«Surrender Or Die!»
Auf diesen Namen hört das Debütwerk der Winterthurer Freibeuter Calarook. Die Platte wurde am Samstag in der Kantine Bülach getauft. Unter die Schiffscrew mischten sich auch Nidhoeggr, Doctor Detox und Smog. Ob irgendwelche Flamingos oder Ananas-Früchte zu Schaden gekommen sind, wird in den folgenden Aneinanderreihungen von Wörtern verraten.
Wie? Calarook sagt euch nichts? Möglicherweise wäre Calico der gängigere Begriff? So hiess die Equipe aus der Eulachstadt nämlich früher. Fun-Fact: Die Jungs haben sich unter anderem deshalb eine neue Identität zugelegt, weil man im Netz bei der Recherche zu «Calico» jeweils immer nur auf Katzenbilder oder Videos gestossen ist. Süsse Fellknäuel und furchteinflössende Seeräuber? Nope, das funktioniert definitiv nicht. Mal schauen, was das «neue Leben» für das Quintett alles bereithalten wird. Und ich warte einfach ein paar Jahre, bis mein im Sedel erworbenes Calico-Shirt einen atemberaubenden Sammlerwert erreicht hat.
«Surrender Or Die» wurde bereits vor einer Woche auf die Menschheit losgelassen. In Zusammenhang mit dem Release haben die Rum-Liebhaber sogar einen echten Schatz versteckt, den man mittels passender Karte hätte finden können. Unglücklicherweise kam ein komischer Wikinger allen zuvor und hat die Truhe rasch entwendet. Sei verflucht, du elender Nordmann! Möge dich der Blitz beim Scheissen treffen!
Die heutige Sause steigt übrigens in der Bülacher Kantine. Vom Bahnhof aus zwei Mal umfallen – und schon ist man da. Ein familiäres und gemütliches Ambiente. Wir nehmen vorerst draussen um die Feuerstelle herum Platz. Irgendwie kommt mir das alles verdächtig bekannt vor. Dann folgt die Erleuchtung: Vor einiger Zeit hiess das Ding ja noch Guss 39! Satte drei Jahre liegt mein letzter Besuch bereits zurück. Damals gab’s ebenfalls einen Konzertbericht. Omophagia und Co. brachten die Wände ordentlich zum Wackeln.
Entspannt führt man Gespräche mit den Kollegen und vernichtet dazu die ersten Gerstensäfte. Calarook-Tieftöner-Mann Flavio beweist grosszügige Selbstironie und haut munter einen fiesen Bassisten-Witz nach dem anderen raus. Die Stimmung wird freilich schnell in die richtige Richtung gelenkt. Fehlt bloss noch ein bisschen Live-Mucke! Davor werden an der Merchandise-Ecke kurz ein paar Dublonen investiert. Ich benötige nicht einmal «Piratical Teleshopping» als Motivationsspritze. Getreu nach dem Motto des Headliners: «Chaufed euse Scheiss!».
Doctor Detox
Mit einer kleinen Verzögerung startet der erste Act schliesslich um 19.45 Uhr in sein Set. Doctor Detox – das Dresch-Trio aus dem St. Galler Rheintal. Beim letzten Aufeinandertreffen entsprachen sie kaum meinem Gusto. Dieses Mal funktioniert’s allerdings deutlich besser. Nette Thrash-Klänge die für beste Laune sorgen. Das Publikum lässt sich obendrein zu ersten Mini-Circle Pits animieren. Einzig Gitarrist Jan wirkt aufgrund seines bleichen Antlitzes nicht hundertprozentig fit. Er hat zudem einen kleinen Eimer vor sich stehen. Die gute Nachricht sei jedoch an dieser Stelle sofort nachgereicht: Wir bleiben alle brav «speifrei» und können den Auftritt sorglos geniessen.
Die Doktoren punkten sowohl mit eigenem Material als auch dem Venom-Cover «Black Metal». Des Weiteren zeigen sie sich unglaublich dankbar für die tolle Küche vor Ort, die gelungene Organisation und generell die Möglichkeit, endlich wieder einmal live spielen zu dürfen. Sie sind verhältnismässig kurzfristig für Crusade Of Bardes eingesprungen, welche aus den bekannten Gründen in ihrer Heimat Spanien festsitzen.
Setlist – Doctor Detox
- Intro
- Turn
- Let’s Get Drunk
- Unleash The Beast
- E.S.F.D.
- Thrash Doctor
- Motherf***er
- Can’t Find My Tankard
- Disco Thrash
- Black Metal (Venom-Cover)
- I Don’t Care
Nidhoeggr
Ab 20.35 Uhr steht tödlicher Folk Metal auf dem musikalischen Menüplan. Serviert wird dieser von Nidhoeggr aus dem «21 10 – eyne näh»-Gebiet Thun. Da werden direkt hervorragende Erinnerungen an den gemeinsamen Abend mit Excelsis vom Februar dieses Jahres in der Met-Bar wach (siehe Review). Abermals muss ich feststellen, dass in dieser Band äusserst viel Finntroll steckt. Soundmässig gibt es durchaus einige Parallelen. Allenfalls sind meine Ohren aber auch leicht vorbelastet, da die Finnen erst gestern mit «Vredesvävd» einen neuen Silberling rausgehauen haben und dieser seither fleissig in meiner Playlist rotiert.
Die 40 Minuten vergehen wie im Flug, aber meinetwegen hätten die Herrschaften ungeniert noch länger spielen können. Nichtsdestotrotz werde ich gleich nochmals einen Blick auf das Merch-Angebot werfen. So ein Nidhoeggr-Shirt wäre nämlich diskussionslos eine fantastische Sache. Nach dieser bockstarken Darbietung hat der Sechser meine Unterstützung absolut verdient.
Setlist – Nidhoeggr
- Winters Wight
- Desolation
- Sturmwind
- Ragnarök ‘N’ Roll
- Wolfssage
- Onwards
- Nach der Schlacht
- Sauflied
- Jägermeister
Calarook
Die Hauptattraktion der heutigen Veranstaltung geht um 21.35 Uhr ins Rennen. Aber jetzt einmal ernsthaft, werte Gemeinde. Man muss schon extrem mutig (oder völlig von Sinnen) sein, um in einer «ozeanlosen» Schweiz eine Piraten-Truppe zu gründen. Oder habt ihr jemals von grandiosen Kapernfahrten auf Süss- oder Gletscherwasser gehört?
Meine Gedankengänge bringen die Winterthurer selbstverständlich keinesfalls vom Kurs ab. Kapitän Phip und seine tollkühne Crew – die alle passende Freibeuter-Klamotten tragen – präsentieren uns ihren Debütstreich in seiner ganzen Pracht! Die Tracklist wird wahrhaftig 1 : 1 durchgezockt. Bereits nach «Into The Storm» folgt der grosse Moment: Die Taufe! Begleitet von pompösen Klängen reckt der Fronter eine Ananas in die Höhe. Aus deren Innern zaubert er anschliessend eine CD hervor. Welch wundervolle Geburt! Die Fans jubeln lauthals und beglückwünschen die frischgebackenen Väter.
Nach der erfolgreichen Zeremonie wird munter weitergefeiert. Songs wie «Invisible Pineapples» oder «Paul The Parrot» zählen fraglos zu meinen Favoriten. Oder fällt jemandem von euch spontan eine Ode an einen betrunkene Papagei ein? Mit «Kicking Flamingos» bleiben wir gleich bei der Vogelkunde und brechen jedem Ornithologen das Herz. Aber keine Angst, bei dieser Show kommen logischerweise keine echten Tiere zu schaden. Dafür dürfen wir uns mit kleinen, aufblasbaren Flamingos amüsieren (die sich übrigens bestens als Getränkehalter eignen). Wie es sich für wahre Seeräuber gehört, wird während der Arbeit literweise Alkohol vernichtet. Ausgelassene Stimmung, ahoi! Eine Rum-Degustation bleibt ebenfalls nicht auf der Strecke. Das passende Liedgut dazu heisst natürlich «Loyal To None But Rum»!
Ihren überzeugenden Gig beenden Calarook nach rund 90 Minuten mit «The Undying Sailor». Aufgrund zahlreicher Wünsche aus den Publikumsreihen darf Flavio die Angelegenheit mit einem Bass-Solo ausklingen lassen. Sein grosser Moment – trotz all den fiesen Sprüchen. Herrlich!
Zum Schluss eine Traumvorstellung meinerseits: Vor meinem geistigen Auge sehe ich in ferner Zukunft eine gemeinsame Tour von Calarook, Alestorm, Ye Banished Privateers, Lagerstein und The Privateer. Meine Fresse! Das wäre der Piraten-Event schlechthin!
Calarook – Surrender Or Die – reinhören und portofrei bestellen
Setlist – Calarook
- Intro
- A Cursed Ship’s Tale
- Quest For Booze
- Into The Storm
- – Taufe –
- Surrender Or Die
- Invisible Pineapples
- Kraken’s Chest
- Paul The Parrot
- Jack Rackham
- Kicking Flamingos
- Davy Jones’ Locker
- Tentacle Explosion
- Loyal To None But Rum
- The Legend Of Liquor Island
- The Feast Of Emerald Meadows
- The Undying Sailor
Smog
Zu später Stunde dürfen Smog aus der Umgebung Winterthur die Rausschmeisser-Aufgabe übernehmen. Ihr Gemisch aus Grindcore und Death Metal haut uns allerdings nicht aus den Socken. Die vorangegangenen Auftritte waren wohl zu kräftezehrend. Deshalb kann ich leider kein aussagekräftiges Urteil abgeben. Wir verlassen den inzwischen ziemlich leeren Laden und treten die Heimreise an.
Das Fanzit
So ihr Landratten! Das war zurecht eine verdammt würdevolle Plattentaufe, oder? Mit dem Grossteil des Line-Ups konnte man in Tat und Wahrheit zufrieden sein. Zudem entpuppte sich die Kantine Bülach als angenehme Location. Aber das war ja bereits zu Guss39-Zeiten der Fall. Calarook vermochten rundum zu begeistern. Diese Jungs werden ihren Weg sicherlich machen – zumindest in ihrer Genre-Ecke.