Grimgotts – die etwas anderen Power Metaller
Mit ihrem am 7. Mai 2021 erscheinenden Album „Tales, Sagas & Legends“ wagen die aus dem Vereinigten Königreich stammenden Grimgotts den Spagat zwischen Power- und Piratenmetal. Dass dabei nicht per se eine Rum-geschwängerte Partymucke entstehen muss, der Schalk aber dennoch allenthalben aufblitzt, ist bei den Londonern schon fast Programm.
Eine Combo, die sich selbst als „die wahrscheinlich beste Harry-Potter-Themen-Symphonic-Power-Metal-Band, die aus West Sussex stammt,…wahrscheinlich“ beschreibt, muss man einfach irgendwie mögen. Ursprünglich im Jahr 2015 als Harry-Potter-Parodie an den Start gegangen, haben sich Grimgotts mit der Veröffentlichung ihrer ersten beiden Alben „Lions Of The Sea“ (2017) und „Dragons Of The Ages“ (2019) Stück für Stück ihr eigenes kleines Musikreich abgesteckt. 2020 kam man dann – vielleicht auch etwas befeuert durch Covid und Lockdown – auf die Idee, über das Jahr verteilt eine Trilogie von EPs zu veröffentlichen: Tales, Sagas & Legends!
Nachdem der finale Akt im Dezember im Kasten war, wurden alle drei Teile nochmals neu abgemischt und – angereichert mit drei zusätzlichen Songs – nun als vollwertiges Album veröffentlicht. Die Originalreihenfolge der EPs – wie auch der darin enthaltenen Tracks – wurde dabei unangetastet belassen, was das letztjährige Schaffen der Briten schön authentisch rüberbringt. Bei den drei Extra-Titeln handelt es sich im Übrigen um die 2021 erschienene Single „Grimgotts Calling“, ein Remake von „Fight Against The World“ von der Debütscheibe, sowie ein episches, orchestral-gesprochenes Outro namens „Lost Chapters“.
Promilleobergrenze
Musikalisch bewegen sich die Jungs von Grimgotts irgendwo zwischen Rhapsody of Fire, Twilight Force und Alestorm, ohne jedoch bei einem der genannten Einflüsse allzu fest Anker zu werfen. Gerade im Vergleich zu den letztgenannten Partypiraten – da man ja quasi in ähnlichen Gewässern fischt – liegt der Promillepegel doch um einiges tiefer, der symphonische Gehalt dafür deutlich höher. Überhaupt lässt sich das Quintett erstaunlich schwierig in eine Schublade packen, zu heterogen fällt das musikalisch Dargebotene aus.
Da wäre zum Beispiel das fulminante, von schnellem Getrommel nach vorne getriebene „Northern Passage“, bei dem einem die Gischt des tosenden Meeres mitten ins Gesicht springt. Ohnehin fällt der Schiessbude von Mo Abdelgadir bei so einigen Songs durch ihr hochdynamisches Dauerfeuer eine ganz spezielle Rolle zu – wie etwa dem sphärisch-orchestral startenden Opener „Fight ‚Till The End“, welcher obendrauf durch ein wirklich cooles Solo zu gefallen weiss. „Land Of Tomorrow“ kommt als ein knallhartes Stück Heaviness daher, in welchem sich die Instrumente regelrecht zu duellieren scheinen. Gastsänger Chris Simpson (Forlorn Hope) verleiht dem Klangbild der Truppe mit seiner etwas dunkleren Stimme zudem noch einen Touch Extra-Schwere.
Mit „The Edge of the World (to what lies beyond)“ beweisen Grimgotts zudem, dass sie es auch ein, zwei Gänge sanfter angehen lassen können – eine schöne, tragende Ballade, bei der die leicht traurig ziehenden Akkordeonklänge ungemein gut ins Gesamtbild passen und so eine gewisse „Fluch der Karibik“-Stimmung aufkommen lassen. „Sagas“ melodiöser Refrain erinnert mich irgendwie an Twilight Force, das sehr abwechslungsreiche Songwriting (sowie das mit Akkordeonklängen vermischte Gitarrensolo) lässt den Song zudem deutlich länger als gerade mal 4:06 erscheinen. „Kingsman“ mit seinem extrem nervösen Grundrhythmus benötigt zunächst ein wenig Eingewöhnung, avanciert nach einigen Durchgängen dann aber durchaus zum Killer. Und „Grimgotts Calling“ bietet einfach Partyfeeling pur.
Piratenklamauk
Und dann gibt es natürlich noch die reinrassigen Piraten-Nummern wie – um hier den herausstechendsten Vertreter zu benennen – „Plunder, Loot & Chantey“ mit seinem schon fast etwas nervigen „Hey“-Refrain, der sich dann aber halt eben doch in den Gehörgängen festzusetzen weiss. Allerdings wird dabei zumindest für meinen Gusto teilweise etwas zu sehr auf den Spass-Knopf gedrückt, so dass dieses Freibeuterlied zu einer Art Fremdkörper in der Trackliste verkommt.
Was allen Titeln jedoch gemein ist, sind der unverhohlene Optimismus, welchen die Musiker mit ihrer Spielart verbreiten, die immer wieder eingestreuten epischen Momente, welche so wunderbar zum klischeeschwangeren Albumcover (von Yuri Chuchmay) passen wollen, sowie der allerorts durchscheinende Kitsch, der sich wohl am treffendsten an den hier und da fast schon schmalzig wirkenden Keyboardklängen festmachen lässt. Zuweilen bewegt man sich dabei haarscharf an der Grenze zu „Too much“, kriegt aber stets im letzten Moment die Kurve, um nicht an irgendeiner überbordenden Kompositionsklippe zu zerschellen. Manchmal braucht es für ein Lächeln eben nicht viel mehr als etwas dezent Durchgeknalltes, gepaart mit Metal – und „Tales, Sagas & Legends“ bietet hiervon wahrlich reichlich!
Das Fanzit Grimgotts – Tales, Sagas & Legends
Der Sound der Grimgotts mag für das durchschnittliche Power Metal – Ohr durchaus ungewohnt klingen und der Hörerschaft ein gewisses Mass an Toleranz abverlangen, hat im Gegenzug aber irgendwie diesen frischen, unverbrauchten Reiz, dem man sich nach einigen Durchgängen nur schwer entziehen kann.
Freunde von Combos wie Rhapsody of Fire, Dragonforce, Twilight Force, Sonata Arctica oder auch Alestorm dürften sich mit den Klängen der Engländern durchaus anfreunden können. Und wenn das Ganze anno dazumal auch als Parodie begann, so sind die Grimgotts über die letzten Jahre hinweg zu einer Combo herangereift, die es durchaus ernst zu nehmen gilt – wenn auch mit einem schelmischen Glitzern im Augenwinkel.
Anspieltipps: The Dawnbringer, Rise Again, Sagas, Land of Tomorrow, Grimgotts Calling
Trackliste Grimgotts – Tales, Sagas & Legends
- Fight ‚Till the End
- For the Power
- The Dawnbringer
- Reign of Might
- Northern Passage
- Rise Again
- Plunder, Loot & Chantey
- Sagas
- The Boys of Boone
- Land of Tomorrow
- The Edge of the World (to what lies beyond)
- Kinsman
- Fight Against the World
- Grimgotts Calling
- Lost Chapters
Line Up – Grimgotts
- Andy Barton – Vocals
- David Hills – Guitars
- Fabio Garau – Keyboards
- Nelson Moreira – Bass
- Mo Abdelgadir – Drums
Gastmusiker
- Chris Simpson (Forlorn Hope): Zusätzliche Leadvocals bei „Land of Tomorrow“
- Marco Garau (Derdian, Magic Opera): Keyboardsolo bei „Kinsman“
- Will Kerr (Battle Born): Gitarrensolo bei „Kinsman“
Video Grimgotts – Rise Again (Lyric Video)