramm von Opeth! Blues ist rauszuhören, Einflüsse von Black Sabbath sind nicht abzustreiten und gekonnt wird zwischen Hard Rock, progressiven instrumentalen Passagen und so etwas wie Hippie Pop Rock (gibt es das?) gewechselt.
Zudem könnte auch optisch kaum mehr Abwechslung geboten werden. Während man dem Gitarristen Óskar Logi Ágústsson den Metalhead zu hundert Prozent abkauft und auch Bassist Alexander Örn Númasson im Publikum nicht sonderlich auffallen würde, passt Drummer Stefán Ari eher weniger ins Bild. Ob dies an seinem Raubkatzen-Oberteil, seinem generellen Aussehen (ich kann mir das Oberteil einfach nicht wegdenken…) oder an seinen fast schon spasmischen Zuckungen während dem Schlagzeugspiel liegt, ist schwer zu beurteilen.
Wie erwähnt, musikalisch und stimmungsaufbauend machen die Jungs alles richtig. Ich behaupte – und dies ist wirklich nur eine persönliche, debattierbare Meinung – dass dieser Auftritt eben um Welten besser ist als derjenige von Opeth in Wacken. Doch nach circa 45 Minuten ist Schluss und der Umbau beginnt. Wie sich der Headliner wohl behaupten wird?
Setliste The Vintage Caravan
- Reflections
- Crazy Horses
- Set Your Sights
- Innerverse
- Babylon
- Expand Your Mind
- On The Run
- Midnight Meditation
Opeth
Los geht es mit dem ab Band eingespielten «In Cauda Venenum»-Intro «Livets Trädgård» und einigen Video-Einspielern. Anscheinend wurde hier lichttechnisch so einiges aufgebaut. Dieser Eindruck verstärkt sich zudem durch den ungewohnten Bühnenaufbau mit im 45-Grad-Winkel zum Bühnenrand stehenden Elementen. An Position 1 des Live-Sets folgt der auch auf dem Album auf das Intro folgende Song «Svekets Prins». Vom ersten in zwei Sprachen erschienenen Album entscheiden sich die Schweden heute für total drei Songs. Diese werden allesamt in der Muttersprache gesungen.
In Sachen Song-Selektion achten die Protagonisten übrigens auf eine sehr gleichmässig verteilte Auswahl. So wird – wenn ich die Setliste richtig analysiert habe – abgesehen vom neuesten Silberling von keinem Album mehr als ein Track zum Besten gegeben. Auch der Metal-Anteil (ihr wisst schon, da wo es hart zur Sache geht und zumindest zwischendurch Åkerfeldts böse Growls zu hören sind) ist angenehm. Mir persönlich fehlt dann trotzdem noch der eine oder andere Track.
Innerhalb der ersten drei Songs werden bereits zwei der drei neuen Songs schon abgehandelt. Schlecht ist das Ganze definitiv nicht, aber die kurze Zeit zwischen Release und Konzert sowie die zumindest am Anfang stark zum Staunen anregende Lichtshow machen es schwierig, den Einstieg in die Musik richtig zu finden. Danach dreht allerdings der Wind und mit den Stücken, mit denen das Publikum bereits ein wenig vertrauter ist, steigt auch die Stimmung im Saal. Klar, die Lichtshow, bestehend aus verschiedenen Leinwänden und teilweise schief aufgehängten Lichtern, beeindruckt, ist aber im Vergleich zur Musik keineswegs zu dominant. Viel mehr bietet sie eine optimale Ergänzung zum auditiven Teil des Abends, weil sie diesen angenehm untermalt.
Dieser auditive Teil ist es dann auch, welcher Opeth von vielen anderen Bands da draussen abhebt. Was die Musiker aus ihren Instrumenten hervorzaubern, grenzt für viele wohl schon fast an Magie. Die Skandinavier glänzen mit markanten Wechseln zwischen brachialen Death Metal-Passagen und den genau so überzeugenden instrumentalen, vielerorts weit vom Metal abstreifenden Teilen. Das Dargebotene ist schwer zu beschreiben. Um die Leistung in einigen wenigen Worten zu formulieren: Musik, Ambiente, Energie und Stimmung sind einfach fantastisch. Viel mehr könnte man wohl nicht mehr besser machen. Der Höhepunkt folgt dann mit dem rhythmisch tadellos gespielten und als zweite Zugabe auf «Sorceress» folgenden «Deliverance». Ich schwebe auf Wolke sieben.
Setliste Opeth
- Livets Trädgård (Intro)
- Svekets Prins
- The Leper Affinity
- Hjärtat Vet Vad Handen Gör
- Reverie / Harlequin Forest
- Nepenthe
- Moon Above, Sun Below
- Hope Leaves
- The Lotus Eater
- Allting Tar Slut
- Sorceress*
- Deliverance*
*Zugaben
Das Fanzit – Opeth, The Vintage Caravan
In Wacken hatte 2019 wohl irgendetwas nicht gepasst. Vielleicht war es einfach zu spät, das Publikum zu müde, die Band nicht genügend motiviert. Jedenfalls bekamen die Jungs vier Jahre zuvor am gleichen Ort einen Slot am späteren Nachmittag und lieferten einen himmlischen Gig, und genauso gut war das heutige Konzert. Auch The Vintage Caravan konnten mit ihrer ähnlichen und doch so unterschiedlichen Art problemlos überzeugen, und so sind meine Playlists nun um einen Namen reicher.