Cover, Wild West und das grünste Tal Europas
Wir befinden uns im Jahr 2020. Alle Festivals in der Schweiz wurden abgesagt… Alle Festivals? Nein! Ein kleiner Vertreter seiner Art im tiefsten Simmental findet wider Erwarten statt. Willkommen zum Mannried Open Air!
Freitag, 7. August 2020 – Tag 1
Wahrhaft überraschende Neuigkeiten waren das, als bekannt wurde, dass das Mannried Open Air tatsächlich stattfindet und so machen wir uns bei strahlendem Sonnenschein hoffnungsvoll, aber immer noch leicht skeptisch auf ins selbsternannte grünste Tal Europas (vielleicht sollten wir dies mit der Metalinside.ch-Crew mal überprüfen). Schön ist es auf jeden Fall hier. Allzu viel verändert, scheint sich seit unserem letzten Besuch vor vier Jahren nicht zu haben. Auf jeden Fall werden wir bei der Einfahrt zum Camping immer noch genauso freundlich und unkompliziert in Empfang genommen wie damals. Platzanweisung? „Fahrt einfach da ein bisschen nach hinten, damit andere auch noch Platz haben.“ Gerne doch und so steht kurze Zeit später unser Wagenburg-Camp fixfertig und wir können uns ein Apéro-Fleisch aus der Dorfmetzg gönnen. Doch so gut das Fleisch auch ist, ich bin ja wegen der Musik hier. Also bringen wir den kurzen Weg hoch zum Festivalgelände auf dem alten Schulhausplatz hinter uns und treffen zu Beginn der ersten Band vor der Bühne ein.
Fireball
Die trägt den Namen Fireball und kommt aus dem Berner Mittelland. Musikalisch haben sie sich mit Haut und Haaren AC/DC verschrieben. Nicht im Sinne von Inspiration, sondern vollumfänglich als professionelle Coverband. Ich bin weder der grosse Experte für AC/DC noch der grösste Fan des Konzepts einer Coverband, aber Hut ab; was die fünf Herren hier abliefern, klingt in meinen Ohren wahnsinnig nahe am Original aus Australien. Natürlich machen sich Fireball die Stücke auch zu eigen, ihr Sänger tönt jedoch beim Singen einfach nur nach Brian Johnson. Bei den Ansagen in breitem Berndeutsch und mit breitem Grinsen könnten die Unterschiede lustigerweise aber nicht grösser sein. Sein Outfit hat er ebenfalls an sein Vorbild angelehnt ebenso wie der Leadgitarrist das seine an jenes von Angus Young. Die gespielten Klassiker rennen beim anwesenden Publikum zudem offene Ohren ein und die es erheben sich diverse Stimmen, um die die Refrains und Mitsingparts mitzugröhlen. Unter einer Stunde Spielzeit muss am Mannried Open Air keine Band die Bühne verlassen (mit einer Ausnahme) und so haben auch Fireball richtig Zeit, um sich auszutoben. Die wissen sie zu nutzen und eröffnen so in würdiger Art und Weise das Festival.
Voice of Ruin
Weiter geht es mit den Waadtländern Voice of Ruin, die uns ein Gemisch aus Metalcore, Groove Metal und Melodic Death Metal servieren. Ich durfte die Band bereits in der Vergangenheit erleben und meine Erwartungen sind deshalb hoch. Als ob das Quintett dies wüsste, geben sie von Anfang an Vollgas. Insbesondere Sänger Randy Schaller düst ab dem ersten Track, „Snakes in my Head“, voller Energie auf der Bühne herum und ihm ist die Freude anzusehen, heute hier spielen zu dürfen. Auch die Instrumentalfraktion hat dieses Leuchten in den Augen und lässt nichts anbrennen. Ab dem zweiten Track kommt das neue Album vom letzten Jahr mit „Holy Venom“ zum Zuge, bevor „Blood of Religions“ wieder etwas weiter in die Vergangenheit zurückgeht. Mir gefällt, was ich höre und auf der Bühne dargeboten bekomme und ein kurzer Blick in die Runde bestätigt mir, dass ich nicht der einzige bin, der Songs wie „Mass Grave“ oder „I am the Danger“ etwas abgewinnen kann. Gegen den Schluss ihres Sets hin, verstärken Voice of Ruin den Fokus auf ihr neues Album schliesslich noch. Das finde ich immer sehr cool, wenn eine Band nicht nur für sich Vertrauen in ihr aktuelles Material hat, sondern dies auch mit einer entsprechenden Setlist zeigt. Nach einer Stunde kommt die Band mit „Thanatophobia“ zum Schluss ihres regulären Sets und haut uns schliesslich noch „Disgust“ als Zugabe um die Ohren. Meine Erwartungen wurden total erfüllt und Voice of Ruin haben gezeigt, dass sie diesen Platz auf der Running Order verdient haben.
Bevor es weiter geht mit dem heutigen Headliner, bleibt Zeit für eine kurze Stärkungspause. Das Essensangebot im Verpflegungszelt ist umfangreicher als ich es in Erinnerung hatte und der Kartoffelsalat trotzdem immer noch ein einer empfehlenswerten Qualität. So muss ein Anlass wachsen. Frisch gestärkt gehen wir wieder vor die Bühne (zugegeben, der Begriff „gehen“ ist bei einer Distanz von ca. 15 Metern etwas hochgegriffen) und sind bereit für den Headliner des Mannried Open Air: Grave Digger.
Grave Digger
Ein Dudelsack ertönt, als das Intro „The Clansman’s Journey“ aus den Boxen schallt und der Reaper höchstpersönlich im blauen Licht erscheint, um die Menge zu begrüssen. Die Band folgt ihm auf dem Fusse und steigt in ihr Set ein mit „All for the Kingdom“ vom Anfang dieses Jahres erschienenen Album Fields of Blood. Der Song geht ordentlich ab und bietet einen guten Einstieg in die folgenden neunzig Minuten voller Heavy Metal. Das Publikum schüttelt jedenfalls wie auf Kommando die Köpfe.
Da überrascht mich das folgende „The Clans will rise again“ schon eher. Das schleppende Tempo und die reduzierten Strophen brechen etwas mit dem fulminanten Beginn. Gegensteuer geben Grave Digger mit „Killing Time“ und spätestens jetzt sollte auch denjenigen, die Chris Boltendahls Ansage nicht zugehört haben klarwerden, dass wir heute ein Schottland-Set zu hören kriegen werden. „Heart of Scotland“ macht den Anschluss und das Tempo wird wieder langsam. Das ist ja mal eine interessant zusammengestellte Setlist, denn weiter geht es mit dem rasanten Klassiker „The Dark of the Sun“. Wir kriegen hier wahrlich eine Achterbahn der Tempi geboten. Moderiert wird die Fahrt von Sänger Chris auf sympatische Art und Weise. Die Band feiert 2020 ihr 40-jähriges Bestehen und dieses Jubiläumsjahr hat sie sich natürlich anders vorgestellt.
Chris bleibt aber ganz entspannt, als er uns erzählt, dass sie das letzte Mal auf der 70’000 Tons of Metal-Cruise auf der Bühne standen (unsere Metalinside-Crew berichtete) und es sich beim aktuell hier stattfindenden Konzert vermutlich nicht nur um ihren letzten Auftritt auf einem Festival, sondern überhaupt dieses Jahres handelt. Er gehe jetzt einfach mal von dieser Annahme aus und geniesse den heutigen Abend deshalb umso mehr. Das folgende Dreierpack aus „Barbarian“, „The Bruce“ und „The Ballad of Mary (Queen of Scots)“ wird von Axel Ritt überzeugend druckvoll gespielt. Letztgenannter Song überrascht mich sehr. Als ich ihn das letzte Mal hörte, konnte er mich vor allem aufgrund des Gesangs überhaupt nicht überzeugen (das könnt ihr hier nachlesen). Aber gerade dieser stimmt heute total. Chris Boltendahl wirkt anders als damals voll im Einklang mit den stimmlichen Einschränkungen, die das Alter halt so mit sich bringt und legt so viel Gefühl in seine Darbietung, dass der Song zum heimlichen Highlight des Sets mutiert.
Highland Farewell sorgt dann wieder für ausflippende Menschen. Das Mitklatschen funktioniert hier prächtig, was man vom Mitsingen bei „Lions of the Sea“ nicht behaupten kann, obwohl sich die Band redlich bemüht, es dem Publikum beizubringen. Aber da scheint die neue Scheibe einfach noch zu neu zu sein. Das unvermeidliche „Rebellion (The Clans are marching)“ schliesst die Schottlandreise ab. Schluss ist aber noch lange nicht. Nach einem kurzen Abgang bewegen sich Grave Digger mit „Tattooed Rider“ und „Healed by Metal“ noch in der jüngeren Geschichte ihrer Diskografie bevor es mit „Excalibur“ weit und – wie könnte es auch anders sein – dem Abschluss „Heavy Metal Breakdown“ sehr weit in die Vergangenheit geht. Grave Digger haben die Situation schlicht und einfach so genommen wie sie war und damit ein tolles Jubiläumskonzert vor einem begeisterten Publikum geben können. Daumen hoch!
Top4Tea
Den Abschluss des heutigen Tages übernehmen Top4Tea und damit steht zum zweiten Mal an diesem Freitag eine Cover-Band auf der Bühne. Top4Tea beschränken sich jedoch bei der Auswahl ihrer Stücke nicht auf das Repertoire einer einzigen Band, sondern bieten uns einen Querschnitt durch die Hard Rock und Heavy Metal Welt vor allem der 80er-Jahre. Bon Jovi, Judas Priest, Europe, Gotthard, nochmals AC/DC und diverse weitere kommen so zum Zuge. Das mittlerweile doch eher angeheiterte Publikum feiert die Band sichtlich ab. Ich kann mich jedoch nicht wirklich begeistern für das Dargebotene. An Top4Tea liegt das aber nicht sondern eher wieder am Konzept Cover-Band. Deshalb überlasse ich das Feiern andern, enthalte mich einer Kritik und gönne mir etwas Nachtruhe, um morgen wieder fit zu sein für Tag zwei des Mannried Open Air.
Samstag, 8. August 2020 – Tag 2
Der Samstagmorgen startet genau gleich wie der Freitag: mit strahlend blauem Himmel, Sonnenschein und sehr warmen Temperaturen. Das Frühstück nutzen wir, um allerlei verstreute Fakten und Wissenswertes über das Festival zusammen zu tragen. So erfahre ich, dass dieses Jahr 240 Tickets verkauft wurden. Zusammen mit den rund fünfzig Helfern sowie jeweils einer Band, die sich auf dem Festivalgelände aufhält, verbleibt die Personenanzahl auf diese Weise unter dem Plafond von 300 Leuten. Damit ist das Mannried Open Air ausverkauft und hat trotz der Beschränkung so viele Besucher zu vermelden wie noch nie in seiner bisherigen Geschichte. Ganz nach dem Motto: Stell dir vor es ist Festival…und alle gehen hin. Wir gehen nun auch hin und zwar zum Auftritt von Days of Ruin.
Days of Ruin
Die fünf Worber lassen nichts anbrennen und machen mit ihrem Metalcore müde Geister munter. Unterstützt wird diese Mission durch die gute Laune, welche die Band versprüht und das breite Grinsen auf dem Gesicht der Mitglieder. Auch die Reihenfolge der Titel auf der Setlist könnte passender nicht sein. Nachdem jeder nach einer kurzen Nacht seine „Blinded Eyes“ geöffnet hat, heisst es „Wake up“. Danach werden die letzten Dosen und Flaschen der „False Friends“ vom letzten Abend entsorgt bevor der „Path of Liberty“ zum Festivalgelände führt und sein „End“ vor der Bühne findet. „Manipulated“ von Days of Ruin heisst es „Form a Unit“, um auch den letzten Rest „Black Fog“ aus dem Geist zu vertreiben. Nicht lange und die Stimmung hier oben auf dem „Hill of Ants“ gleicht einem „Mad House“. Und das um zwei Uhr nachmittags, „I don’t believe“. (Ok, jetzt habe ich als drittletzten Song „Your own Way“ unterschlagen, aber ansonsten hats geklappt).
Sänger El Mihi – nach dem zweiten Song bereits schweissgebadet von seinem Einsatz – bedankt sich herzlich bei allen Anwesenden und vor allem auch beim OK des Festivals, dass sie hier so einen tollen Auftritt erleben durften. Die Intensität lässt nach etwa zwei Dritteln des Auftritts für ein, zwei Songs etwas nach, steigt danach jedoch wieder an und lässt mich ein positives Fazit ziehen. Kritik muss ich jedoch an der Abmischung üben. Die war gestern noch hervorragend, lässt jetzt aber doch etwas zu wünschen übrig. Für ein Open Air bewegt sich der Sound aber immer noch in einem akzeptablen Rahmen. Ich bin gespannt, ob sich das bei der nächsten Band verändert.
Divine
Diese nennt sich Divine und hat sich den (Hard) rockigeren Klängen verschrieben. Metal- und Alternative-Einflüsse sorgen dabei für Farbtupfer im Sound der Luzerner. Über all dem thront die eigenwillige Stimme von Sängerin Trish Healson. Bereits ab dem Einstieg mit „Catch me“ und „Too late“ wird klar, dass jene für einige Zuhörer eine Hürde darstellt. Zugegeben, etwas Eingewöhnungszeit braucht der Klang schon, aber bei „Do it again“ und spätestens bei „Bang your head“, hat man diese hinter sich gebracht. Das Publikum ist zu Beginn etwas zurückhaltend, taut aber nach und nach auf. Trish unterhält zwischen den Songs mit knappen Ansagen und widmet schliesslich die Ballade „Blew me away“ einem anwesenden Fanpaar, das heute Hochzeitstag feiert. Musikalisch packt mich das Ganze weniger als anderes, was aber eher generell an der dargebotenen Stilrichtung als an der Leistung der Band liegt. Mit einzelnen, mitreissenderen Songs wie beispielsweise „Killing in the Name of“ kann ich jedoch durchaus etwas anfangen. So bleibt zum Schluss ein solider Auftritt einer sympathischen Band, der erfreulicherweise wieder gut abgemischt war.
Crossplane
Den Anschluss machen Crossplane aus dem Ruhrgebiet, die bereits zum vierten Mal hier am Open Air Mannried spielen. Eine Mischung aus Hard Rock und Heavy Metal, die Lemmy wohlwollend nicken lassen würde, ist angesagt. Das Vierergespann bringt die nötige Power mit, um die Zuschauer ihre Fäuste recken und ihre Bierbecher in die Höhe zu halten. Die Musik geht gut ins Ohr und bietet kurzweilige Unterhaltung. Sänger und Frontmann Celli gibt ebenfalls sein Bestes, um immer wieder Kontakt zum Publikum zu suchen und dieses miteinzubeziehen. Leider übertreibt er es dabei etwas. Ich bin ein grosser Verfechter von Ansagen und Interaktion mit dem Publikum, aber wenn die Leute nach der vierten oder fünften Aufforderung immer noch nicht näher zur Bühne gekommen sind, braucht es Nummer fünf, sechs und sieben nicht mehr wirklich. Danke, wir stehen alle gut, da wo wir sind. Der Stimmung tut dies aber keinen Abbruch und ein grosser Teil des Publikums feiert Crossplane richtig ab. Das Quartett zeigt eine grosse Spielfreude und blödelt auf der Bühne viel herum. Die Band scheint sich aufgrund ihrer häufigen Auftritte hier, beinahe schon zuhause zu fühlen. Auf jeden Fall wirken Crossplane mit ihrer entsprannten Art so. Als der Auftritt schliesslich unter grossem Applaus zu Ende geht, bin auch ich zufrieden mit der gehörten Musik. Einzig die Ansagen hätten kürzer und knackiger sein dürfen.
All Stars Mannried
Nach der Umbaupause geht es weiter mit der einzigen Gruppe, die mit weniger Zeit als einer Stunde auf der Running Order stehen. Die Rede ist von den Mannried All Stars, die sich zusammensetzen aus Mary, Celli, Gröppu, Mike und Chris. Wem die Namen so wie mir nicht viel sagen, kann ich nach einer kurzen Recherche mitgeben, dass es sich um Personen handelt, die allesamt irgendwie mit dem Mannried Open Air in Verbindung stehen. Auf welche Art und Weise konnte ich jedoch nicht herausfinden. Spielt aber eigentlich auch keine Rolle, wenn es um die Musik geht. Und die besteht nur aus zwei Songs, hat aber dafür mit einer Coverversion von „Djambo, Djambo“, das im Original von Peter, Sue und Marc stammt, eine echte Überraschung bereit. Die All Stars Mannried spielen ihre Version mit einer sehr punkigen Attitude und bringen sie als Zugabe gleich nochmals. Nebenbei entschuldigt sich Sängerin Mary für die Spielfehler, da sie situationsbedingt nur eingeschränkt proben konnten. Geschenkt, denn nach knapp zehn Minuten ist der Auftritt bereits wieder vorbei. Hier ging es gerade ganz klar einfach um den Spass, was super zur familiären Stimmung am Festival passt. Cool umgesetzt haben es die lokalen All Stars trotzdem.
Dezeperadoz
Nun satteln wir aber die Pferde und laden die Colts, denn die Dezperadoz reiten ein. Genaugenommen waren sie bereits den ganzen Tag auf dem und um das Festivalgelände anzutreffen. Ich habe die Band früher sehr gern gehört, aber irgendwann etwas aus den Augen verloren. Deshalb freue ich mich umso mehr, dass sie einspringen durften und konnten als Ersatz für die ursprünglich gebuchten Killer. Die vier Heidelberger starten nach dem Intro mit „Dust of History“ in ihr Set. Heavy Metal und Hard Rock treffen auf Western-Feeling und das Eröffnungsstück sowie das folgende „OK Corral“ laden so richtig zum Headbangen ein. Alex Kraft strahlt über das ganze Gesicht und bedankt sich mehrmals überschwänglich bei allen Beteiligten für den heutigen Anlass. Solche Freude ist ansteckend und so wird bei „Do it like the Cowboyz do“ fröhlich mitgeklatscht.
Mit dem „Silver City Shuffle“ wird der Countryanteil weiter in die Höhe geschraubt. Mit „Riders on the Storm“, das nach „600 Miles (The Escape)“ folgt, spielt die Band schliesslich das erste Cover und das Tempo wird gedrosselt. Um die Stimmung sofort wieder anzukurbeln, bringen die Dezperadoz mit „Back in the Saddle (Hello Bob)“ und „Hellbilly Square“ zwei leichter verdauliche Songs. Das Publikum scheint sich zu freuen und macht mit. Alex prostet allenthalben der ersten Reihe zu und wird vom Roadie fleissig mit Flüssigkeitsnachschub versorgt. Die vier kündigen danach an, jetzt kurz die Bühne zu verlassen und wieder aufzutauchen. Wir sollen doch in der Zwischenzeit etwas Lärm machen, dann fühlten sie sich wie Rockstars und es wirke wie ein Zugabenblock. Zwei Sekunden später steht die Band mit einem verschmitzten Lachen wieder auf der Bühne und bringt uns mit „My Ol‘ Rebel Heart“ zum tanzen bevor Cover Nummer zwei („Rawhide“) und drei („Riders in the Sky“) den endgültigen Schluss einläuten. Bei letzterem wird das Publikum nochmals kräftig zum Mitsingen animiert und dieses kommt der Aufforderung gerne nach.
Sichtlich zufrieden verlässt die Band danach endgültig die Bühne. Schön, dass ich die Dezperadoz nach langer Zeit einmal live erleben durfte. Der Auftritt hat Spass gemacht. Schade ist nur, dass die Band ganze drei Covers gespielt hat, was beinahe ein Drittel der Setlist ist. Dabei weiss ich, dass sie genügend tolle eigene Stücke hat (und dabei kenne ich nicht mal alle ihre Alben).
Ski’s Country Trash
Bleiben wir doch gleich beim Country, den die nächste Gruppe pur serviert wenn auch in einer etwas rockigeren Variante. Ski’s Country Trash (jep, ohne h) beginnen ihren Auftritt eher unüblich mit diversen Balladen. Bandkopf Ski King verkündet, dass sie erst einige ruhige Stücke spielen werden, es dann eine Pause geben würde und sie danach mit den schnelleren Sachen zurückkehren. Sein Name entstammt übrigens der Verbindung einer Abkürzung von Whisky mit dem Spitznamen von Elvis. Mir sind die Countryballaden auf die Dauer etwas zu lahm, wenn Ski sie auch gefühlvoll vorträgt. Nach ungefähr fünfzehn Minuten verlässt die Band schliesslich tatsächlich die Bühne und macht Platz für…ein Feuerwerk. Genauer gesagt ein richtig tolles Feuerwerk, was der zaghafte Beginn mit einigen kleineren Raketen zuerst gar nicht vermuten lässt. Je mehr Petarden aber verschossen werden, desto grösser werden diese und das Schlussbouquet braucht sich wahrlich nicht zu verstecken.
Kaum ist der letzte Knall verklungen stehen Ski’s Country Trash wieder bereit, um mit ihren schnelleren Songs für Stimmung zu sorgen. Die Musik verbleibt dabei in der Schnittmenge zwischen Country, Rockabilly und Rock n‘ Roll. Herr King redet zudem zunehmend mehr, je länger das Konzert dauert. Vielleicht sind da die zwei Whiskyflaschen, die in seiner Hand immer leerer werden auch nicht ganz unschuldig daran. Jedenfalls wirken die Ansagen zunehmend unkoordinierter und da uns die Musik im Gegensatz zur feiernden Menge nicht wirklich packt, hören wir uns den Auftritt von der Seite her an. Kurz vor Mitternacht ist das Konzert schliesslich zu Ende. Für einen Headliner waren Ski’s Country Trash eine spezielle Wahl, besonders nach dem energiegeladenen Nachmittags- und Vorabendprogramm und vielleicht hätte ihr Sound zu einer früheren Zeit besser ins Programm gepasst. So ist die Luft etwas raus und wir verzichten auf die letzte Band, Versus, deren Grindcore uns auf dem Zeltplatz aber noch friedlich in den Schlaf schaukelt.
Das Fanzit – Mannried Open Air
Gutes Wetter, eine sympathische Organisation, ausgelassene Stimmung und hörenswerte Konzerte; allzu viele Worte muss ich hier vermutlich gar nicht mehr verlieren. Ich hoffe nur, dass meine einleitende Bemerkung bezüglich einzigem Festival falsch war und diesen Sommer auch andere Musikfans als die anwesenden 240 Personen in den Genuss eines solch gelungenen Festivals wie das Mannried Open Air 2020 kamen oder noch kommen werden. Vielen Dank an alle Beteiligten für dieses ganz spezielle Wochenende.