Gothic-Girl mit fantastischer Stimme
Im Jahr 2014 wagte ein Mädel namens Sharone ihre ersten Gehversuche in der Musik-Szene von Denver, Colorado. Es folgten einige Auftritte in populären Locations und Opening-Slots für Gruppen wie The Birthday Massacre, Puddle Of Mudd oder Stitched Up Heart.
Den Solo-Pfad liess sie darauf bald einmal hinter sich und beschloss, die nächsten Etappen gleich mit der Rückendeckung einer eigenen Band in Angriff zu nehmen (Anmerkung des Schreiberlings: Leider konnte ich trotz Recherche nirgends die Identitäten der einzelnen Mitglieder ausfindig machen…).
Stilistisch kombiniert die Equipe unter anderem Einflüsse von Black Sabbath und Evanescence. Im Frühling des vergangenen Jahres kam es zur Vertragsunterschrift bei Devil Inside Records. Über dieses Label soll nun am 28.05.2021 der Silberling «Morbid Illusion» erscheinen. Was die vierte Studioplatte von Sharone alles anzubieten hat, wird in den nachfolgenden Zeilen ausgiebig erläutert und geprüft.
Das Album – «Morbid Illusion»
Schon der Einstiges-Track «Left In The Dark» untermauert den Evanescence-Vergleich zusätzlich. Der starke und überzeugende Gesang erinnert fraglos an eine gewisse Amy Lee. Das vermag freilich zu gefallen! Hinzu gesellen sich passende Piano/Keyboard-Sequenzen und ansprechende Riffs. Das anschliessende «Fade Away» wird ebenfalls äusserst gefühlvoll vorgetragen. Ich wage zu behaupten, dass da beim einen oder anderen Kameraden während eine Live-Darbietung durchaus mit Hühnerhaut zu rechnen ist. Das gesunde Tempo sorgt ausserdem dafür, dass auch die Headbanger keine Langeweile verspüren müssen. Videomaterial findet ihr übrigens auf YouTube.
Ich würde einmal sorglos behaupten, dass unter anderem Befürworter von End Of The Dream, Forever Still, Nemesea, Tarja Turunen, In This Moment oder Lacuna Coil garantiert Gefallen an dem musikalischen Schaffen von Sharone finden werden. «Can We Pretend» zeigt nämlich abermals auf, wie gut die Truppe eingängige Hymnen fabrizieren kann. Man schickt sogar kurzzeitig fiese Growls ins Rennen. Klar wird es extrem schwierig, sich im bis unters Dach gefüllten «Female Fronted»-Sektor zu etablieren oder überhaupt merklich aufzufallen. Nichtsdestotrotz machen die Amis zweifelsohne einen souveränen Job. Beim darauffolgenden «Pinup Doll» können zu Beginn elektronische Bausteine ausgemacht werden. Danach wird’s aber rasch wieder rockig. Irgendwie verfügt der Text über eine vorwurfsvolle, anklagende Ader.
Mit der nächsten Kandidatin war definitiv zu rechnen! Die Rede ist selbstverständlich von einer Ballade. Dass die Künstlerin für diese Aufgabe mit einem optimalen Stimmorgan ausgestattet ist, steht eh ausser Frage. Im Hintergrund duellieren sich grobe Riffs und zarte Streichinstrumente. Aber habt keine Furcht, «Screaming Into Oblivion» darf keinesfalls als «Kitsch-Granate» eingestuft werden, denn die Füsse nehmen die Akteure nie komplett vom Gas. So gehört sich das! An «Project» gibt’s ebenfalls kaum etwas auszusetzen. Der Versuch, orientalische Klänge mit modernen Tönen zu verschmelzen ist freilich eine spannende Angelegenheit. Allerdings könnte die Nummer durchaus einen grossen Wow-Effekt oder eine überraschende Wendung vertragen. Andernfalls droht die Sache bloss nur unaufgeregt dahinzuplätschern.
Oha, während «Serenity» holt die gute Dame effektiv alles aus ihrer Röhre raus. Insbesondere die Schreie lassen wohl jeden Kiefer umgehend auf dem Boden krachen. Imposant! Tempovariationen sorgen für die nötige Abwechslung. Daraus resultieren sanftere Abschnitte, aber auch solche, die sofort zum Schütteln der eigenen Haarpracht einladen. Der Diamant («Diamond») auf der achten Position bringt schliesslich richtig frischen Wind in die Bude. Ein flottes Stück, welches fröhliche und motivierende Züge aufweist. Jep, das macht wirklich Laune! Die Synthesizer-Elemente zeigen Wirkung.
Nach den doch eher schnelleren Tracks geht’s nun bei «Trapped» wieder deutlich entspannter zu und her. Gesang und Piano verschmelzen zu einer harmonischen Einheit und laden zum Geniessen ein. Im Anschluss setzt «Dying Out» den Schlusspunkt. Eine der wahrlich wenigen Momente dieser Platte, bei welchem der letzte Funke irgendwie einfach nicht herüberspringen will. Der Track wirkt etwas zu vollgestopft und kommt deshalb ein bisschen verkrampft daher. Ausserdem hinterlässt das abrupte Ende einen faden Beigeschmack. Doch das Straucheln auf den letzten Metern wird durch die gelungenen, vorangehenden Kompositionen gewiss kompensiert.
Das Fanzit Sharone – «Morbid Illusion»
Den Vorwurf eines Evanescence-Klons müssen sich Madame Sharone und ihre Gefährten zwar mit grosser Wahrscheinlichkeit aus ein paar Ecken bestimmt gefallen lassen, aber dies sollte die Musiker auf gar keinen Fall verunsichern. Sie machen meines Erachtens ihr Ding und haben mit «Morbid Illusion» einen ansprechenden und unterhaltsamen Silberling hervorgebracht. Komplimente verdienen der Facettenreichtum und der bockstarke Gesang. Ich sehe da keine Eintagsfliege, sondern ein Projekt mit längerfristigem Potenzial.
Empfehlenswerte Hörproben: «Left In The Dark», «Can We Pretend», «Serenity», «Diamond»
Tracklist Sharone – «Morbid Illusion»
- Left In The Dark
- Fade Away
- Can We Pretend
- Pinup Doll
- Screaming Into Oblivion
- Project
- Serenity
- Diamond
- Trapped
- Dying Out