Es war einmal …
Es war einmal vor langer Zeit, da formierte sich eine Band mit dem Namen Paradise Lost um seinerzeit zu den Gründungsvätern der Death/Doom Bewegung zu gehören. Gingen die ersten Alben noch klar in diese genannten Genres, entfernte sich die Band dann immer ein Stück mehr aus den Death-Gefilden, die Growls wichen dem Klargesang, der Sound wurde synthetischer.
Nun sind seit der Gründung mehrere Jahrzehnte ins Land gezogen und die Band hat sich weiterentwickelt und ist zu einer routinierten Ikone am Metal-Himmel aufgestiegen. Mit einem Status wie ihn Paradise Lost besitzt darf man nach so einer langen Zeit im Business natürlich mehr oder weniger machen was man will. Trotzdem war man erstaunt, dass seit dem letzten Album «Medusa» Nick Holmes seine Liebe für die tieferen Stimmlagen wiederentdeckt hat. Natürlich nicht mehr mit den ersten Alben zu vergleichen aber trotzdem nach vielen ähnlich gelagerten Veröffentlichungen wieder eine markantere Richtungsänderung zurück in härtere Gefilde.
Obsidian – ein ausgeglichenes und spannendes Album
Das neue Album Obsidian, dass im Frühjahr des Jahres veröffentlicht wurde könnte auf das erste Hören hin wie ein Best of der verschiedenen Musikergüsse der Briten wirken. Nach monatelanger Dauerrotation wirkt das vorliegende Album jedoch gar nicht in die Richtung «wir sind Müde und machen einfach mal was Nächstes…», sondern fasziniert mich mehr als andere Alben der Diskografie, welche mittlerweile 16 Alben umfasst. Dies weil mir Obsidian das Gefühl vermittelt, dass Paradise Lost immer noch Lust an Musik haben und noch nicht am Ende ihrer Karriere angelangt sind. Ich staune darüber, wie probierfreudig sich die Herren auf dem neuen Silberling zeigen. Akustik-Intros wechseln sich mit hart-doomigen Riffs ab. Growls werden mit Klartextpassagen ergänzt oder umgekehrt. Das Spektrum der Klänge ist auf den 11 Songs unerwartet breit und es macht richtig Spass von Track zu Track zu hüpfen und sich die «neue» Verschiedenartigkeit genüsslich in den Gehörgang zu ziehen.
Trotzdem …
Trotz der grossen Vielseitigkeit auf Obsidian bin ich mir nicht sicher, ob die Metal-Welt diesem Album einen «legendären» Status verleihen wird. Dafür ist das Album wohl dann doch zu «normal». Es waren bis jetzt vor allem die «extremen» Alben von PL welche zu reden gaben. Obsidian siedle ich somit im Mittelfeld an, sowohl in Bezug auf die Extremität der bisherigen musikalischen Werke als auch auf die Ohrwurmfähigkeit der einzelnen Songs. Die grossen Hymnen sind dann doch nicht dabei.
Obsidian im Zeitraffer
Das Album startet mit Akustik-Klängen und weicher Stimme. «Darker Thoughts» entwickelt sich jedoch danach in eine ganz andere Richtung und entfaltet seine ganze Stärke. Für mich gleich einer, wenn nicht der beste Song des Albums. Cooler Mitsing-Refrain und ein Wegweiser für die weiteren Songs des Albums. «Fall from Grace» besitzt einer dieser typischen Songstartsequenzen, die Paradise Lost ausmachen. Melodiöser Song mit schaurig-doomigen Riffs. Growls vs. Klartext-Passagen gekonnt eingesetzt. «Ghosts» rockt auch, aber ich habe nach dem vorangegangenen Song zeitweise das Gefühl, ich höre schon wieder den gleichen Song. Natürlich nicht, aber die Melodiestrukturen sind sich doch sehr ähnlich.
«The Devil Embraced» markiert den längsten Songs des Albums mit über sechs Minuten Spielzeit. Melancholischer Song mit viel Energie gespielt und herzhaften Gesangstönen, sowohl im melodiösen aber auch im tieftönigen Stil. «Forsaken» wird durch einen kurzen choralen Einstieg lanciert, welchem wir dann später im Song nochmal begegnen. Ein paar tolle Gitarrensolis schmücken den Song, ansonsten eher nicht der Überflieger. «Serenity» ist danach die willkommene Abwechslung. Vorwiegend Growls und treibende Drums bringen den Song vorwärts und ein paar Synthi-Passagen erheben den Song doch positiv speziell. «Endings» ist wohl der Song mit den prominentesten Gitarren-Parts. Gesang eher beiläufig und eher als Begleitung. «Hope Dies Young» ist für mich einer der Songs, welche keinen Misstritt markieren, aber wohl eher beiläufig immer wieder geskippt werden. Nicht mein Ding. Um eben dann wieder zu einem schaurig-coolen-dommig-gegrowlten Song mit dem Titel «Ravenghast» zu gelangen, der wieder alles Schwarze vom Himmel löst. Schon sind wir fast am Schluss, aber es bleiben noch zwei Songs übrig. «Hear the Night» schleppt sich wie ein zäher Schleim durch die Gegend und das ist dieses Mal durchaus positiv zu verstehen. Anspieltipp. Nick Holmes versucht sich hier gleich in beiden extremen Gesangslagen, welche sich während des Songs duellieren. Der Abschluss des Albums wird durch «Defiler» markiert. Würdiger Abschied aus dem Album. Rockt.
Das Fanzit Paradise Lost – Obsidian
Obsidian ist ganz sicher nicht das Donneralbum nach über 30 Jahren Bandgeschichte, aber ein solid eingespieltes Werk, dass sowohl Vielseitigkeit, Routine und die Lust auf noch mehr widerspiegelt. Viele der Songs werden wohl in der Masse des Katalogs untergehen, es gibt jedoch ein paar Schmankerl zu bestaunen. Ich spreche trotz Kritik mal eine Kaufempfehlung aus. Hoffen wir mal, dass wir wieder mal in Genuss der Band vor Ort kommen und dass das nächste Album nicht schon erscheint, wenn noch nicht mal Konzerte zu diesem Album gespielt wurden. In der aktuellen Zeit leider ein denkbarer Verlauf.
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Trackliste Paradise Lost – Obsidian
- Darker Thoughts
- Fall from Grace
- Ghosts
- The Devil Embraced
- Forsaken
- Serenity
- Ending Days
- Hope Dies Young
- Ravenghast
- Hear the Night
- Defiler