Lettlands musikalische Axtschwinger
Auf die lettische Kapelle Varang Nord bin ich vor zwei Jahren am legendären Wacken Open Air gestossen. Es lohnt sich wirklich, bei den Festivals die eigene Aufmerksamkeit zwischendurch auf die kleineren Bühnen zu lenken. Die Equipe hat damals sogar den Metal Battle-Wettbewerb gewonnen – Hut ab!
Für 2021 richtet sich der Fokus auf das vierte Studioalbum «Pārķiuņa Uomurs», welches am 23. Februar via Sliptrick Records erscheinen wird. Unsere Lauscher dürfen sich auf ein Gemisch aus Folk, Pagan und Viking Metal freuen. Für die Song-Texte setzen die Akteure auf die Lettgallische Sprache (ein ostlettischer Dialekt). Erwartet aufgrund dessen allerdings bloss keine grossartigen Übersetzungsleistungen, denn das übersteigt bedauerlicherweise meine linguistischen Fähigkeiten. Den Göttern sei Dank können diesbezüglich ab und zu die Promo-Unterlagen Unterstützung bieten. Darin ist zu lesen, dass der Plattentitel irgendetwas mit dem Hammer des Donners zu tun hat. Das Ganze könnte also in mythologische Gefilde – sprich zu Thor und Konsorten – abdriften.
Das Album – «Pārķiuņa Uomurs»
Zum Zwecke des Spannungsaufbaus platziert das Sextett das Intro «Pi Tuoļim Krostym» in der vordersten Gefechtsreihe. Zu hören sind prasselnder Regen und Kampflärm. Des Weiteren erschallen gelegentlich Wikingerhörner und Donnergrollen. Eine dramatische Einleitung, welche schliesslich direkt in «Stuojīs!» mündet. Peitschende Drum-Schläge von Aigars Zeiza läuten den metallischen Part ein. Der Nackenfitnessrhythmus stimmt! Dank Jelena Kalnišas Akkordeonspiel erhält das Stück zusätzliche Farbe. Der Gesang ist mehrstimmig gehalten, wobei am Ende schon die Growls aus der Kehle von Maksims «Wolf» Popovs dominieren. Solider Auftakt, der fraglos Lust auf Axtscharmützel macht. Das «Nordmannentum» leben die Letten übrigens auch im Rahmen ihrer Live-Darbietungen aus – und zwar vom Scheitel bis zur Sohle (Outfits und Dekorationen lassen grüssen).
Ich bin stets dankbar dafür, dass Bands unter ihren YouTube-Videos die Inhalte eines Liedes oftmals kurz erläutern. Deswegen kann ich euch nun verkünden, dass «Cīņis Gors» als Hymne für das Leben eines nordischen Kriegers zu verstehen ist. Ein Dasein geprägt von langen Reisen auf See, Eroberungen und blutigen Auseinandersetzungen. Ein epischer Ansatz à la Ensiferum ist definitiv erkennbar. Man fühlt sich effektiv wie ein Rudermann auf einem Wikingerboot, welches der grossen Ungewissheit entgegenbraust. Anschliessend entlädt sich beim Titel-Track («Pārķiuņa Uomurs») die geballte Wucht der Schlacht. Passend dazu wird jetzt ebenfalls das Tempo angekurbelt. Bitte mehr von diesen mitreissenden Krachern! Ideal für Headbanger und Befürworter von wilden Pits. Darauf können Varang Nord diskussionslos aufbauen. Das bringt obendrein ein bisschen Abwechslung im Vergleich zu den vorangegangenen Kompositionen.
«Dzeļža Ryuda» erweckt zuerst einen gemächlichen Eindruck, aber danach nimmt der Härtegrad fortan zu. Dafür verantwortlich sind hauptsächlich die Riffs von Maksims und Javgenijs Selivanovs. Das Stück wirkt trotzdem mit der Zeit bedauerlicherweise irgendwie in die Länge gezogen und fesselt den Zuhörer deshalb nicht von A bis Z. Eventuell lässt auch die Faszination für die Akkordeonklänge erstmals nach. Das darauffolgende «Svietņeica» wirkt hingegen wieder deutlich reizvoller. Dem weiblichen Gesang wird hier besonders viel Platz eingeräumt. Die gute Jelena macht einen ansprechenden Job. Parallelen zu Arkona oder Kivimetsän Druidi sind durchaus naheliegend. Im dazugehörigen Videoclip erhält man zudem einen brauchbaren Eindruck von den wunderschönen, bewaldeten Landschaften des Heimatlandes der Truppe. All das harmoniert hervorragend mit diesen Melodien.
Das von Varang Nord zusammengebraute Stilgemisch kommt während «Uperiešona» meines Erachtens bestens zur Geltung. Kurz nach dem Mittelteil folgt ein interessanter Abschnitt, welche die traditionellen Instrumente ins Scheinwerferlicht rückt. Äusserst gelungener Einschub. Solche Lieder machen unmissverständlich klar, welches Potenzial in dieser Band steckt. Tanzbare Rhythmen aus der Finntroll-Ecke bringen die Akteure ebenfalls zustande. Wie? Ihr glaubt mir nicht? Dann müsst ihr euch ohne Wenn und Aber «Syt Pa Seyi» reinziehen. Macht freilich Laune! Apropos Trolle – die erhalten nun bei «Troļļs» gleich nochmals Aufmerksamkeit. Schwingt die Hufe! Wir tanzen eine metallisierte Version der Polka. Party-Stimmung par excellence! Gemeinsam mit «Beer And Vodka» vom 2015er-Silberling «Master Of Forest» dürfte dieser Song live wohl für die intensivsten Eskalationen sorgen.
Das beinahe sechs Minuten dauernde «Karaveiri» ist gemeinsam mit dem kurzen «Ceļš Da Sātai» für den Albumausklang besorgt. Die Musiker mobilisieren ein letztes Mal ihre Kräfte und geben nochmals ordentlich Gas. Da lässt man die eigene Haarpracht gerne erneut durch die Luft wirbeln. Ein geglückter Mix aus Epik und «Hau-drauf»-Situationen. Mit dem anschliessenden Outro, bei welchem Naturgeräusche von einer beruhigenden Akustik-Klampfe begleitet werden, schliesst sich der Kreis. Das kann man ungeniert einfach einmal so wirken lassen. Nach jeder Schlacht sind Momente der Entspannung unabdingbar und essenziell.
Das Fanzit Varang Nord – Pārķiuņa Uomurs
Arkona, Dalriada, Eluveitie, Ensiferum, Leaves’ Eyes oder Týr – es gibt wahrlich einige Kapellen, mit denen der lettische Sechser geneinsam auf Tour gehen könnte. Soundtechnisch würde das exzellent passen. Stimmt – Lettlands populärster Metal-Export Skyforger gehört selbstverständlich ebenfalls noch in diese Aufzählung rein. So viel zu den Zukunftsplänen. Aber wie sieht meine Meinung zu «Pārķiuņa Uomurs» nun aus?
Varang Nord haben zweifelsohne ein ganz gefälliges Werk abgeliefert. Die Vertonung des Wikingerlebens – mit all seinen Höhen und Tiefen – ist ihnen gelungen. Von Schlachthymnen über Reiselieder bis hin zu festlichen Trinkanimationen ist alles vertreten. Die vielversprechenden Ansätze könnten der Equipe eine glorreiche Zukunft bescheren. Völlig aus dem Nichts gewinnt man ja nicht eben mal rasch einen Wacken Metal Battle. Gewisse Nummern hätten allerdings ruhig leicht gekürzt werden können. Zudem hat das Akkordeon zwar eine interessante, aber auch repetitive Ader an sich. In diesem Zusammenhang würde ein bisschen Abwechslung keinesfalls schaden. Sofern diese kleinen Defizite auf künftigen Platten ausgemerzt werden können, steht einem dauerhaften Hörvergnügen nix mehr im Weg.
Empfehlenswerte Hörproben: «Pārķiuņa Uomurs», «Svietņeica», «Uperiešona», «Troļļs»
Tracklist Varang Nord – «Pārķiuņa Uomurs»
- Pi Tuoļim Krostym
- Stuojīs!
- Cīņis Gors
- Pārķiuņa Uomurs
- Dzeļža Ryuda
- Svietņeica
- Uperiešona
- Syt Pa Seyi
- Troļļs
- Karaveiri
- Ceļš Da Sātai
Line Up – Varang Nord
- Maksims «Wolf» Popovs – Gesang/Gitarre
- Jelena Kalniša – Gesang/Akkordeon
- Danila Lopuha – Gesang/Bass
- Javgenijs Selivanovs – Gitarre
- Aigars Zeiza – Drums
- Vjačeslavs Janens – Gesang/Perkussion