Epidemie?!
Im November traten die deutschen NDH-Musiker von Schattenmann in der Aarburger Musigburg auf. Zusammen mit den einheimischen Kissin’ Black sorgten sie für einen angenehmen Abend in dieser mehr als gemütlichen Location.
Ja, dieses Review kommt spät. So spät nämlich, dass der Titel des aktuellen Albums, «Epidemie», heute dank Corona ganz andere Gefühle auslöst als noch während dem Release im Sommer oder dem Abstecher in die Schweiz im Winter. Kurz bevor es die ersten Krankheitsfälle in China gegeben haben soll, gab es in der Aarburg also eine gesunde Menge Dark Rock und Neue Deutsche Härte auf die Ohren. Anwesend waren dabei nur einige Dutzend Fans.
Kissin’ Black
Die Aufwärmrunde ist heute Sache der luzernischen Band Kissin’ Black. Die Dark Rocker stehen bereits auf der Bühne und legen los, doch einer fehlt. Sänger und Fronter Giu Mastrogiacomo ‘betritt’ den Raum nämlich bereits singend über die an der linken Wand vom Backstage direkt auf die Bühne herunterführende Treppe. Schon vorher hatte man durch die offene Türe da oben einen Blick auf einige der Schattenmänner erhaschen können.
Kissin’ Black fesseln mich leider nicht von Anfang an. Von einem der Stehtische vor der Bar habe ich einen guten Überblick über den Saal und die Bühne. Auch beim Publikum, welches ich von hier aus überblicke, scheint der Auftritt vorerst nicht richtig anzukommen. Gerade deshalb gilt es allerdings anzumerken, dass sich das Stimmungsbarometer während den neun gespielten Songs stetig anhebt.
Ganz im Zentrum das Auftritts scheint der bereits erwähnte Giu zu stehen (zumindest inszeniert er selbst das so). Damit einher geht der mehrere Songs anhaltende Striptease, während welchem er von einem gewöhnungsbedürftigen Stil zum anderen wechselt. Mir persönlich fällt auch Gitarrist Heinz Gysin auf, welchen man von anderen Bands kennt (z. B. Bloody Horseface, LOMA). Mit einem Grinsen im Gesicht und einer angenehmen Ruhe spielt er den ruhigen Gegenpol zu Giu.
Musikalisch bleibt bei mir vor allem der Titeltrack des aktuellen, zweiten Studioalbums «Dresscode: Black» hängen. Dieser Titel ist heute übrigens Programm. Gegen Ende fesselt die Band auch mich mehr als noch zuvor. Nichtsdestotrotz freue ich mich, dass nun bald der Hauptact an der Reihe ist. Angesichts dessen und wegen meinem Drang in Richtung Bühne begebe ich mich über die seitliche Treppe zum Stehpublikum.
Setliste Kissin’ Black
- Borderline
- Address Unknown
- Dark Again
- Giants
- Dresscode: Black
- Blues: Unpardonable
- Wild Child
- Lena Luna
- Sweet Dreams*
*Zugaben
Schattenmann
‘Willkommen hier im Schattenland!’ Die Nürnberger begrüssen uns mit dem Opener ihrer aktuellen Scheibe «Epidemie» und sorgen bereits ab dem ersten Moment für glückliche Gesichter in der schwarzen Menge. «Schlag auf Schlag» geht es weiter (hihi, entschuldigt dieses Wortspiel). Mit «Darkroom» und «Ruf Der Engel», einer kraftvollen Ballade, folgen zwei weitere «Epidemie»-Songs, bevor es mit «Krieger des Lichts» und «9mm» zurück in die Vergangenheit geht. Stilistisch führt die Band gekonnt – immer innerhalb der Neuen Deutschen Härte und des Dark Rocks – durch verschiedene Sphären. Bei «Krieger Des Lichts» dürfen natürlich die obligatorischen Masken nicht fehlen und auch bei «9mm» gibt es Effekte: ein knallendes Konfettigewehr.
Nach dem «Epidemie»-Titeltrack spielen Frank, Jan, Luke und Nils mit dem gleichnamigen Stück auf die «Generation Sex» an. Die eingängige, leicht synthetische Stimme, welche den Titel in Schleife wiederholt und die rhythmische Einfachheit machen aus diesem Song etwas ganz Besonderes. Da wurde vor ein paar Jahren tatsächlich ein genialer Track geschrieben! Ach ja, Showelemente! Während vorne von der schönsten Nebensache der Welt gesungen wird, wird Dirty Harry 2.0, das Sexpuppen-Double des treuen Technikers Harry, ins Publikum gegeben. Dort macht das Spielzeug die Runde durch den ganzen Saal, bis ihm wortwörtlich die Luft ausgeht.
Danach folgen mit «Nadel Und Faden» und «Gekentert» zwei weitere Balladen. Während mich erstere live leider nicht wirklich packt, schafft letztere dies problemlos. Dies heisst aber nicht, dass sie zwingend besser ist, sondern dass ich sie schon länger und vor allem genauer kenne… «Schwarz = Religion» haut jedoch von A bis Z rein! Nicht ohne Grund hatte ich den Titel im Vorbericht als Anspieltipp empfohlen…
Nach «Gewissen» geht es weiter mit «AMOK». Dieser Song gehört zu meinen absoluten Favoriten der Band und lässt mich entsprechend mitgrölen und die Haare schütteln. Bei «Licht An» ist dann der Lichtshow-Höhepunkt an der Reihe. Schattenmann blieben mir schon bei unserem ersten Zusammentreffen gut in Erinnerung, was nicht zuletzt an den Schwarzlicht-Spielereien und der Körperbemalung lag.
Mit der ersten «Epidemie»-Singleauskopplung «F.U.C.K.Y.O.U.», «Kopf Durch Die Wand» und dem noch einmal sehr emotionalen «Trümmer Und Staub» folgt abschliessend der Zugabeblock. Was? Schon fertig? Tatsächlich haben Schattenmann und das Publikum bereits 19 Songs hinter sich und sind am Ende des Konzerts angelangt. Irgendwie ging mir das alles viel zu schnell…
Setliste Schattenmann
- Schattenland
- Schlag Für Schlag
- Darkroom
- Ruf Der Engel
- Krieger Des Lichts
- 9mm
- Brennendes Eis
- Epidemie
- Generation Sex
- Wahrheit Oder Pflicht
- Nadel Und Faden
- Gekentert
- Schwarz = Religion
- Gewissen
- AMOK
- Licht An
- U.C.K.Y.O.U. *
- Kopf Durch Die Wand *
- Trümmer & Staub *
*Zugaben
Das Fanzit – Schattenmann, Kissin‘ Black
Der Opener Kissin’ Black begann nicht wirklich stark, legte aber während dem Auftritt dauernd zu und konnte den ersten Eindruck schlussendlich kompensieren. Schattenmann hingegen starteten schon sehr stark und bewiesen problemlos, dass sie würdig sind, in die Fussstapfen von NDH-Urgesteinen wie Oomph! und Rammstein zu treten. Und das mit der Epidemie würde wenige Wochen und Monate später noch einen bitteren Beigeschmack bekommen…