Die Überraschung aus dem Eis
Wir schreiben das Ende des Jahres 2020. Die Heavy Metal-Veteranen von Glacier – immerhin 1979 gegründet – veröffentlichen ihr neuestes Album, das von einem Teil der Metalszene sehnlich erwartet wird. So weit so normal, was die Schlagzeile betrifft. Aber The Passing Of Time ist nicht irgendein Album in der Diskografie von Glacier. Es ist ihr Debutalbum.
Hat ja nur schlappe 41 Jahre gedauert, bis es so weit war. Immerhin gab es in den achtziger Jahren mal noch eine EP, bevor sich die Band 1990 aufgelöst hatte. Es war schliesslich Sänger Michael Podrybau, der vor rund drei Jahren gemeinsam mit einer neuen Besetzung den Defibrillator hervorholte und Glacier wieder mit Strom versorgte. Und was für eine Ladung das gewesen sein muss. Denn The Passing of Time entpuppt sich als waschechter Überraschungshit. Wir sprechen hier von einer Mischung aus Heavy und Power Metal, deren Umsetzung der Band aus den Vereinigten Staaten mehr als gelungen ist. Michaels melodiöse Stimme gesellt sich zu kraftvollen Riffs und wird umrahmt von harmonischen Leadgitarren, die unmittelbar ins Ohr gehen. Das Schlagzeug weiss mit treibendem Takt und abwechslungsreichen Fills zu punkten. Das Tüpfelchen auf dem i sind dann schliesslich die Gitarrensoli, die gleichzeitig spielerische Virtuosität durchscheinen lassen und sich eine lobenswerte Eingängigkeit bewahren. So entsteht ein kurzweiliges Album voller starker Songs, gespielt mit hörbar viel Freude und Energie. Und obwohl die Songs alle aus einem Guss daherkommen, besitzt jeder von ihnen eine eigene Identität, die ihn sofort erkennbar macht. Da gibt es das Melodiemonster „Eldest and Truest“, die Halbballade „Sands of Time“ oder die zum Mitsingen anregenden Hymnen „Valor“ und „Infidel“. Die Lyrics halten dabei, was das Coverartwork verspricht (das Coverartwork hält auch, was es verspricht) und führen dazu, dass der Genuss des Albums vor dem inneren Auge Bilder vorüberziehen lässt sowohl von der Suche nach dem Artefakt des Hexenmeisters als auch von der Motorradfahrt über den nächtlichen Highway.
Wenn wir schon das Booklet offen haben für die Lyrics, können wir uns auch gleich noch den Songwritingcredits zuwenden. Diese sind insofern interessant, als dass „Live for the Whip“ sowie das bereits erwähnte „Sands of Time“ von Mitgliedern aus Glaciers Zeit in den achtziger Jahren stammen, was die Vermutung nahelegt, dass es sich dabei um unveröffentlichte Lieder von früher handelt. Ohne den Blick ins Booklet, fällt das aber überhaupt nicht auf. Die beiden Songs fügen sich nahtlos in das Gesamtwerk mit den neuen Kompositionen ein.
Unterstützt wird die Musik von einer erstklassigen Produktion. Nach Ecken, Kanten und kratzigem Charme sucht man vergebens, ist der Klang doch der musikalischen Ausrichtung entsprechend klar und sauber. Dennoch wirkt The Passing of Time zu keiner Zeit steril oder leblos. Im Gegenteil, der verwendete Hall gibt der Musik Volumen und lässt ein schönes Raumgefühl aufkommen, während die warmen Bassfrequenzen ein wohliges Gefühl im Magen erzeugen, ohne dabei die restlichen Teile zu begraben.
Das Fanzit zu Glacier – The Passing Of Time
Mit The Passing Of Time haben Glacier Ende letzten Jahres einen echten Überraschungshit gelandet. Das Album strotzt vor Spielfreude, die sich in frisch und unverbraucht klingenden Songs niederschlägt. Die der Musik angemessene Produktion sorgt dafür, dass die Kompositionen richtig zur Geltung kommen. Damit bleibt mir gar nichts anderes übrig als eine Hörempfehlung in 9 Punkten abzugeben.
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