Laute Pessimisten
Selbstverständlich sind einem die vier grossen Teutonen-Thrash-Kapellen Kreator, Sodom, Destruction und Tankard bestens bekannt. Doch wie das Beispiel Dust Bolt zeigt, kann es sich manchmal durchaus lohnen, tiefer im Genre-Schlund herumzuwühlen. Nun liegt mir abermals ein Silberling einer Dresch-Gruppierung aus dem «grossen Kanton» vor. Die fünf wackeren Recken aus Weil am Rhein (Baden-Württemberg) nennen sich Pessimist und gehen am 26. Juni 2020 nach einer siebenjährigen Durststrecke mit ihrem dritten Eisen an den Start.
«Holdout» soll über das Label MDD Records erscheinen und eine kritische Sichtweise gegenüber der Kriegsthematik zur Sprache bringen.
Das Album – «Holdout»
Der erste Track «Landsknecht» ist bereits ein echter Leckerbissen. Er behandelt die deutschen Söldner, die insbesondere im 16. Jahrhundert im Einsatz waren. Begleitet von Schlachtgeräuschen knallen wir mitten hinein in die Knüppel-Front. Frontmann Michael «TZ» Schweitzer setzt auf einen äussert boshaften und giftigen Gesang. Phasenweise driftet er dabei sogar in den schwarzmetallischen Sektor ab. Der Sound rüttelt die Nackenmuskeln der Zuhörerschaft kräftig durch. Jan Hagin sorgt für ein wildes Trommel-Feuerwerk während Myrdhin «Murphy» Lange und Eric Tobian (den man in der Schweiz unter anderem wegen diverser Gastspiele mit The Privateer oder Firtan sehr gut kennt) ihre Saitenköniginnen zum Kreischen bringen. Der entspannte, akustische Ausklang lässt einen am Ende kurz innehalten und Luft schnappen.
Donnergrollen gewünscht? Dabei kann «Roaring Thunder» garantiert weiterhelfen. Der Hochgeschwindigkeitsexpress ist kaum zu stoppen. Hinter der Schiessbude werden mit voller Wucht Felle verdroschen und Michael ballert uns die Lyrics in aggressiver, rasanter Manier um die Lauscher. Die Mähnenschüttler wird’s zweifelsohne freuen. Einzig der Schluss kommt überraschend abrupt.
Peitschende Drums und fetzige Riffs – das ist «Kill & Become». Entweder zeigt der Fronter stimmliche Variationen oder einer seiner Kollege hat hier ab und an Hintergrundgesang-Einsätze. Ich tendiere eher auf Zweiteres. Huch – plötzlich schleichen sich ebenfalls noch Growls ein. Jawohl! Die Genickbruch-Gefahr nimmt konstant zu.
Witzig, beim Lesen von «Death Awaits» musste ich sofort an «Hell Awaits» von Slayer denken. Ganz entfernt sind vor allem zu Beginn gewisse kleinere Gemeinsamkeiten auszumachen. Nichtsdestotrotz sind Pessimist deutlich schneller unterwegs. Dieser Riff-Fraktion kommst du schlichtweg nicht hinterher. Des Weiteren werden Gangshouts eingebaut, die man während einer Live-Darbietung dann sicherlich gemeinsam mit dem Publikum durchführen könnte. Ein gewaltiger Schrei von Michael, bei dem ich bei ihm fast schon zerstörte Stimmbänder befürchte, läutet im letzten Lied-Drittel eine stampfende Headbanger-Sequenz ein.
An fünfter Position treffen wir schliesslich auf den Titel-Track. Kreator dienten hier wohl gelegentlich als Inspirationsquelle. Trotzdem ist das Quintett freilich dazu in der Lage, der ganzen Geschichte seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Erstmals spielt sich nun auch Samuel Maier mit seinem Bass ein bisschen in den Vordergrund. Die melodiösen Parts bringen Abwechslung in die Bude und schaden der Scheibe keinesfalls.
Bei «Mountain Of Death» kracht die Dresch-Faust volles Rohr mitten in die Kauleiste. Eric und Myrdhin hauen erneut mitreissende Soli raus. Ausserdem bauen die Herrschaften ein weiteres Mal ebenfalls ruhigere Abschnitte ein. Vollends haut mich das Teil jedoch nicht vom Hocker.
Danach darf der Schlächter-König («King Of Slaughter») ran an den Speck. Mit geschickten Tempo-Anpassungen erschaffen die Jungs eine abwechslungsreiche und spannende Nummer. Abermals wird auf Gangshouts zurückgegriffen.
Auf «Agony» wird munter und gnadenlos weitergeballert. Anschliessen folgt mit «7-28» die finale Hymne. Jop, diese Bezeichnung ist zurecht verdient, denn das Ding knackt mal soeben die 11-Minuten-Grenze. Der Fünfer verlangt den Zuhörern nochmals alles ab. Man darf effektiv von einem «Schluss-Furioso» sprechen. Grosses Kino!
Das Fanzit Pessimist – Holdout
Pessimist liefern mit «Holdout» einen grundsoliden Thrash-Silberling ab. Die einzelnen Stücke fliegen einem mit viel Wucht um die Ohren. Oftmals sogar schneller als die Ordnungshüter eigentlich erlauben würden. Die Vocals kommen wütend und gehässig daher. Allerdings glaube ich auch, dass das Gekeife von Michael «TZ» Schweitzer gespaltene Meinungen auslösen wird. Dass gewisse Songs mit der Zeit ziemlich ähnlich klingen, könnte sich als ein weiterer Schwachpunkt herausstellen. Glücklicherweise können die Herren dieser Behauptung mit Liedern wie «Holdout» und ««7-28» entgegenwirken. Dort beweisen sie nämlich, dass sie locker zu Variationen fähig sind. Nackenmuskeln können mit diesem Material definitiv ausgiebig trainiert werden. Zudem ist der Fünfer ein weiterer Beweis dafür, dass neben «The German Big 4» wahrlich noch andere talentierte Knüppel-Truppen in den Reihen unseres nördlichen Nachbarlandes existieren.
Empfehlenswerte Hörproben: «Landsknecht», «Death Awaits», «Holdout», «7-28»
Tracklist Pessimist – «Holdout»
- Landsknecht
- Roaring Thunder
- Kill & Become
- Death Awaits
- Holdout
- Mountain Of Death
- The King Of Slaughter
- Agony
- 7-28
Line Up – Pessimist
- Michael «TZ» Schweitzer – Gesang
- Eric Tobian – Gitarre
- Myrdhin «Murphy» Lange – Gitarre
- Samuel Maier – Bass
- Jan Hagin – Drums