Metalinside.ch - Visions of Atlantis - 70'000 Tons of Metal 2019 - Tag 4 - Foto pam
Di, 3. November 2020

Visions Of Atlantis – Interview mit Clémentine Delauney

Symphonic Metal
15.11.2020
Metalinside.ch - Visions of Atlantis - 70'000 Tons of Metal 2019 - Tag 4 - Foto pam

„Heimat“ ist nicht etwas, das du da draussen findest!

Die multinationalen Symphonic-Metaller von Visions Of Atlantis haben unlängst ihre erste Live Blu-ray/DVD veröffentlicht, die 2019 am Bang Your Head!!! Festival zusammen mit dem Bohemian Symphony Orchestra Prague aufgenommen wurde. Die perfekte Möglichkeit also, mich bei Sängerin Clémentine Delauney zu erkundigen, wie sich die Dinge seit der im März abgebrochenen US-Tour entwickelt haben (siehe Interview).

Nebst den obligaten Fragen zur neuesten Veröffentlichung kamen auch Themen wie Tattoos, Katzen (-bilder), eine fiktive Zeitreise sowie für das Jahr 2021 geplante Musik-Projekte zur Sprache. Viel Stoff für dreissig Minuten. On y va…

Metalinside (Sandro): Clémentine, zunächst einmal ganz herzlichen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst! Wie geht es dir?

Clémentine: Sehr gut, vielen Dank! Und dir?

MI: Ebenfalls gut – wobei ich ja auch nicht derjenige von uns beiden bin, der momentan nur eine Stunde pro Tag nach draussen gehen darf.

Clémentine: (leicht irritiert) Ich verstehe die Frage nicht… ach so… ja, wir dürfen unser Zuhause wegen des Lockdowns momentan nur für eine Stunde am Tag verlassen, das stimmt. Aber so kann ich mich auf andere Dinge konzentrieren.

MI: Wobei es sich sicher auch um künstlerische Projekte handeln dürfte, wie deine Posts in den sozialen Medien zeigen. Als wir Ende März das letzte Mal miteinander gesprochen haben, warst du auf dem Anwesen deiner Mutter und emotional noch voll mit der Verarbeitung der Geschehnisse eurer abgebrochenen Tour beschäftigt. Wie ist aktuell deine Gemütslage?

Clémentine: Nun, ich bin wieder bei meiner Mutter zu Hause, da es angenehmer ist, auf dem Land eingesperrt zu sein als in meiner kleinen Wohnung in Lyon. Aber ich fühle mich wirklich gut, und es gibt doch so einiges, um das ich momentan kümmern muss – und ich habe auch nicht das Gefühl, dass mich die aktuelle Situation nun gross davon abhalten würde. Und wie du zuvor richtig erwähnt hast, habe ich dadurch mehr Zeit, um mich künstlerisch auszuleben, da sich das Auf-Tour-Gehen ja zumindest für den Moment leider wieder erledigt hat. Wir haben begonnen, am neuen Album zu arbeiten, und es sind noch so einige weitere Dinge am Laufen. Ich bin definitiv positiver eingestellt als bei unserem letzten Gespräch damals im März.

MI: Mal abgesehen von all den eher unerfreulichen Dingen, die in den letzten Monaten über uns alle hereingebrochen sind, gab es für dich auch den einen oder anderen Lichtblick, trotz – oder vielleicht auch gerade – wegen Corona?

Clémentine: Alles, was uns widerfährt, ist neutral, unbestimmt. Es ist die Art und Weise, wie wir auf diese Dinge reagieren, damit umgehen, und ob wir den Ereignissen einen positiven oder negativen Anstrich verleihen. Klar, die Pandemie war Gift für unser Tourleben, aber gleichsam auch positiv, da ich schon zwei Mal in Micheles (Guaitoli) Studio gehen konnte, um an den neuen Songs zu feilen. Uns wurde dabei auch bewusst, was für eine erstaunliche musikalische Verbindung wir zueinander haben, und wir wissen dadurch nun auch, dass das nächste Album persönlicher und viel intensiver werden wird, als alles, was wir zuvor geschrieben haben – was ohne diesen Lockdown wohl alles nicht möglich gewesen wäre. Daher bin ich sehr zuversichtlich, dass wir künftig als Band wirklich tolles Material abliefern werden. Darüber hinaus habe ich auch mehr Zeit für persönliche Projekte, wie meinen Blog, den ich unlängst gestartet habe. Ich möchte mich bei allem nur auf die positiven Dinge konzentrieren und nicht darauf, was mich davon abhalten könnte.

MI: Ich habe letzthin mit Elize Ryd von Amaranthe gesprochen. Sie meinte, dass sie nun mehr Zeit für Alltagsdinge habe, sie sich aber auch erst einmal daran gewöhnen müsse, dass sich ihr Leben entschleunigt habe. Hast du da ähnlich Erfahrungen gemacht?

Clémentine: Nicht mehr auf Tour gehen zu können gibt einem natürlich bis zu einem gewissen Punkt das Gefühl, dass sich das Leben total verlangsamt hat, da das Tourleben halt wirklich extrem hektisch ist. Und für sechs bis acht Monate nicht unterwegs zu sein, ist in der Tat etwas Einzigartiges, das ich seit einigen Jahren so nicht mehr erlebt habe. Zudem gibt es natürlich auch so einiges, das ich mir für dieses Jahr vorgenommen hatte, speziell auch beruflich mit meiner eigenen Firma [Clemi promotet Konzerte in Lyon], und das nun seit Mitte März vollkommen auf Eis liegt. Man bekommt also definitiv das Gefühl, weniger zu tun zu haben – speziell zu Beginn des Lockdowns war das etwas, mit dem man sich erst einmal arrangieren musste. Doch mit der Zeit spürte ich, dass es da noch so einiges zu tun gibt – auch wenn es zum Teil vielleicht eine andere Art von Beschäftigung ist, als ich es mir normalerweise gewohnt bin.

Bei Elize ist das sicher anders, da sie eine hauptberufliche Musikerin ist – was bei mir ja nicht der Fall ist – und dementsprechend unterscheidet sich ihre Lebensweise doch recht stark von der meinen. Aber alles in allem mag ich mein Leben so, wie es sich gerade vor mir entfaltet, auch wenn ich momentan nicht in der Lage bin, das zu tun, was ich am liebsten täte, nämlich live aufzutreten.

MI: Bei eurem tollen, akustisch eingespielten Dankesvideo „Nothing Lasts Forever“ – wie auch in deinem Gespräch mit Fabi Erni – ist ein wunderschönes Tattoo auf der linken Seite deines Halses zu sehen. Wann hast du es dir stechen lassen und was ist die Bedeutung dahinter?

Clémentine: [schmunzelt] Ich habe es mir im letzten Sommer stechen lassen. Zu diesem Zeitpunkt musste ich mir über einige Dinge klar werden, die mir sehr am Herzen lagen, und dieses Tattoo war für mich ein Weg um mir klar zu werden, was in meinem Leben zählt und was nicht. Es steht für ganz verschiedene Dinge – zuallererst für die Natur… die Tatsache, dass sie so wunderschön aber gleichzeitig auch so zerbrechlich ist – dass wir alles als selbstverständlich hinnehmen – diesen Aspekt des Menschseins ist etwas, das ich total bedaure. Dann, dass es sich dabei um einen Vogel handelt, den ich von Zeit zu Zeit im Garten meiner Mutter beobachten konnte. Es handelt sich dabei um eine Blaumeise, die viel kleiner ist als andere Vögel derselben Art. Meisen mit einem schwarzen Kopf sind grösser, aber dieser kleine Kerl mit seinem blauen Kopf hatte den Mut, mit den grösseren um die Samen zu kämpfen, um für sein Nester zu sorgen – das hat mir enorm imponiert. Ich empfand es als ungemein spannend, wie diese vermeintliche Schwäche nur in meiner eigenen Wahrnehmung existierte – und dass, wenn du dich vielleicht klein und unbedeutend fühlen magst, in Wirklichkeit stark sein kannst. Es ist alles eine Frage der Wahrnehmung, und es zeigt auch, wie viel Mut und Selbstverständnis in der Natur verborgen liegt. Das alles wollte ich mit diesem Tattoo zum Ausdruck bringen.

MI: Kommen wir nun aber auf euer wirklich tolles Live-Album „A Symphonic Journey To Remember“ zu sprechen. Das ganze klingt unglaublich perfekt, was insbesondere auch auf deine Stimme zutrifft! Wie viel habt ihr da noch nachbearbeitet – und wie schaffst du es generell, live deine Stimme dermassen exzellent zu kontrollieren?

Clémentine: Das waren jetzt einige Fragen aufs Mal. (lacht) Zur ersten: Ja, wir haben den Sound ein wenig nachbearbeitet, insbesondere was die Orchesteraufnahmen anbelangt. Wenn eine über die Jahre zusammengewachsene Einheit mit einer Band auftritt, die es gewohnt ist, auf den Takt des Schlagzeuges zu reagieren, ist es nicht einfach, stets das richtige Timing zu finden. Ein klassisches Ensemble folgt stets einer strikten Tempovorgabe, aber auch da kann es zu kleinen Abweichungen kommen, wir hingegen spielen auf „Klick“ – daher ist das Ganze nicht so punktgenau wie bei einer Maschine, es immer wieder zu diesen fliessenden Momenten, in denen Band und Orchester nicht mehr exakt im Takt sind – es ist ein wenig so, wie wenn man Wasser und Öl zusammengiesst. Deswegen haben wir da ein wenig nachgebessert. Zudem wurde das Ganze nochmals neu abgemischt, so dass man wirklich alle Beteiligten hören kann. Aber insgesamt haben wir bei der Postproduktion alles möglichst authentisch belassen. Schliesslich sollen die Leute spüren, dass es sich um eine Live-Show handelt und nicht um eine Studio-Performance – und ich denke, das ist uns soweit ganz gut gelungen.

Und zum zweiten Teil deiner Frage: Ja, ich habe eine klassische Gesangsausbildung durchlaufen. Ich habe ein sehr intensives Jahr in einer speziellen Klasse für Jugendliche in Lyon absolviert, in der ich meine gesamte Grundtechnik betreffend klassischen Gesangs erlernt habe, die ich bis heute anwende. Zudem hatte ich eine Zeit lang Privatunterricht und habe auch in klassischen Chören mitgesungen. Denn der Anspruch an mich selbst ist, – sei es auf der Bühne wie auch im Studio – stets mein Bestes geben zu können. Deshalb lege ich grossen Wert auf die Art und Weise, wie ich etwas singe.

MI: Michele ist in meinen Augen ein grossartiger Sänger, der dem Sound von Visions Of Atlantis zusätzliche Dynamik, zusätzliche Tiefe verleiht. Was magst du besonders an ihm?

Clémentine: Er ist definitiv ein sehr guter Sänger und eine unglaubliche Persönlichkeit! Je besser ich ihn kennen lerne, umso mehr mag ich ihn. (lacht) Er wurde in kürzester Zeit zu einem meiner besten Freunde. Er bringt so viel positive Energie in die Band, so viel Frische, Dynamik – er hat eine unglaublich positive Einstellung zu allem. Er ist voller Glanz und Licht und Feuer (lacht). Früher war es so, dass lediglich Tom [Caser] und ich darüber diskutiert haben, wie wir die Band vorwärtsbringen könnten, und nun ist da eine dritte Person, die sich voll und ganz für Visions Of Atlantis engagiert. Michele möchte genau wie wir, dass wir uns kontinuierlich verbessern und weiterentwickeln. Sein Beitrag am Ganzen ist wirklich enorm gross, und er hat die Band durch seine Art verändert.

MI: „A Symphonic Journey To Remember“ wurde ja Mitte Juli 2019 am Bang Your Head!!! Festival aufgenommen – euer letztes Studiowerk „Wanderers“ ist erst sechs Wochen danach erschienen. Kannst du dich noch erinnern, wie das Publikum auf die damals doch noch neuen Songs reagiert hat?

Clémentine: Oh ja (lacht) Wir waren uns bewusst, dass wir ein gewisses Risiko eingehen, wenn wir eine DVD mit zum Teil noch total neuen Songs aufnehmen – es hat Lieder darunter, die wir in Balingen zum allerersten Mal überhaupt gespielt haben! (lacht) Aber zum Glück hat es funktioniert. Bei dieser Show standen echte Hardcore-Fans in den ersten Reihen, so dass das Ganze auch ein gewaltiger Test für unser neues Material war. Wenn du deine treuesten Fans beobachten kannst, wie sie sich die neuen Tracks zum ersten Mal anhören, dann bist du instinktiv etwas nervös und besorgt, ob es ihnen wohl gefallen wird. Aber die Reaktionen, der gewaltige Applaus am Ende jedes Liedes waren überwältigend. Nach dem Auftritt hatten wir dann noch die Gelegenheit, mit einigen von ihnen zu sprechen – auch da war das Feedback wirklich grossartig. Dass sie es gar nicht erwarten könnten, die Songs nochmals zu hören, da sie beim ersten Mal nicht alles mitbekommen hätten, ihnen der Sound aber sehr gefallen habe und sie sich nun auf das Erscheinen des Albums freuen würden. Ich denke, das Ganze war ein voller Erfolg, auch dank der Begleitung durch das Orchester – und natürlich die Pyroeffekte (lacht).

MI: War die Veröffentlichung dieses Live-Mitschnitts von Anfang an für 2020 geplant, oder ist die DVD quasi ein „Kind“ von Corona?

Clémentine: Als feststand, dass wir mit einem Orchester zusammenspielen würden, stand für uns fest, dass wir die Show aufzeichnen werden. Das war etwas, das die Band in ihrem ganzen 20-jährigen Bestehen nie zuvor gemacht hatte. Unsere Hoffnung war, dass das Material einerseits gut genug sein würde, um Werbung für die kommende Tournee zu machen, andererseits aber auch mit dem Hintergedanken, dass andere Festivals uns zusammen mit einem Orchester buchen würden, weshalb wir dann auch wirklich die ganze Show mitschnitten.

Und als der grosse Tag dann immer näher rückte und ein Puzzleteil nach dem anderen an seinen Platz fiel, begannen wir darüber zu diskutieren, dass, wenn das Ganze funktionieren und erst noch toll aussehen würde, wir die Aufnahmen nicht nur für einen Video-Clip verwenden, sondern daraus vielleicht  sogar eine DVD oder eine Blu-ray machen könnten.

Die ganze Idee hat sich nach und nach entwickelt, da wir zuerst sicherstellen mussten, dass das Material gut genug ist. Wir erhielten dann einen fertig abgemischten Songs zur Begutachtung, und erst da waren wir uns sicher, dass die Qualität stimmte. Das alles erfolgte zu Beginn des Jahres, noch vor Corona und war demzufolge keine Reaktion auf die Krise.

MI: Gibt es retroperspektivisch betrachtet Dinge, die ihr generell – oder gerade auch im Zusammenspiel mit einem Orchester – ändern würdet?

Clémentine: Ich versuche es zu vermeiden, so zu denken, da es nur Reue hervorruft, wo Bedauern sinnlos ist. Wir haben die Aufnahme gemacht und ich möchte nichts von dem ändern, das wir geleistet haben. Was ich aber mit Sicherheit weiss ist, dass wenn wir eine weitere Live-DVD machen, ich mir einen grösseren Veranstaltungsort wünschen würde, mehr Zeit, um alles vorzubereiten, mehr Requisiten, mehr visuelle Elemente. Ich würde gerne noch viel mehr ins Detail gehen. Das ist leider etwas, wozu wir nicht die Möglichkeit hatten – wir sind keine Band, die drei Monate an einem Ort auf so einen speziellen Event hin proben kann, dazu fehlen uns noch Zeit und Mittel. Gerade deswegen bin ich mit dem Resultat so zufrieden, speziell auch mit Blick auf das Budget, das uns zur Verfügung stand. Also nein, ich würde nichts ändern.

MI: Entsprechend freue ich mich jetzt sehr darauf, dann nach unserem Interview die gesamte DVD anzuschauen – die der Postbote exakt 75 Minuten vor dem Beginn unseres Interviews bei mir abgeliefert hat (lacht). Hast du Lieblingssongs, die du live besonders gerne singst, oder liegen dir alle gleichermassen am Herzen?

Clémentine: Ich mag nicht alles Songs gleich stark, die wir in unserem Repertoire haben – natürlich habe ich meine Favoriten, die meistens von unserem letzten Album „Wanderers“ stammen. Ich fühle mich vom künstlerischen Standpunkt aus betrachtet mit dem Material, bei dem ich persönlich intensiv am Songwriting beteiligt war, stärker verbunden – so geniesse ich jeden Track von „Wanderers“ enorm. Ich spiele auch gerne Lieder von unseren früheren Alben, aber sie berühren mich emotional nicht so sehr, sie erzielen nicht dieselbe tiefgreifende Wirkung. Auf „Wanderers“ selbst bezogen fällt es mir dann aber unglaublich schwer, mich da für den einen oder anderen Song zu entscheiden – ich liebe es, verschiedene Lieder mit komplett unterschiedlichen Stimmungen zu spielen. Ich mag die Energie in „Journey To Remember“, ich liebe die Intimität bei „Wanderers“, ebenso wie das Epische an „Release My Symphony“ – und was ich an dieser Band so enorm mag ist die Fähigkeit, von einer Gefühlslage zur nächsten umzuschalten.  Wir decken ein sehr breites Spektrum an Emotionen ab, und ich denke, etwas würde fehlen, wenn wir diese Nuancen nicht zulassen würden. Wenn wir nur Power Metal spielen würden, so würde ich die Melancholie vermissen, wie ich im umgekehrten Fall der fehlenden Energie nachtrauern würde. (lacht) Ich denke, es ist diese Balance, die unsere Stärke ausmacht.

MI: Um von Emotionen zu sprechen: Du hast auf Facebook zum Livemitschnitt von Wanderers folgendes Statement abgegeben: „Ich habe diesen Song eines Abends geschrieben, als ich vom Gefühl überwältigt wurde herauszufinden, was in meinem Leben fehlt“. Konntest du dieses Rätsel in der Zwischenzeit lösen?

Clémentine: Ja… In diesem Lied geht es darum, seine Heimat zu finden. Ich dachte, Heimat sei etwas, das irgendwo da draussen gefunden werden könne… eine bestimmte Person, ein spezieller Ort… Aber das stimmt nicht. Die Heimat ist in dir selbst. Es geht darum, wie du dein Leben lebst, in deinem Körper, in deinem Geist – es ist nicht von irgendetwas abhängig, das ausserhalb meiner Person zu finden ist.

MI: Dann gibt es noch ein Video, in welchem du über deine Bühnenoutfits sprichst (zum Video) und in dem auch eine süsse Katze zu sehen ist. Zuerst dachte ich, du hättest – wie in unserem letzten Gespräch erwähnt – nun doch eine Katze aus einem Tierheim geholt, die nun in deiner Wohnung in Lyon lebt. Aber wenn ich das bisher Gesagte richtig einordne, so ist das wohl eher im Haus deiner Mutter, oder?

Clémentine: Es wurde im Haus meiner Mutter aufgenommen, ja (lächelt). Es ist eine Katze, die eines Morgens einfach so in unserem Haus aufgetaucht ist – das muss jetzt so um die sieben Jahre her sein. Wir haben damals die Tür zu unserem Keller geöffnet und da stand dieses süsse, vielleicht gerade mal acht Monate alte Kätzchen. Wir haben ihm dann Wasser und etwas zu Essen gegeben und alle Türen weit offenstehen lassen. Es war ein schöner Tag respektive eine schöne Woche, und er lief überall herum. Wir wussten nicht, wo er hergekommen ist oder ob er jemandem gehört, da er weder ein Halsband noch sonst etwas hatte, anhand dessen wie dies hätten klären können.

Einige Tage später haben wir diese Tür dann erneut aufgemacht und da lag er wieder, dieses Mal auf einem Kissen und machte ein Nickerchen. Wir haben uns dann entschieden, ihn ins Haus zu nehmen und von diesem Tag an ist er nie mehr weggegangen.

MI: Habt ihr ihm oder ihr einen Namen gegeben?

Clémentine: Es ist ein Er und er heisst Zazou.

MI: Wenn wir gerade über Katzen sprechen – Wie geht es mit dem Zeichnen voran? Deine erste selbst gezeichnete Katze schaut schon mal sehr gut aus (zu finden beim Facebook-Account von Clémentine)!

Clémentine: Danke vielmals! Ende letzten Jahres verspürte ich einen starken Wunsch, etwas mit Aquarellen zu machen. Ich kann dir nicht wirklich sagen, wieso das so war. Ich habe dies meiner Mutter erzählt, und sie kaufte mir dann zu Weihnachten einen Satz Wasserfarben. Damals fehlte mir aber irgendwie die Zeit, um mich darauf einzulassen – im Januar war ich auf die Vorbereitungen fokussiert, mit Tarja zu spielen, anschliessend folgte unsere Headlinertour durch Europa sowie die schlussendlich ja dann abgebrochene US-Tournee mit Dragonforce in den USA… Danach kam der Lockdown, und da fand ich dann endlich die Zeit und Energie, um damit zu beginnen. (lacht) Ich habe beinahe jede Nacht gemalt – ich liebe es sehr und ich wünschte, ich könnte mehr Zeit dafür erübrigen und sehen, wie sich das entwickelt. Als ich dieses Katzenbild gepostet habe, haben mir einige Leute gesagt, dass sie sich sehr freuen würden, wenn ich auch ein Bild von ihrer Katze malen würde… Ich so: „Oh mein Gott, verwandle ich mich jetzt in eine Wasserfarbenkatzenmalerin“? (lacht herzhaft) Das war niedlich.

MI: Du scheinst künstlerisch sehr veranlagt zu sein – so entwirfst du ja auch deine Stage-Outfits selbst. Gibt es etwas, das du noch nicht so gut kannst, aber unbedingt einmal erlernen möchtest – mal abgesehen vom Malen?

Clémentine: Nun, ich spiele nebst Klavier kein anderes Instrument, aber Geige oder Hang – dieses runde Schlaginstrument, mit dem man Melodien spielen kann [und das auch Anna Murphy von Cellar Darling cool findet, siehe Interview] – würden mich sehr reizen. Als ich jünger war, wollte ich Harfe spielen lernen… Wie auch Gitarre… entweder ich brächte es mir selbst bei oder ich müsste Unterricht nehmen. Aber die Wahrheit ist, dass man irgendwann Prioritäten setzen muss, wenn man wirklich Ergebnisse erzielen will. Ich möchte nicht zu viele Aktivitäten aufs Mal starten, weil ich ehrlich gesagt eigentlich alle Instrumente spielen möchte, die es gibt. (lacht) Also schön einen Schritt nach dem anderen.

MI: Du schreibst in deinem Blog, dass du deine Erfahrungen – wie auch die von weiteren Künstlern – mit anderen teilen möchtest. Machen wir diesbezüglich doch ein kleines Gedankenspiel: Wenn du die Möglichkeit hättest, 10 Jahre in der Zeit zurück zu reisen, welchen Ratschlag würdest du deinem jüngeren Ich geben?

Clémentine: Ich würde meinem jüngeren Ich raten, ihren eigenen Weg, ihre eigene Stimme und ihre eigenen musikalischen Farben zu suchen, anstatt etwas zu imitieren, das andere zuvor bereits getan haben. Das ist etwas, das ich in meiner musikalischen Karriere in den nächsten Jahren korrigieren möchte. Zudem würde ich meinem jüngeren Ich Entschlossenheit und Kraft mit auf den Weg geben, um genau die Musik zu machen, die sie liebt und die ihr entspricht. Was nun nicht heissen soll, dass ich irgendetwas von dem, was ich bisher erleben durfte, missen möchte. Ich habe die Chance erhalten, mit tollen Bands zu spielen – ich liebe alles, was ich bisher getan habe, aber ich denke auch, dass ich mich nicht früh genug für meine eigene Kunst eingelassen habe.

MI: Du hast vorhin erwähnt, dass ihr bereits neue Songs für das nächste Album geschrieben habt. Kannst du uns schon ein bisschen verraten, wie es klingen wird, in welche Richtung sich Visions Of Atlantis bewegen werden? Hatte Corona Einfluss darauf, wie ihr während des Songwritings zusammengearbeitet habt?

Clémentine: Ja – dank dieser ganzen Corona-Sache haben Michele und ich wie bereits erwähnt entdeckt, dass wir musikalisch aussergewöhnlich gut harmonieren. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich ohne die Pandemie nach Italien gegangen wäre, um dort an neuen Songs zu arbeiten – normalerweise hätte uns beiden wahrscheinlich die Zeit für sowas gefehlt. Das neue Album wird definitiv eine andere musikalische Ausrichtung haben, allein schon der Tatsache wegen, dass Michele und ich den Grossteil des Songwritings zusammen erledigt haben, was zuvor ja nicht der Fall war. Dementsprechend wird es sich auch vom bisherigen VoA-Sound unterscheiden. Ich kann dir nur so viel verraten, dass wir versucht haben, Songs zu schreiben, die persönlicher sind, intensiver, epischer, mehr Metal… Wir haben sprichwörtlich versucht, überall den „More“ – Button zu drücken (lacht).

MI: Klingt sehr spannend! Gibt es auch die Chance auf ein neues Album von Exit Eden, wo du ja auch massgebend daran beteiligt bist?

Clémentine: Ja, definitiv. Wir möchten mit der Produktion im April nächsten Jahres beginnen – so sieht zumindest unser aktueller Zeitplan aus. Es kann sein, dass es gewisse Änderungen im Line-Up geben wird; das ist etwas, das wir gerade diskutieren. Viel mehr kann ich dazu leider noch nicht sagen; ausser, dass wir nach wie vor Covers machen – sowie uns vielleicht auch an eigenen Songs versuchen – werden. Es dürfte also irgendwie ein wenig anders daherkommen als bisher. Hingegen werden wir diesen bombastischen Ansatz, die Verschmelzung von Pop und Metal beibehalten. Da bleiben wir uns sicher treu!

MI: Klingt ganz danach, dass 2021 ein tolles Jahr werden wird! Die dreissig Minuten sind leider beinahe um. Letzte Frage für heute: Was können die Fans in der aktuellen Situation tun, um ihre Lieblingsband zu unterstützen? Und nicht nur diese, sondern vielleicht auch die nicht so offensichtlichen Puzzleteile wie Roadies usw.?

Clémentine: Wir haben gerade eben unsere DVD/Blu-ray „A Symphonic Journey To Remember“ veröffentlich, und so wäre ein Kauf natürlich ein grossartiges Zeichen der Unterstützung – was natürlich auch älteres Material von uns miteinschliesst. Oder auf den Sozialen Medien aktiv zu sein, uns zu folgen, Likes oder Kommentare zu schenken – uns einfach zu zeigen, dass es euch noch gibt, auch wenn momentan so gut wie nichts läuft… Das alles hilft uns sehr, auf Kurs zu bleiben und zu spüren, dass wir noch immer eine Band sind, wir doch noch Wind in den Segeln haben. (lacht) Denn ohne Publikum sind wir nichts.

Und was unsere Crew anbelangt – das ist eine sehr liebe Frage von dir! Sie mussten sich andere Beschäftigungen suchen, um ihren Unterhalt bestreiten zu können. Sie sind ja nicht direkt bei uns angestellt, das heisst, wenn es keine Shows gibt, dann… Alles, was ich dazu sagen kann, ist, dass je mehr ihr uns unterstützt, es umso wahrscheinlicher ist, dass wir wieder auf Tour gehen und unsere Crew mit an Bord nehmen können. Aber eine Lösung fällt mir hierzu momentan leider auch nicht ein…

MI: Clémentine, ganz herzlichen Dank für dieses wiederum interessante und sehr persönliche Interview!

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Video Visions Of Atlantis – Wanderers

15.11.2020
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