In jeder Krise steckt auch eine Chance!
Wir befinden uns im Jahr 2020 n. Chr. Alle grösseren Konzerte vor Publikum sind abgesagt oder verschoben, die Musikindustrie befindet sich in einer beispiellosen Schockstarre. Alle grösseren Konzerte? Nein. Vier unbeugsame Thrash Metaller aus dem Süden Deutschlands lassen Kuttenherzen höher schlagen – beim Teutates, Destruction spielen am 3. und 4. Juli live im Z7!
Metalinside.ch (Sandro): Hallo Schmier. Vorab, herzlichen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Anfangs Juli geht es nun also endlich wieder los, ihr tretet am 3. und 4. Juli zusammen mit Poltergeist (plus einem weiteren Supporting Act) im legendären Z7 live auf – vor Publikum! Was bedeutet dieses Konzert für dich? Und wie lange war die Vorlaufzeit, um das Ganze aufzugleisen?
Schmier: Da keiner mehr dran geglaubt hat, dass diesen Sommer noch Konzerte stattfinden, kommt es einem schon wie ein kleines Wunder vor. Als Musiker so lange nicht zu spielen ist wirklich brutal frustrierend, wir haben ja ca. 100 Konzerte verloren dieses Jahr – deshalb sind die Shows im Z7 schon was ganz, ganz tolles. Es ist eine Art Neuanfang und auch eine Testphase für die Musikwelt. Alle schauen jetzt in die Schweiz, wir freuen und tierisch auf die Shows!
MI: Auf was darf sich Publikum freuen?
Schmier: Nun, von unserer Seite aus gibt es 90 Minuten Total Destruction, Klassiker aus 37 Jahren und einiges vom neuen Album, plus das beste Line Up, das die Band je hatte. Wir sind tight & heiss darauf, endlich wieder zu spielen, das wird man merken!!! Ausserdem haben wir an beiden Tagen zwei tolle Vorgruppen dabei, da wird jedes Thrasherherz höherschlagen!
MI: Eine davon ist ja Poltergeist. Mit ihnen verbindet euch ja eine enge Freundschaft – wie kam diese eigentlich ursprünglich zustande und wie manifestiert sie sich heute?
Schmier: Ich glaube, wir haben uns damals so ca. 1985/86 im Atlantis Records in Basel kennen gelernt, da hing damals der Basler Metalunderground rum und hörte und diskutierte die neuesten Tape- & Vinyl-Veröffentlichungen! Da es in unserem Umfeld in Deutschland noch keine richtige Metalszene gab, hingen wir oft in der Schweiz rum und POLTERGEIST wurden unsere Buddies! Wir haben nie den Kontakt verloren und arbeiten seit 21 Jahren auch regelmässig mit V.O. Pulver in seinem Little Creek Tonstudio in Gelterkinden. Wenn es um METAL geht, gibt es in der Schweiz keinen besseren Produzenten.
MI: Ebenfalls verbunden bist du ja auch mit den Burning Witches, deren Management du betreust (zudem ist Damir ja auch der Ehemann von Bandleaderin Romana und aufgenommen wird jeweils in VOs Studio). Waren die Brennenden Hexen kein Thema für den Gigs vom 3./4.7.?
Schmier: Ja natürlich waren sie das. Allerdings haben die Girls eine exklusive Show im Kiff in Aarau Ende Jahr und daher war es vertraglich etwas schwierig, sie dazu zu holen. Wir hätten das natürlich alle gerne gemacht. Das Z7 bedeutet uns sehr viel!
MI: Du bist nun schon sehr lange im Musikbusiness unterwegs – was hat sich über die Jahre hinweg am meisten verändert, positiv wie negativ?
Schmier: Nun, ich versuche negative Dinge generell in positive zu wandeln, deshalb schaue ich eigentlich nie im Hass zurück. Wir haben es immer wieder geschafft aus Fehlern zu lernen, die Szene ist heutzutage eigentlich weltweit sehr stark, noch vor 20 Jahren sah das ganz anders aus. Gerade Europa und all die Festivals hier sind zum Mekka der Metalfans weltweit geworden! Das freut mich als altgedienter Metalfan & Musiker natürlich sehr. Ich denke, Metal ist ein tolles Beispiel dafür, dass Rassen, Religionen und Hautfarben keine Rolle spielen, der Metalfan ist sofort ein Bruder, egal wo er herkommt. Das ist für mich das Faszinierende an der Szene! Natürlich gibt es auch engstirnige Idioten, aber das kann man nicht komplett verhindern!
MI: Euer neues Live-Album „Born To Thrash“ wurde am 8. Mai digital veröffentlicht, die physische Version wird erst am 17. Juli erhältlich sein – sind das auch Auswirkungen der Corona-Krise?
Schmier: Ja klar. Das Live Album wäre sonst nicht so erschienen, es ist ein reines Corona Produkt. Alles wurde abgesagt und da hatten wir die Idee, dass wir ja noch ne geile Aufnahme vom letzten Sommer haben. Live Alben sind eigentlich out, aber wenn keine Konzerte stattfinden können, kann ein Live Album einem viel Freude bringen!
MI: „Born To Thrash“ ist ein lupenreines Live-Album von Destruction, voller Energie, man hört die Fans… Ich habe gelesen, dass euch die Idee dazu spontan gekommen sei. Entspricht das den Tatsachen, und wie muss man sich die Entstehung von der Idee bis zur fertigen Platte vorstellen – auch vom zeitlichen Ablauf her?
Schmier: Diese Platte ist das Spontanste, was wir als Band je gemacht haben. Von der Idee, eine Live Scheibe rauszubringen, bis zum Erscheinen der Platte auf allen Streaming Portalen inklusive dem ersten Live Video zu „Curse The Gods“ waren es nur wenige Wochen. Unser Label dachte wir spinnen, aber wir wollten das Album unbedingt, und so kam es auch zu dem ungewöhnlichen Releaseplan, zuerst Digital & Streaming und dann physisch ein paar Monate später, da die Herstellung gerade auf Vinyl mindestens 2 Monate oder eher mehr dauert.
MI: Wenn du dir „Born To Thrash“ anhörst, wie hast sich der Sound von Destruction über die Jahre hinweg entwickelt?
Schmier: Ich denke, wir sind uns treu geblieben und machen das, was wir am besten können. Ich denke, man hört uns auf keinen Fall an, dass wir schon Metal Opas sind…hahaha!
MI: „Born To Thrash“ wird ja auch auf Vinyl – und dort in verschiedenen Farben – erscheinen. Was denkst du ist der Grund, dass Schallplatten ein Revival feiern?
Schmier: Nichts klingt so gut wie Vinyl. Das ist sicher!!! Das Cover & Inlay sieht in der Grösse auch viel besser aus, und der Nostalgie-Faktor spielt natürlich auch eine grosse Rolle.
MI: Wie stehst du zu Sozialen Medien wie Facebook oder Instagram? Kann eine Band wie Destruction heutzutage ohne diese noch bestehen und wie intensiv nutzt ihr sie?
Schmier: Ohne Social Media ist die Band praktisch nicht vorhanden. Die Promo passiert heutzutage hauptsächlich im Netz. Das Internet ist toll, um mit den Fans in Kontakt zu bleiben, deshalb nutzen wir unsere Socials natürlich fast täglich. Gerade jetzt, wo eine neue Platte kommt, ist es sehr wichtig, diese Kanäle sinnvoll zu nutzen.
MI: Nochmals zurück zum Wahnsinn der letzten Zeit: Wie hast du die Zeit während der auftrittsfreien Zeit genutzt. Einerseits musikalisch, andererseits aber auch im privaten Bereich. Hast du ev. ein neues Hobby für dich entdeckt?
Schmier: Ich bin sehr viel Fahrrad gefahren und habe an der Live Platte, dem Mix, dem Cover & Booklet, den Videos und der Promo gearbeitet. Mir war also echt nicht langweilig!
MI: Was hast du in dieser schweren Zeit am meisten vermisst?
Schmier: Natürlich Freunde und Familie! Aber auch das Reisen und auf der Bühne stehen fehlt wahnsinnig. Wir sind ja schon viele Jahre in diesem Circus, wenn man dann plötzlich daheimsitzt, muss man aufpassen, dass man nicht durchdreht!
MI: Wie schwer hat euch Corona beruflich wie auch im Privaten getroffen?
Schmier: Naja, wenn man in wenigen Monaten ca. 100 Konzerte verliert, ist das mal ne Ansage. Aber wir lassen den Kopf nicht hängen, sondern planen weiter, schon für 2021. Zum Glück ist niemand aus unserem familiären Umfeld an Covid 19 gestorben, aber ich kenne einige, die es hatten.
MI: Bei allem Negativen, das die letzten Monate für uns bereit gehalten hat, so gab es sicher auch den einen oder anderen Lichtblick in dieser trüben Zeit – was hat dich während des Lockdowns am meisten positiv beeindruckt?
Schmier: Für mich steckt in jeder Krise auch eine Chance und ein Neuanfang. Wichtige Erkenntnisse, wie die, dass die Menschen mit den härtesten und teilweise auch schlechtbezahltesten Jobs in der Krise den Laden am Laufen gehalten haben. Das muss (!) sich ändern, da sind jetzt unsere Politiker weltweit (!) gefragt!!!
MI: Es gibt ein Sprichwort das besagt, dass jeder Erfolg seinen Preis hat. Wenn du zurückblickst, was war das Wertvollste, dass du für deine Musikerkarriere opfern musstest, resp. gibt es Dinge, die du rückblickend „bereust“ oder anders machen würdest?
Schmier: Ich habe viel geopfert. Vor allem Freizeit und Freunde, tolle Beziehungen zu meinen Ex Freundinnen, meine Familie sehe ich nur sehr selten, denn der Musiker hat teilweise auch ein sehr einsames Leben. Auch der Traum vom eigenen Haus, Kindern und Sportwagen hab ich nie wirklich geträumt, denn als Musiker ist das sehr schwierig. Finanziell und auch die Freizeit. Bereut habe ich nichts, ich würde alle wieder genauso machen, das Leben formt einem zu dem, was man ist. Man hört nie auf zu lernen!
MI: Zum Abschluss: Wie geht es nun mit Destruction mittel resp. langfristig weiter? Könnt ihr überhaupt schon wieder etwas weiter in die Zukunft planen?
Schmier: Klar planen wir. Sonst hast du verloren. Wir müssen positiv in die Zukunft schauen und notfalls abgesagte und verschobene Touren und Festivals einfach neu planen. Dass mehrfach geschoben wird, muss man jetzt in Kauf nehmen. Wir haben ausser den Schweizer Konzerten auch diverse andere Angebote aus dem Ausland, und auch in Deutschland sollen ab August wieder kleinere Shows erlaubt sein! Alle Übersee Touren haben wir schon auf 2021 verschoben, da machen wir uns nichts vor. Europa ist jetzt ein Vorreiter für die Entertainment Branche, hoffen wir, dass alle die richtigen Entscheidungen treffen und es in kleinen Schritten bergauf geht! Ein Leben ohne Konzerte mag sich keiner vorstellen!
MI: Ganz herzlichen Dank für die Beantwortung meiner Fragen! Ich wünsche euch – sowie der ganzen Musikindustrie (und damit natürlich auch mir selbst), dass baldmöglichst wieder etwas Normalität Einzug halten wird!
Schmier: Mit dem Support der Musikfans weltweit werden wir das schaffen, da bin ich mir sicher! Aber es wird etwas dauern! Danke dir für das Interview!
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