Kunstvolle Fluss-Geschichten
Wenn man sich mit der metallischen Mucke aus Irland befasst, gibt es um Primordial eigentlich kaum ein Herumkommen. Doch Horizonterweiterungen existieren bekanntermassen in allen Bereichen. Deswegen stellt die hier anstehende Album-Analyse Corr Mhóna aus Cork ins Zentrum.
Die Truppe besteht aus den Gebrüder-Paaren Quinn und Farrow und deckt musikalisch ein ziemliches Potpourri ab. Da werden mal eben einfach Klänge aus den Sektoren Pagan, Doom, Death, Black und Progressive Metal in einen Suppentopf geworfen. Hinzu kommt ausserdem eine Handvoll irische Tradition als besondere Würze. Dieses geschmacklich vielseitige Gebräu soll nun in Form des neusten Silberlings «Abhainn» zur Verfügung gestellt werden. Der Vertrieb läuft über das Label Negre planY. Somit gilt: Augen (beziehungsweise Ohren) auf für den 16. April 2021!
Die Konzeptscheibe widmet sich thematisch den Flüssen Irlands und ihren zwei Kernfunktionen. Einerseits sorgen sie als «Venen der Erde» für Leben und können andererseits aber auch als unberechenbare Naturgewalt für jede Menge Zerstörung verantwortlich sein. Mit der Anwendung der gälischen Sprache möchte die Band zudem ihre Einzigartigkeit untermauern.
Das Album – Corr Mhóna – Abhainn
Der Einstieg erweckt wahrlich den Anschein, als würden die Zuhörer hier den Lebenslauf eines Flusses von A bis Z nachempfinden können. Gestartet wird auf «An Fheoir» mit fallenden Tropfen und vermutlich einer Quelle, aus welcher etwas Neues entspringt. Ein gemächlicher, sphärischer Beginn, der durch Klargesang geprägt ist. Einzig das abrupte Ende wirkt irritierend, aber wahrscheinlich sollte das Ding idealerweise sowieso als eine gigantische «Monster-Hymne» durchgehört werden. «An tSúir» würde die Geschichte nämlich nahtlos fortführen. Nun erhalten ebenfalls die Saitenköniginnen und die Schiessbude ihren Platz im Rampenlicht. Der Dramaturgie-Level steigt konstant. Unser Bächlein mutiert langsam zum Fluss und scheint dabei laufend an Kraft zu gewinnen. Diese Vermutung wird im anschliessenden «An Bhearú» ausgezeichnet bestätigt. Jetzt geht’s wahrlich mitreissend und grob zur Sache! Soundtechnisch würde ich das Schaffen von Corr Mhóna sowieso ganz generell als Verschmelzung von Primordial, Enslaved und Ereb Altor bezeichnen.
Der erste längere Brocken hört auf den Namen «An Laoi» und macht in Sachen Spielzeit exakt eine Punktlandung bei acht Minuten. Dieses Mal driftet der Vierer urplötzlich in schwarzmetallische Gefilde ab – aber nicht ausschliesslich! Die Herrschaften wahren ihren Facettenreichtum und sichern dadurch ihren Kompositionen den Reiz. Für Schnellhörer und durchgehende Knüppel-Fanatiker ist das nix. Hingegen dürften Anhänger komplexerer Geschichten freilich Freude an diesen Klang-Konstrukten haben. Der Black Metal-Schiene halten die Akteure mit «Banda» direkt die Treue. Jedoch schwingt da auch stets eine grosszügige Dosis Atmosphäre mit. Diese Dualität zwischen ruhigeren und krachenden Passagen ist eine äusserst wirkungsvolle «Waffe».
Abermals vermehrt Entspannung erhält die Zuhörerschaft während «Cumar An Dá Uisce». Das wäre eigentlich die Beschallung während eines Wellness-Tages in der Massage, bei einem wohltuenden Bad oder in der Sauna. Wir haben es übrigens mit einer reinen Instrumental-Nummer zu tun. Die erholten Gliedmassen sind beim nachfolgenden «An tSláine» allerdings gleich wieder gefordert, denn die Musiker schrauben nochmals kräftig am Härtegrad. Im mehrstimmigen Gesang sind derweil je länger je mehr gewisse Parallelen zu Heidevolk auszumachen. Orientalische Einflüsse können ab und an ebenfalls beobachtet werden.
«Uaimh» bildet einen weiteren Zwischenstopp auf unserer «Fluss-Reise», bei welchem abermals Durchatmen angesagt ist. Nun ist man wahrlich gerüstet und bereit für die beiden Brocken, welche für das Album-Finale besorgt sind. Den Anfang macht «An tSionainn». Unser Fliessgewässer bahnt sich unaufhaltsam einen Weg in Richtung Meer. Erneut vermögen die Künstler mit viel Abwechslungsreichtum zu punkten. Da wird mal eben rasch die gesamte Stil-Palette abgedeckt. Beeindruckend! Inzwischen habe ich regelrecht Lust, die offenbar traumhafte Natur von Irland zu bereisen und besichtigen. Daran ändert auch das abschliessende «An tSuláin» nix, welches eigentlich ausschliesslich im gemächlichen Bereich unterwegs ist. Das Ziel des Abenteuers ist erreicht: Der weite, majestätische Ozean. Taucht ein und lasst eure Sinne die gesamte Umgebung und Geräuschkulisse aufsaugen!
Das Fanzit Corr Mhóna – Abhainn
Corr Mhóna – was übrigens übersetzt «Reiher» oder ganz penibel gesagt «Das verdrehte Ding aus dem Moor» bedeutet – platzieren mit ihrem zweiten Streich «Abhainn» zweifelsohne ein unübersehbares Ausrufezeichen! Da prallen etliche Klangwelten aufeinander und verschmelzen zu einem atemberaubenden Ganzen. Hörgenuss ist in Tat und Wahrheit garantiert. Ob das Liedgut allerdings auch im Live-Gewand funktionieren und überzeugen kann, ist dann hingegen ein völlig anderes Kapitel. In zusammengepresster Form klappt es freilich hervorragend. Nehmt euch ausreichend Zeit und geniesset die vielseitige Gewässer-Odyssee. Es lohnt sich!
Empfehlenswerte Hörproben: «An Bhearú», «Banda», «An tSionainn»
Tracklist Corr Mhóna – «Abhainn»
- An Fheoir
- An tSúir
- An Bhearú
- An Laoi
- Banda
- Cumar An Dá Uisce
- An tSláine
- Uaimh
- An tSionainn
- An tSuláin
Line Up – Corr Mhóna
- Paul Quinn – Gitarre/Gesang
- Stephen Quinn – Bass/Gesang
- Robert Farrow – Drums/Perkussion
- Martin Farrow – Gitarre/Gesang