Poltergeist – Feather Of Truth (Cover Artwork)
Fr, 3. Juli 2020

Poltergeist – Feather Of Truth

Speed Metal, Thrash Metal
10.08.2020
Poltergeist – Feather Of Truth (Cover Artwork)

Ein helvetisches Qualitätsprodukt

Manchmal hat man im Leben verdammt schlaue Ideen. Das haben die Herrschaften von Poltergeist vor ein paar Jahren bewiesen, als sie sich zu einer Wiedervereinigung entschlossen haben. Seither treiben «unsere» Thrash-Ikonen wieder ihr Unwesen auf diesem Planeten. Mit «Feather Of Truth» haben sie am 3. Juli 2020 einen neuen Silberling veröffentlicht – der zweite seit der Reunion. All das unter den wachsamen Augen des deutschen Labels Massacre Records.

Das Cover ruft umgehend Assoziationen mit der ägyptischen Mythologie auf den Plan (nein, kein Pharaonen-Eddie wie auf dem Iron Maiden Epos «Powerslave»). Weitere Infos dazu liefert der Titel «Feather Of Truth». Die Göttin Maat hatte hauptsächlich mit den Bereichen Gerechtigkeit und Weltordnung zu tun. Im Rahmen des Totengerichts wurde das Herz eines Verstorbenen jeweils gegen die Feder der Gottheit abgewogen. Zeigte die Waage an, dass Herz leichter oder gleich schwer war, sprach das für ein tugendhaftes Leben des Dahingeschiedenen. In diesem Fall winkte ein Platz im Jenseits. Beim gegenteiligen Szenario ging’s hingegen ins düstere Totenreich.

Wie die fünf Poltergeister diese Thematik genau vertonen, soll die nachfolgende Analyse zeugen.

Das Album – «Feather Of Truth»

«Time At Hand» kommt schon einmal mit ordentlich Tempo und Wumms aus der Start-Box. Reto Crola gibt mit viel Elan hinter seiner Schiessbude den Takt an. Die Saitenfraktion beschert uns derweil ein donnerndes Riff-Gewitter. In diesem ganzen Konstrukt macht aber speziell Frontmann André Grieder eine interessante Figur. Nach meinem Empfinden wirkt sein Stimmorgan eher untypisch für das Thrash-Genre. Oder ist genau diese Sache möglicherweise eine nicht zu unterschätzende Waffe? Aufgrund dieses facettenreichen Gesangs kann die Band ihren Liedern nämlich stets einen Hauch Heavy und Power Metal hinzufügen. Das werde ich gerne weiter gespannt beobachten. Seine Kumpels unterstützen André übrigens mit kräftigen Backing-Vocals.

Der flotte Galopp wird mit «Saturday Night’s Alright For Rockin’» ohne zu zögern fortgesetzt. Getreu nach dem Motto: «Wer bremst, verliert!». Gelungen sind hier ausserdem die dominanten Augenblicke von Ralf W. Garcias Tieftöner. Lemmy und Motörhead würden wohlwollend applaudieren. Des Weiteren versprüht das Stück eindeutig gewisse 80er-Dresch-Vibes. Während Live-Shows dürften mit diesem Stimmungsmacher ausgelassene Moshpit-Partys hundertprozentig garantiert sein.

An dritter Stelle begegnen wir bereits dem Titel-Track: «Feather Of Truth». Chasper Wanner und Mastermind V.O. Pulver lassen ihre Saitenköniginnen regelmässig kreischen. Den Gesangsstil würde ich generell am ehesten als ein faszinierendes Gemisch aus Eric A.K. (Flotsam And Jetsam), Steve «Zetro» Souza (Exodus), Bobby «Blitz» Ellsworth (Overkill), Mike Howe (Metal Church) und Joey Belladonna (Anthrax) bezeichnen. Im Vergleich zu den vorangegangenen Songs geht’s hier insgesamt ein bisschen zahmer zu und her.

«The Attention Trap» lockt sicherlich zahlreiche Mähnenschüttler in die Falle. Kurz und knackig lädt der Lärm zum Herumwirbeln der eigenen Haarpracht ein. Da jauchzen die Thrasher-Herzen vor Freude! Die Singerei erweckt einen anklagenden Eindruck. Soll das eventuell als Vorwurf an die «Dauer-Social Media-Nutzer» verstanden werden? Gerade auf Instagram ist der Grad der Selbstinszenierung wegen des permanenten Bedarfs an Aufmerksamkeit eh seit geraumer Zeit unerträglich.

Hat jemand zufällig eine «Phantom Army» bestellt? Die hat ja auch schon Aragorn in «Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs» den Allerwertesten gerettet. Okay, das war strenggenommen ein Heer aus Untoten – aber wir wollen uns jetzt mal nicht in «Tüpflischisserei» verzetteln. Die Nummer hat ebenfalls ordentlich Zug und reizt zweifelsohne die Nackenwirbel. Die Lyrics sind abermals kritisch: «They made an army out of dummies to hide their master-plan.» Das Nazi-Regime kriegt ebenso sein Fett weg.

Dann ist «The Godz Of The Seven Rays» an der Reihe. Jop, selbstverständlich mit der «z»-Schreibweise, denn man will schliesslich mit der modernen Ära mithalten und cool sein, nicht wahr? Gut, vielleicht habe ich das den Herren nun einfach rotzfrech und ohne Beweise unterstellt. Geschickt webt der Fünfer melodiöse Passagen in die Songstruktur ein. Geht durchaus Richtung Iced Earth. Diese Musiker stehen keinesfalls bloss für simples Hau-drauf-Geknüpple.

Dafür fliegen die Fäuste beim darauffolgenden «The Culling» wieder mitten in die Kauleiste. Dynamische Angelegenheit. Mit Reto hat die Truppe sowieso ein waschechtes Trommel-Biest am Start. Als «Zückerli» werden obendrein knackige Riffs serviert.

«Megalomaniac» – der Grössenwahnsinn lässt grüssen. Wobei meine Gedanken bei diesem Namen eher zum Megalodon abdriften. Kennt ihr nicht? Urzeit-Hai-Monster wäre wahrscheinlich die passendste Bezeichnung. Schau an, «Woho»-Mitmach-Momente fürs Publikum wären hier sogar vorhanden. Die Geschwindigkeit bleibt hoch, was die Headbanger unter uns absolut freuen dürfte. Speed Metal beherrschen die Eidgenossen also auch noch? Nicht übel, werte Freunde.

Gegen Ende der Scheibe locken uns Poltergeist noch in einen Hinterhalt («Ambush»). Dieser Überfall wird so rasch und wirkungsvoll durchgeführt, dass man als Opfer davon nix mitkriegt. Keine Chance.

Das Quintett behält seinen Flow bei «Thin Blue Line» unbeeindruckt bei. Diesem Hochgeschwindigkeitsexpress will sich keiner freiwillig in den Weg stellen. Es würde eh nix nützen. Man würde einfach gnadenlos aus dem Weg geräumt werden.

Offiziell wäre das Album nun finito. Die Legenden lassen sich jedoch nicht lumpen und verwöhnen uns für die echte Finalissima gleich mit zwei Bonus-Stücken. Die nehmen wir selbstverständlich überaus gerne mit. Den Anfang macht «Unholy Presence». Ein fieser Thrasher, der wirklich irgendwelche übernatürlichen Wesen beschwören könnte. Die zweite Ehrenrunde gebührt «Notion». Ein astreine und wilde Stampfattacke! Die Gruppe präsentiert sich ein letztes Mal von ihren besten und stärksten Seiten. Ein komplett würdevoller Abschluss.

Das Fanzit Poltergeist – Feather Of Truth

Die fünfte Platte aus der Poltergeist-Schmiede ist ein bombastisches Werk, welches beim Hören für Freude und engagiertes Kopfnicken sorgt. Primär bewegen sich die Herren im Thrash-Sektor, aber Ausflüge in andere Stilrichtungen liegen ebenfalls problemlos drin. Facettenreichtum ist zudem auch das optimale Schlagwort, um den Gesang von André zu beschreiben. Abwechslung ist auf «Feather Of Truth» definitiv keine Mangelware. Da sind viele Hymnen mit Kracher-Potenzial mit von der Partie. Hinzu kommt eine lupenreine Produktion. Aber wenn Meister Pulver seine Finger im Spiel hat, darf man das grundsätzlich immer erwarten.

Empfehlenswerte Hörproben: «Saturday Night’s Alright For Rockin’», «The Attention Trap», «The Culling», «Notion»

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Tracklist Poltergeist – «Feather Of Truth»

  1. Time At Hand
  2. Saturday Night’s Alright For Rockin‘
  3. Feather Of Truth
  4. The Attention Trap
  5. Phantom Army
  6. The Godz Of The Seven Rays
  7. The Culling
  8. Megalomaniac
  9. Ambush
  10. Thin Blue Line
  11. Unholy Presence (Bonus-Track)
  12. Notion (Bonus-Track)

Line Up – Poltergeist

  • V.O. Pulver – Gitarre
  • André Grieder – Gesang
  • Chasper Wanner – Gitarre
  • Ralf W. Garcia – Bass
  • Reto Crola – Drums

Album Review Bewertung

Autor Bewertung: 8.5/10



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10.08.2020
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