Das rockige Pendant zur Balladen-Compilation
Eigentlich müsste man eine Band wie Magnum nicht näher vorstellen, wenn man bedenkt, dass diese Combo seit 1972 im Geschäft ist und seither 21 Studioalben und in etwa genauso viele Live- und Compilationsalben zu verzeichnen hat. Dennoch sind die konstant fleissigen Briten kaum über die Grenzen ihrer treuen Fangemeinde hinaus bekannt.
Woran das liegt? Schwer zu erklären. An der Qualität ihres eigenwilligen und trotzdem wiedererkennbaren Sounds kann es jedenfalls nicht liegen. Auf der anderen Seite waren, sind und bleiben Magnum genau deswegen eine der wertvollsten Kultbands im Rocksektor der 80er.
Mit «Dance Of The Black Tattoo» wollen Magnum am Erfolg ihrer Balladen-Compilation «The Valley Of Tears – The Ballads» (2017) anknüpfen und betonen damit, nach eigenen Angaben, die rockige und vitale Seite ihres fantasyträchtigen Melodic Rock. Tatsächlich lassen sich Magnum musikalisch nicht wirklich in eine Schublade stecken, da sie genauso balladesk und märchenhaft verträumt, schwermütig und melancholisch wie auch wuchtig und episch zu Werke gehen. Und genau diese Mischung macht die Faszination dieser Band um Gitarrist und Mastermind Tony Clarkin und Goldkehle Bob Catley (u.a. Avantasia) aus: Kompositionen, die an Poesie ihresgleichen suchen, und Songs, die mitunter genauso gut als einzelne Rockopernstücke stehen könnten. Deshalb stellt sich die berechtigte Frage, aus welchem Grund man diese Mischung in eine balladeske und rockige Seite unterteilt und daraus zwei Alben macht. Und weiter noch: Ist das wirklich die angekündigt härtere Seite von Magnum? Ein Blick auf die Trackliste verleitet da schon zum ersten Naserümpfen. Aber schön der Reihe nach …
«Dance Of The Black Tattoo» ist eine Zusammenstellung von Liveversionen, Neuaufnahmen und editierten Versionen – teils bekanntes, aber auch übersehenes Material – das hauptsächlich die letzten 10 Schaffensjahre berücksichtigt. Einzig die Liveversion von ‹On A Storyteller’s Night› aus dem gleichnamigen Albumklassiker von 1985 und das neu aufgenommene ‹Born To Be King› von «Goodnight L.A.» (1990) bilden da eine Ausnahme. Die Logik dahinter und der Zusammenhang zum restlichen Konzept des Albums bleibt allerdings aus. Denn folglich würde das aussagen, dass diese beiden Stücke das Fetteste sind, was in jüngeren Jahren gezockt wurde. Es kommt also schleichend die Vermutung auf, dass das Album eventuell den falschen Anspruch hat.
Wohlverstanden, für den langjährigen Fan ist beinahe vergessenes Bonusmaterial wie ‹Phantom Of The Paradise Circus› oder ‹No God Or Saviour› pures Gold. Auch die Liveversionen von ‹Black Skies› und ‹Freedom Day› aus «The Visitation» (2011) wissen zu überzeugen. Was sich einem dann aber jeglicher Logik entzieht, sind die Radioversionen von ‹Show Me Your Hands›, ‹Not Forgiven›, ‹Madman Or Messiah› und vor allem von ‹On Christmas Day›. Ernsthaft, für wen sind denn diese gedacht? Der Fan bevorzugt ohne mit der Wimper zu zucken das Original und keine beschnittenen Versionen. Liebäugelt man hingegen mit dem neu gewonnen Zuhörer, so sind wir wieder am Anfang: ist das wirklich die rockige Seite von Magnum? Mit Verlaub, da gäbe es allein aus der Zeit zwischen 2011 und 2020 mindestens eine Handvoll Kracher, die besser zu diesem vermarkteten Konzept passen würden: ‹All The Dreamers›, ‹Blood Red Laughter›, ‹See How They Fall›, ‹Live Til You Die›, ‹Burning River›, ‹Lost On The Road To Eternity›, ‹Where Are You Eden›, ‹You Can’t Run Faster Than Bullets› … Soll ich fortfahren?
Das Fanzit Magnum – Dance Of The Black Tattoo
Ironischerweise passt diese Compilation zu Magnum – sie ist weder Fisch noch Vogel. Wer genau soll angesprochen sein? Für den langjährigen Fan gibt’s kaum erwerbenswert Neues. Für den Sammler wäre allenfalls das beeindruckend atmosphärische Cover-Artwork zu erwähnen, das vor allem in der Vinylversion einen künstlerischen Mehrwert bietet. Hingegen als Einsteigeralbum für neue Fans würde ich von «Dance Of The Black Tattoo» absehen und stattdessen eines ihrer letzten beiden Alben («Lost On The Road To Eternity» oder «The Serpent Rings») in Erwägung ziehen. Man würde es bestimmt weniger bereuen als diese inkohärente Zusammenstellung.
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Trackliste Magnum – Dance Of The Black Tattoo
- Black Skies (live)
- Freedom Day (live)
- All My Bridges (live)
- On A Storyteller’s Night (live)
- Dance Of The Black Tattoo (live)
- On Christmas Day (radio edit)
- Born To Be King
- Phantom Of Paradise Circus
- No God Or Saviour
- Your Dreams Won’t Die (live)
- Twelve Men Wise And Just (live)
- Show Me Your Hands (radio edit)
- Not Forgiven (radio edit)
- Madman or Messiah (radio edit)
Line-Up Magnum
- Tony Clarkin – Guitar
- Bob Catley – Vocals
- Rick Benton – Keyboards
- Dennis Ward – Bass
- Lee Morris – Drums