Fiat Lux (Que la lumière soit)
Ob’s am Frühling liegt? Zurzeit schiessen neue Metal-Oper-Alben förmlich wie die Krokusse aus dem Boden – und unter uns, nach dem ganzen Pandemiemist sind Streifzüge in mythische, von magischen Gestalten durchzogene Fantasiewelten eine wohlige Abwechslung zum tristen Alltagstrott. Neuester Vertreter dieser Gattung sind Avaland aus Grenoble, Frankreich, welche mit ihrem episch-symphonischen Werk „Theater Of Sorcery“ an den Start gehen.
Geschrieben und komponiert wurde diese symphonische Metal-Oper von Adrien G. Gzagg, einem gerade mal 22 Lenze jungen Sänger und Keyboarder, der sich – inspiriert von heroischer Fantasy, Mythologien und Esoterik – entschied, eine epische Geschichte mit insgesamt 8 unterschiedlichen Charakteren zu erschaffen. Auf seinem Debutwerk schickt uns Adrien denn auch in ein theatereskes Metal-Abenteuer, bei welchem dem junge Zauberer Adam Wilstorm die Rettung das Königreiches – tataa – Avaland anheim fällt. Die Aufgabe dabei ist ebenso simpel wie vertrackt: Das Licht in die Heimat zurückbringen und dabei auf seiner Reise so nebenbei noch lernen, seine mit dem Sturm verbundenen Kräfte zu kontrollieren. Zugegeben, nicht unbedingt bahnbrechend neue Kost, die uns da serviert wird, aber gut und – speziell auch dank der unterschiedlichen Intonierung der diversen Figuren – klanglich reichhaltig in Szene gesetzt.
Fleiss und Hingabe (eurerseits)
Nebst seinen Bandmates Camille Souffron (Bass), Christophe Feutrier (Gitarren), Lucas Martinez (Gitarren) und Léo Mouchonay (Schlagzeug), mit denen er bereits in der Vergangenheit aufgetreten ist, hat Gzagg noch eine illustre Schar an Gastmusikern angeworben, deren Auflistung sich irgendwie wie ein munteres Stelldichein der Metalszene liest: Ralf Scheepers (Primal Fear / Ex-Gamma Ray), Zak Stevens (Ex-Savatage/TSO/Archon Angel), Zaher Zorgati (Myrath), Emmanuelson (Rising Steel), Stéphan Forté (Adagio), Madie (Nightmare / Faith In Agony), um nur einige zu nennen (für das komplette Line-Up bitte nach unten scrollen). Anhand der Gästeliste sowie der Zuweisung der mitwirkenden Charaktere könnt ihr (Achtung Hausaufgabe) mit ein wenig Fleiss und Hingabe denn auch eruieren, welche Figur in welchem Song zu hören ist – viel Spass dabei schon jetzt.
Entsprechend abwechslungsreich und vielseitig präsentiert sich die Langrille denn auch musikalisch. Anders als vielleicht erwartet, stehen bei „Theater Of Sorcery“ jedoch weniger episch-verschnörkelte Arrangements im Vordergrund – nein, das Ganze zielt deutlich in Richtung Power Metal. Bereits bei dem das Album eröffnenden Titelsong stechen zudem die in vielen weiteren Tracks wiederkehrenden Gitarrensoli ins Auge, welche opulenter daher kommen, als man es von solchen Projekten in der Regel gewohnt ist. Ok, der Refrain könnte beim Opener vielleicht noch etwas eingängiger um die Ecke kommen, aber im Grossen und Ganzen macht dieser Einstieg doch schon mal deutlich Lust auf mehr.
Mit „Gypsum Flower“ folgt bereits der längste Track der Scheibe, der mit Elektroklängen sowie einem Stakkato-artigem Saitengewitter einen gehörigen Spannungsbogen aufbaut, der durch die eindringlichen Vocals noch verstärkt wird. Als dramaturgisch interessant erweist sich hier zudem der Wechsel zwischen opernhaften Parts, welche klar auf Storytelling ausgelegt sind, sowie dem mitreissenden Metal-Refrain. In der Mitte des knapp achteinhalbminütigen Werkes kommt obendrein – zum Liedtitel passend – noch richtig Kirmesstimmung auf, nur um gleich wieder von schrillen Gitarrenklängen hinweggefegt zu werden. Die die Melodie mittragenden Streicherklänge, welche das ganze Stück durchziehenden, sind dabei eine weitere interessante Nuance. Allenfalls könnte man kritisch anmerken, dass durch die Länge des Songs der Zuhörerschaft etwas gar viel Konzentration abverlangt wird – speziell, wenn man bedenkt, dass wir uns noch am Beginn der Geschichte befinden, also quasi noch in der Eingewöhnungsphase feststecken. Aber zum Glück ist das Gehörte zu variantenreich, um langweilig oder gar überzogen zu wirken.
Helloween und die galoppierenden Pferde
„Let the Wind Blow“ gibt sich da melodischer, sanfter und wird zudem von einem leicht melancholischen Grundton untermalt. Der schon beinahe etwas poppig wirkende Refrain, gepaart mit dem hervorragenden Zusammenspiel der drei beteiligten Stimmen, verleihen diesem Track eine ganz spezielle Note. Das Intro zum folgenden „Storyteller“ ist von nervösen Riffs geprägt, die allenfalls etwas an Helloween erinnern mögen (Future World oder so). Die Pace wird dabei durchgehend hochgehalten, wobei speziell auch der unerbittlich durch das Schlagzeug vorwärts getriebene Rhythmus hervorsticht. Der gut ins Ohr gehende Refrain fügt sich dabei perfekt ins nach vorne treibenden Gesamtbild mit ein.
Während „Escape To Paradise“ mit weiteren beeindruckenden Gesangsparts aufzuwarten weiss, kommt „Holy Kingdom Of Fools“ frisch und modern rüber und lässt im Kehrreim die wilden Rösser munter aus den Lautsprechern galoppieren – da die Strophen sowie die Bridge eher konventionell gehalten sind, sticht dieser Teil dadurch umso mehr heraus. Das anschliessende „Never Let Me Walk Alone“ startet mit einem fulminanten, schrillen Intro der Saitenfraktion so richtig durch, bevor ein ziemlich krasser Breakdown vorübergehend etwas Ruhe einkehren lässt (und ja, danach wird die Intensität wieder ordentlich angezogen – man soll ja flexibel bleiben). Was mir hier ebenfalls sehr gefällt, ist das stimmliche Zusammenspiel zwischen Madie und Adrien.
Rasante Gitarrenläufe und mitreissende Trommelei
„Deja-Vu“, das sich mit sanften Keyboardklängen anschleicht, entwickelt sich alsbald zu einer soliden Midtempo-Nummer, die vor allem dank der tollen Kombination von Gitarren- und Keyboardklängen zu gefallen vermag. Danach folgt die auch in diesem Genre wohl kaum aus der Setlist wegzudenkenden Power-Ballade des Albums – „I’ll Be Ready For Your Love“. Die sehr eindringlichen Pianoklänge, die sich unterhalb der restlichen Instrumentalisierung hindurchschlängeln, verleihen dem Ganzen eine sehr reizvolle Note. Irgendwie könnte dieser Song auch gut zu einer Scheibe aus den 80er Jahren passen, ohne jedoch hier in irgendeiner Art als Fremdkörper zu erscheinen.
Lied Nummer zehn, „War Of Minds“, lebt von treibenden Gitarrenläufen und mitreissendem Getrommel, ohne sich dabei jedoch im Übermass in den Vordergrund zu drängen. Die bewegend vorgetragenen Vocals würden dabei wohl auch einer Aufnahme von Avantasia zur Ehre gereichen. Vielleicht jetzt nicht der Track mit den eingängigsten Melodien respektive Refrain, aber definitiv nicht minder interessant – und ja, sicher auch der Song mit der grössten Headbang-Attitude. Den fulminanten Abschluss bildet „Rise From The Ashes“, in welchem nochmals sämtliche Charakteren / Stimmen ihr Stelldichein geben. Insbesondere der wohl etwas simpel gestrickte, aber nicht minder vielschichtige, epische Kehrreim laden zum freudigen Mitwippen ein und bilden so einen würdigen Abschluss zu diesem wirklich gelungenen Erstlingswerk.
Aufgenommen wurde „Theater Of Sorcery“ in den KNT Studios, Echirolles (F), der Mix erfolgte durch Caleb Bingham in den Nightmare Sound Studios, das Mastering übernahm Kevin Codfert. Das von Stan W. Decker (der u.a. bereits auch für Blue Oyster Cult, Now or Never oder Dragon Force tätig war) gezeichnete Artwork, welches den mit einer Laterne ausgestatteten Zauberer Adam Wilstorm in einem dunklen, von nächtlichen Kreaturen bevölkerten Wald zeigt, wirkt stimmig und mag irgendwie entfernt an das Cover von Avantasias „Ghostlights“ erinnern (und auf welchem bei „Let the Storm Descend Upon You“ auch gleich noch Licht und Sturm thematisiert werden).
Das Fanzit Avaland – Theater Of Sorcery
„Theater Of Sorcery“ ist mal wieder eine dieser Scheiben, die ein bisschen Anlaufzeit resp. mehrere Durchläufe benötigen, um sich – zumindest bei mir – Gehör zu verschaffen. Was unterm Strich bleibt, ist ein Album, das über weite Strecken vieles richtig macht und durch frischen, sehr gut arrangierten Power-Metal zu punkten vermag. Hier und da hätte vielleicht ein „sich etwas zurücknehmen“ gutgetan, um interessanten Ideen und Ansätzen etwas mehr Raum zur Entfaltung zu gewähren – aber alles in allem macht die Scheibe wirklich Laune.
Avaland (eine Kombination aus „Avalon“ und „Land“) orientieren sich gewiss an Bands wie Avantasia, bedienen sich aber meiner Meinung nach deren Keyelemente nicht im Übermass. Die Songstrukturen kommen recht eigenständig daher, mögen zuweilen aber, wie bereits erwähnt, etwas überladen klingen, da man in gewissen Bereichen wohl zu viel Substanz in die elf Songs packen wollte. Summa summarum bietet „Theater Of Sorcery“ aber genügend Metal-Opera-Stoff in straffer Power-Metal-Ummantelung, um gerade in diesem hart umkämpften Markt bestehen zu können.
Wer Bands wie Avantasia, Ayreon, aber auch Beast In Black, Nightmare oder Sonata Arctica mag, liegt hier sicher nicht verkehrt.
Anspieltipps: Theater Of Sorcery, Let The Wind Blow, Never Let Me Walk Alone, I’ll Be Ready For Your Love, Rise From The Ashes
Trackliste Avaland – Theater Of Sorcery
- Theater Of Sorcery – feat. Emmanuelson
- Gypsum Flower – feat. Scheepers/Emmanuelson/Zorgati
- Let the Wind Blow – feat. Zorgati/Heli/Kanji
- Storyteller – feat. Zak Stevens
- Escape To Paradise – feat. Zorgati/Kanji
- Holy Kingdom Of Fools – feat. Jeff Kanji
- Never Let Me Walk Alone – feat. Madie
- Deja-Vu – feat. Emmanuelson
- I’ll Be Ready For Your Love – feat. Heli Andrea
- War Of Minds – feat. Zorgati/Madie
- Rise From The Ashes – feat. Zorgati/Madie/Stevens/Heli/Kanji/Emmanuelson/Scheepers
Line Up – Avaland
- Adrien G. Gzagg: Composer, Writer, Lead Singer, Keyboards and Orchestrations
- Christophe Feutrier: Guitars
- Lucas Martinez: Guitars
- Camille Souffron: Bass, Double-Bass
- Léo Mouchonay: Drums
Charaktere und Gäste
- Adrien G. Gzagg ist Adam Wilstorm
- Zaher Zorgati (Myrath) ist Adam’s Inner Voice
- Jeff Kanji ist Jacob Reiser, Adam’s Best Friend
- Heli Andrea (Mobius/OLANE) ist Solveig Elweiss, Adam’s Beloved Emmanuelson (Rising Steel/Ellipsis) ist The Master O f Sorcery
- Zak Stevens (Ex-Savatage/TSO/Archon Angel) ist The Storyteller, appearing from the past
- Ralf Scheepers (Primal Fear/ex-Gamma Ray) ist Aloïsius Jestens, King Of Avaland
- Madie (Nightmare/Faith In Agony) ist The Guardian Angel
Gast-Gitarristen
- Ricky Marx (Ex-Pretty Maids/Now Or Never) bei 1. Theater Of Sorcery
- Stephan Forté (Adagio) bei 2. Gypsum Flower
- Ayman Mokdad (Venus Syndrome/Alien Encounters) bei 7. Never Let Me Walk Alone
- Virgile (ex-Rising Steel/Schräpnel) bei 11. Deja-Vu
Chor und Backing-Vocals
- Adrien G. Gzagg
- Christ Feutrier
- Leo Mouchonay
- Emmanuelson
- Jeff Kanji
- Heli Andrea
- Yves Campion (Nightmare)
- Cara (Eltharia)