I bechume Hüehnerhut debii
Die bernische Einmann-Band Paysage D’Hiver, die seit 1997 aktiv ist, gilt immer noch als Geheimtipp. Sie gehört zu den wichtigen Referenznamen, wenn es um atmosphärischen Black Metal geht. Zu ihrer Diskographie gehören zehn Demos, die mit ihrer Qualität und Spieldauer als vollwertige Alben gelten.
„Im Wald“ ist ein Mammutwerk, das mit einer Länge von über zwei Stunden nichts für ein „Hörquickie“ ist. Die Produktion ist im Vergleich zu früher satt und sauber. Der Kopf hinter dem Projekt – Wintherr – scheint dies als Chance zu nutzen, um mehr Details einzuarbeiten, die nun klar zu hören sind. Ein Gewinn also. Aus meiner Sicht nur scheinbar, denn mit diesem Schliff wird auch eine Spur der eisigen Kälte in der Musik von Paysage D‘Hiver abgetragen.
Wintherrs Kompositionen dienen weiterhin als Kulisse für die Erzählung seiner Reise in einer Winterlandschaft, eine Erzählung in der jede bisherige Paysage D’Hiver-Aufnahme ein Kapitel darstellte. Der Künstler knüpft vor allem an die zweite Welle des Black Metal an, die viel Wert auf Ästhetik und die Vertonung von Sensationen legte, und fügt diskret progressive Nuancen hinzu. Er lässt somit Atmosphären entstehen, die unter die Haut gehen, fasst mit Noten die verschiedenen Gefühlslagen zusammen, die einen in der Natur überwältigen können, oder malt musikalische Bilder, die durch ihre Aussagekraft einen Text überflüssig machen. Die Rhythmen variieren nach wie vor von der stürmischen Raserei bis zur beklemmenden Doom-Schwere. Wir finden auch die typischen Stilelemente wieder, die seit eh und je den Sound von Paysage D‘Hiver prägen. Hinzu kommen nun andere wie Melodien und herbstliche Töne, die das Repertoire an Stimmungen erweitern. „Über den Bäumen“, zum Beispiel, zeigt das Zusammenspiel zwischen überraschenden Wendungen und dem Kniff des Crescendo, das besagtes Lied bald von anfänglicher Ruhe zur feierlichen Erhabenheit steigert (i bechume Hüehnerhut debii…). Sehr überlegt und gekonnt ist auch der Übergang vom suggestiven Chorgesang am Schluss von „Wurzel“ in das darauffolgende, pathosgeladene und für die Band ungewohnte „Stimmen im Wald“. Diese Übergangsdynamik bringt Bewegung in das ganze Werk, das somit die vielen Facetten der kalten Jahreszeit und ihre Wirkung auf den Betrachter zu widerspiegeln scheint.
Nach so viel Lob muss gesagt werden, dass die imposante Spieldauer Kritiker auf den Plan rufen könnte, die behaupten, „Im Wald“ wirke dadurch insgesamt weniger kompakt als vergangene Aufnahmen. Wintherr schafft es tatsächlich nicht durchgehend – gegen Schluss ist es eben Schluss –, die Spannung aufrechtzuerhalten. Es ist daher sinnvoll, das Opus auf Vinyl zu geniessen, um während den „Wendepausen“ das Gehörte zu verarbeiten, auf sich wirken zu lassen und in seiner Gesamtheit zu erfassen.
Das Fanzit – Paysage D‘Hiver – Im Wald
Wie eingangs erwähnt, ist „Im Wald“ ein Album für ausdauernde Hörer, die in der Musik keine Begleitung für zügellosen Partys sehen, sondern eine vielseitige Kunstform, in die man eintauchen kann.
Trackliste Paysage D‘Hiver – Im Wald
- Im Winterwald
- Über den Bäumen
- Schneeglitzern
- Alt
- Wurzel
- Stimmen im Wald
- Flug
- Le rêve lucide
- Eulengesang
- Kälteschauer
- Verweilen
- Weiter, immer weiter
- So hallt es wider