Die Rückkehr ins Z7
Fast auf den Tag genau fünf Monate – solange ist es her, seitdem ich das letzte Mal im Z7 war. Seitdem ich das letzte Mal Live-Musik genossen habe. Nun ist es an diesem schönen Sommerabend endlich wieder soweit. Der Konzerttempel bietet im Rahmen der „The Summer of 2020“-Reihe ein Päckli mit The Order als Lead, wofür sich die Reise in die Nordostschweiz lohnten sollte…
Drei einheimische Bands werden heute Abend die Fans erfreuen, Plattentaufe mit Special Guest inklusive. Es ist schön, wieder hier zu sein und viele alte Bekannte begrüssen zu können!
The Rule
Eröffnet wird der Konzertreigen kurz nach halb acht von einem Trio aus Flawil. Die Brüder Finn, Noah und Sven bilden „The Rule“ – und sie machen auch optisch keinen Hehl daraus, wo ihre musikalischen Vorlieben liegen dürften. Während viele Bands in den 80ern verwurzelt sind, gehen diese Jungs in der Zeitmaschine noch weiter zurück. Das sieht teilweise fast nach Flower Power aus…
Doch Obacht: Die Power haben die Ostschweizer in ihrem Sound. Sofort wird klar, wer hier ganz grossen Einfluss gehabt hat: Led Zeppelin! Da werden 40 Minuten Songs und Melodien gespielt, die zweifellos von Jimmy Page & Co inspiriert sind. Tempiwechsel und progressive Einschübe inklusive.
Speziell ist die Arbeitsaufteilung. Dass ein Drummer während den ruhigeren Parts eines Songs mit linker Hand und Fuss den Rhythmus hält und gleichzeitig die Hammondorgel (resp. das Keyboard…) mit der rechten Hand bedient, hat man auch noch nicht allzu oft gesehen. Doch Sven macht das richtig gut.
Vielleicht 50 Leute verlieren sich etwas in der grossen Halle, aber die Reaktionen auf den Sound sind durchaus wohlwollend, sodass die Band sogar noch einen kurzen, knackigen Track quasi als Zugabe liefert – es ist noch etwas Spielzeit übrig. Insgesamt ein grundsolider Auftritt, über den man wirklich nichts Schlechtes sagen kann.
Fighter V
Der Hauptgrund meiner Anreise – die neuen Bon Jovi. Oder besser: Fighter V. Die Innerschweizer haben hier augenscheinlich fast ein Heimspiel, jedenfalls sieht man einige Fans mit entsprechenden T-Shirts. Zu denen ich mich auch zähle…
Mit „Heat Of The City“ startet das Quintett optimal in den Abend und sorgt damit sofort für beste Laune bei der inzwischen etwas grösseren Zuschauermenge. Für mich persönlich beginnen hier 45 der besten Minuten in den letzten Monaten! Läck, wie vermisse ich diese Momente, diese Abende…
Fighter V sprühen derweil nur vor Spielfreude. Auch ihnen ist anzusehen, dass sie solche Ausnahmesituationen wie heute richtig geniessen. Basser Luca post sich durch das komplette Set mit seiner eher unmetallischen Frisur (zumindest, wenn man dem 80er Glam huldigt…), Sechssaiter Marco brilliert an seinem Instrument. Auch Taktgeber Lucien ist bestens gelaunt, Felix an den Keyboards geht hingegen (ungerechtfertigt!) fast etwas vergessen. Doch Dreh- und Angelpunkt ist ohne Wenn und Aber Jon Bon Jovi-Lookalike Dave!
Der Frontmann strahlt, rennt, läuft, post, springt, macht coole Ansagen – und singt zudem wie Jon Bon Jovi zu dessen besten Zeiten! Passend dazu das entsprechende Cover: „Runaway“. Nun bin ich generell gegenüber „fremden“ Songs ja eher skeptisch eingestellt. Doch was die Innerschweizer hier mit diesem Klassiker machen, ist einfach nur geil. Und dies liegt halt auch wirklich an der Gesangsleistung: Dave trifft auch die höchsten Töne absolut perfekt und sorgt damit für staunende Gesichter. Selbst wenn man das schon mal gesehen / gehört hat: Immer wieder beeindruckend!
Ansonsten spielt das Quintett natürlich nur Songs von ihrem aktuellen Album „Fighter“. Und verzichtet glücklicherweise komplett auf Balladen – Vollgas ist angesagt. Als Highlights entpuppen sich heute „Can’t Stop The Rock“ und das fantastische „There She Goes“. Generell zünden eigentlich alle Tracks heute noch mehr als auf Konserve – was natürlich ein äusserst gutes Qualitätsmerkmal ist. Füller sind somit komplett Fehlanzeige und „Turn It Up“ bildet einen furiosen Abschluss. Ganz geiler Stoff!
The Order
Manch einer (oder zumindest ich…) fragt sich, ob man das noch toppen kann. Nun, The Order sind natürlich keine Greenhörner mehr und so ist es auch wenig verwunderlich, dass die Truppe um Gianni Pontillo von den etwa 120 Zuschauern mit viel Begeisterung empfangen werden. Der Beginn steht ganz im Zeichen des neuen Albums „Supreme Hypocrisy“, welches Ende Mai erschienen ist. „The Show“, der Titeltrack selbst und das geile „Back To Reality“ bilden das Eröffnungs-Triple. Doch dann ist vorerst bereits wieder Schluss und das Quartett fokussiert sich auf ältere Geschichten.
„Mama, I Love Rock’n’Roll“! Besser kann man es kaum ausdrücken… Fronter Gianni zeigt sich in Bestform und überzeugt mit seiner rauen Stimme, welche neuen wie alten Tracks Charakter geben. Gitarrist Bruno Spring hat sich in der Zwischenzeit seines Shirts entledigt und spielt nun oben ohne. Dafür mit Hut. Der fehlt hingegen beim Sänger – respektive die Kappe.
Auch Gianni ist bestens gelaunt, macht coole Ansagen. Und wünscht von den vorderen Reihen etwas soziale Distanz: Er spucke ziemlich beim Singen, das sei zurzeit wohl eher suboptimal, wenn die Fans dadurch dann plötzlich Hustenanfälle haben…
Nach der Hitze der einsamen Nacht („In the Heat of the Lonely Night“) begrüsst die Band einen Gast auf der Bühne: V.O. Pulver. Seines Zeichens bekannt von GurD und Poltergeist, aber vor allem jedoch als Produzent diverser Alben der härteren Gangart. Auch „Supreme Hyporisy“ hat der Baselbieter tontechnisch veredelt. Und so darf nun also der Producer selbst das Album mit einem Prosecco (Gianni: „Aktion im Denner!“) taufen. Der getränkte Silberling wird dann den Fans zugeworfen, allerdings kommt das Ding nicht ganz schadlos da an…
Dann geht’s weiter mit Musik. Erstaunlicherweise spielen The Order weiterhin ältere Tracks, wobei „Long Live Rock’n’Roll“ selbstredend überzeugt. Alleine schon des Titels wegen! Nach „Bridges Burning“ ist dann allerdings erstmal Schluss. Und in diesem Moment merkt man dann auch die Unsicherheit des Publikums in diesen Tagen. Kommt da noch was? Ist dies das Ende? Es ist fast totenstill, keine Rufe, keine Pfiffe, keine Zugabe-Forderungen. Einfach ein recht komischer Moment…
Doch, es geht noch weiter! Zuerst wird eine Klimperkiste auf die Bühne gestellt. Zugabe Nummer 1 besteht also aus einer Ballade, „Sometimes“. Und ich gebe zu: Ich höre da nicht richtig hin, ich bin halt ein Balladen-Muffel. Ich quatsche da lieber ein paar Minuten mit dem Fighter V Drummer Lucien. Keine Sorge – wir stehen ganz hinten und stören dadurch niemandem beim Musikgenuss…
Zum Ende drehen The Order dann aber doch nochmals auf. „Madmen With Loaded Guns“ und „Son Of Armageddon“ beenden nach 85 Minuten den Konzertabend, das Quartett wird mit viel Applaus (unter anderem auch von Musikerkollegen von Fighter V und Emerald) verabschiedet. Erstaunlich einzig die Tatsache, dass ausser dem Start keine weiteren neuen Tracks den Weg ins Programm gefunden haben.
Das Fanzit – The Order, Fighter V, The Rule
Nach einer grossen Durststrecke endlich wieder ins Z7. Und der Trip hat sich gelohnt! The Rule können sich vielleicht den einen oder anderen Fan ins Boot holen, The Order bieten eine würdige und unterhaltsame Show inklusive Plattentaufe. Doch Fighter V stellen meiner Meinung nach heute wirklich alles in den Schatten! Was diese Truppe live zustande bringt, ist einfach unsagbar geil!
Es bleibt nur noch die Frage, wie oft wir solche Abende noch erleben können. Ich für meinen Teil bin mittlerweile sehr pessimistisch geworden – ich glaube nicht mehr daran, dass im Herbst Konzerte im Z7 stattfinden. Ich glaube nicht mehr an die 70‘000 Tons und die MORC. Ich befürchte, dass auch das Knockout Festival wie auch das Ice Rock über die Klippe springen wird, ich glaube weder an Nightwish noch an Ozzy oder sonst wen im Hallenstadion. Und ich glaube auch nicht mehr daran, dass all die Festivals 2021 stattfinden. Diese ganze Scheisse mitsamt der unfassbaren Paranoia, welche auch medial erzeugt ist, ist drauf und dran unsere ganze Szene zu zerstören. Ich lasse mich jedoch sehr gerne vom Gegenteil überzeugen!
In diesem Sinne: Es war ein wirklich toller Abend im Z7 – Danke dafür!
Setliste Fighter V
- Heat Of The City
- Frontline
- Fighter
- Can’t Stop The Rock
- Runaway
- Headlines
- There She Goes
- Dangerous
- City Of Sinners
- Turn It Up
Setliste The Order
- The Show
- Supreme Hypocrisy
- Back to Reality
- Mama, I Love Rock ’n‘ Roll
- Satisfaction
- As One Tonight
- The Power of Love
- Love Ain’t a Game to Play
- In the Heat of the Lonely Night
- Long Live Rock ’n’ Roll
- Bridges Burning
- Sometimes*
- Madmen with loaded Guns*
- Son Of Armageddon*
*Zugaben