Erinnerungen mit Zukunftspotenzial
My Heavy Memory blasen mit ihrem ersten Streich «Clarity» zum Angriff auf die Sparten Heavy Metal und Hard Rock. Das Ding soll am 17. Juli 2020 als Eigenpressung über die deutsche Firma Pure Steel Promotion veröffentlicht werden.
Mit ausreichend Melodie und viel 80er-Feeling möchten die Amis gross auftrumpfen. Das Plattencover ist jedenfalls bereits ein echter Augenschmaus. Schauen wir einmal, ob die berühmte Bay Area nicht bloss grossartige Thrash-Kapellen hervorbringen kann.
Das Album – «Clarity»
«Truth In Lies» – zu welchem bereits ein Musikvideo auf YouTube existiert – kickt direkt mit fetten Riffs los. Anschliessend gebührt der Fokus Fronter David Hechim, der mit einem klaren und kräftigen Stimmorgan ans Werk geht. Spontan würde ich ihm jetzt Einflüsse von Joey Tempest, Ronnie James Dio oder Johnny Gioeli attestieren. Ab und an erhält er zudem Unterstützung von einer ganzen Armada an Background-Gesangskollegen. Melodiöse Passagen und härtere Elemente werden hier wahrlich gekonnt zusammengeführt, was freilich zu gefallen vermag.
Bei «Keep Coming Back» muss als Einstieg offenbar zuerst der richtige Radiosender gefunden werden. Erinnert ein bisschen Hardline, die bei ihren letzten Live-Shows jeweils ein ähnliches Intro (sprich – zwischen ihren bekanntesten Hits herumzappen) verwendet haben. Was dann folgt, ist eine gemächliche Nummer, die sehr gefühlvoll vorgetragen wird. Sind wir einmal kurz ehrlich werte Freunde, genau so mögen wir doch unsere Balladen: Emotionen sind absolut erwünscht, aber auf einen übertriebenen Einsatz des Weichspülers darf gerne verzichtet werden. Dafür kann eine kleine Prise Power als Ergänzung nur selten schaden. Toller Job der Saitenköniginnen-Fraktion!
Ich bin zwar nur knapp in die 80er hineingerutscht, aber speziell «Bleed The Way» bringt das Feeling dieser Zeit zweifelsohne zurück. Viel anders haben populäre Namen der Marke Rainbow (wobei die strenggenommen eher in die 70er-Sparte gehören *hust*) damals auch nicht geklungen. Erneut liegen die Stärken in der Gitarren-Arbeit und an der Mikrofon-Front. Der Song gedeiht effektiv pro Durchlauf.
«Council Fire» hat etwas Fiese und Düsteres an sich. Nicht völlig überraschend, denn schliesslich gerät der Rat unter Beschuss. In den Lyrics sind unter anderem Vorwürfe à la «an euren Händen klebt Blut» auszumachen. Vom Stil her ruft das Stück umgehend Vergleiche mit Heaven & Hell (oder sollte ich lieber Black Sabbath mit Dio sagen?) auf den Plan. Langsam wird mir klar, weshalb der Track einem als Anspieltipp wärmstens ans Herz gelegt wird. Er ist wirklich ein Album-Highlight.
Die abwechslungsreiche Titel-Hymne ist als nächstes an der Reihe. Abermals hagelt’s im Hintergrund tonnenweise Unterstützung für David. Alleine käme er zwar ebenfalls locker zurecht, aber es rundet die ganze Sache eben sauber ab. Am Anfang werden sogar leichte Science-Fiction-Pats eingebaut. Ein weiteres Lied, welches nach jedem Hören an Stärke gewinnt und sich dadurch zu einem Mitglied des Favoritenkreises mausert.
Deutlich ruhiger geht’s bei «This Might Be» zu und her. Dieses Mal spielen sich speziell Todd Galland und Eddie Koeller mit ihren Klampfen in den Vordergrund. Also den Spagat zwischen sanfteren und gröberen Kompositionen kriegen die Herrschaften von My Heavy Memory fraglos zustande. Applaus für das gelungene Songwriting.
Eine gewisse Abigail Hechim mischt kurzzeitig bei «Made Of Thorns» mit. Der identische Nachname lässt eine Verbindung zu David erahnen, aber unglücklicherweise kann ich – trotz Recherche – nicht ausfindig machen, um welche es sich dabei handelt. Das Stück selbst vermag sowieso nicht sonderlich zu zünden und bleibt verhältnismässig blass.
Den Abschluss bildet «Hanging By A Thread», bei welchem passend zur Final-Atmosphäre erneut mehrere Stimmen mitwirken. Da kriegt man als Hörer definitiv nochmals etwas geboten. Sämtliche Akteure geben vollen Einsatz. Im letzten Drittel ist Fütterungszeit für die Nackenmuskeln, da der Härtegrad dort zunimmt.
Das Fanzit My Heavy Memory – Clarity
Mit «Clarity» liefern die Amis von My Heavy Memory ein äusserst vielversprechendes Debüt ab. Der gesunde Mix zwischen Melodie und wuchtigeren Abschnitten ist glasklar die Trumpfkarte der Truppe. Ausserdem können sich die Herren auf einen starken Sänger verlassen. Und um die eingangs gestellte Frage zu beantworten: Jep, die Bay Area kann freilich auch noch anderes als Thrash Metal!
Empfehlenswerte Hörproben: «Keep Coming Back», «Council Fire», « Clarity»
Tracklist My Heavy Memory – «Clarity»
- Truth In Lies
- Keep Coming Back
- Bleed The Way
- Council Fire
- Clarity
- This Might Be
- Made Of Thorns
- Hanging By A Thread
Line Up – My Heavy Memory
- David Hechim – Gesang
- Todd Galland – Gitarre
- Rich Haley – Bass
- Eddie Koeller – Gitarre
- Paul Monteiro – Drums
Special Guests auf «Clarity»
- Abigail Hechim – Gesang (bei «Made Of Thorns» und «Hanging By A Thread»)
- Eric Johnson, Craig Barrett and Steve Kelley, Cristy Barrett, Luis Bettencourt, Mark Kremer, Victor Raygoza, Tiyo Karenga – Gesang (bei «Truth In Lies», «Clarity» und «Hanging By A Thread»)