Geburtstag, Qualität und eine leergefutterte Küche
Das Mannried Open Air hat letztes Jahr den Festivalsommer gerettet. Auch 2021 wird es mit seiner zehnjährigen Geburtstagsausgabe wohl zu einem ziemlich einsamen Eintrag im Kalender werden. Umso mehr freuen wir uns auf drei Tage Spass, Songs und Sonne im (immer noch) grünsten Tal Europas.
Donnerstag, 12. August – Tag 1
Die Vorfreude darüber, endlich wieder einmal ein Festival geniessen zu können, war in unserer Gruppe beinahe mit den Händen greifbar. Sind diese „kulturellen (Gross-)Veranstaltungen“, wie der Duden schreibt, in letzter Zeit doch rar gesät. Und so sind wir richtig hibbelig, als wir arbeitsbedingt erst mitten in der Nacht auf dem Camping einfahren. Die Einweiser haben bereits Feierabend gemacht und wir sind in kürzester Zeit bei unseren Freunden in der Wagenburg angelangt. Just in dem Moment beginnt ein Gewitter sich zu entladen. Also nichts wie los: Regenjacke montieren und ab ins Infield, damit wir die letzte Band des Abends noch sehen.
Örgelifäger
Die heisst tatsächlich Örgelifäger und spielt eine bunte Mixtur aus urchiger Volksmusik und mehr oder weniger bekannten Hits auf dem Schwyzerörgeli. Das Mannried Open Air beginnt nämlich jeweils am Donnerstag mit einem Ländlerabend, der sich insbesondere auch an die Talbevölkerung richtet, die mit verzerrten Gitarren weniger anfangen kann. Dementsprechend gemischt kommt das Publikum daher und es sitzen Familien im Sennenhemd neben in Kutten gekleideten Metalheads. Das Wort sitzen ist nicht rhetorisch gemeint, denn aufgrund des Gewitters haben sich praktisch alle Besucher in das Bar- oder das Verpflegungszelt verkrochen und lauschen den fröhlichen Klängen von dort aus. Die Örgelifäger lassen sich aber nicht beirren und ziehen ihr Set gnadenlos durch. Glücklicherweise schliesst der Himmel irgendwann seine Schleusen und nachdem sich die ersten Wagemutigen ins Freie gewagt haben, folgt auch der Rest, so dass die Gruppe doch noch zu einem verdienten Publikum kommt. Dieses zeigt sich begeistert, tanzt, singt und verlangt nach dem eigentlich letzten Stück – einer Coverversion von „Thunderstruck“ – zusätzlich mehrere Zugaben, welche die Band mit Erlaubnis vom OK-Kopf Sandro Mühlemann auch geben kann, bis sich ihr Repertoire schliesslich erschöpft. Ein unkonventioneller aber nichtsdestotrotz gelungener Festivalauftakt.
Freitag, 13. August – Tag 2
Am Freitag zeigt sich das Wetter dann von seiner besten Seite. Es ist sonnig und warm, ja am Nachmittag wird es sogar richtig heiss. Der Festivalcamping ist mittlerweile gut gefüllt und viele der Anwesenden geniessen einfach mal die gute Stimmung oder die schöne Umgebung. Zeit für einen Ausflug zum Glacéstand im nahe gelegenen Zweisimmen bleibt genug, beginnen die Konzerte doch erst heute Abend um halb sieben.
Pertness
Als es schliesslich soweit ist, liegt die Ehre bei Pertness, den metallischen Teil des diesjährigen Mannried Open Airs zu eröffnen. Beim Betreten der Bühne macht die Melodic Metal Band einen erfreuten, aber doch auch leicht nervösen Eindruck. Durchaus verständlich, wenn man bedenkt, dass ihr letzter Auftritt bereits eine ganze Weile zurückliegt. Doch die Anspannung weicht mit „Words of Lies“, das auf das Intro folgt. Sie können’s noch und wie. Nur der Sound ist noch nicht ganz so gut, wie ich ihn von der letztjährigen Festivalausgabe in Erinnerung hatte. Pertness stört das nicht und die drei Herren vor dem Schlagzeug sind aktiv unterwegs, wechseln immer wieder mal die Position und grinsen wie kleine Jungs ins Publikum hinunter. Spätestens bei Stück Nummer vier, „Fortress“, hat sich der Mischer auf die Bedingungen einstellen können und die Soundqualität ist sehr gut. Das wird sie übrigens auch das ganze Festival hindurch bleiben, soviel sei vorweggenommen. Derweil spielen sich Pertness eine Stunde lang einmal quer durch ihre Diskografie: „Metamorphosis“, „Farewell to the Past“, „My Prophecy“ und zum Abschluss das grossartige „Seven Times Eternity“, jedes Album kommt mit wenigstens einem Lied zum Zuge. Da verwundert es nicht, dass das Publikum am Ende eine Zugabe will, die es sogar im Doppelpack bekommt. Schlussendlich sind alle zufrieden und das Mannried Open Air würdig eröffnet worden.
Crossplane
Weiter geht es mit Crossplane, die sicher die Bezeichnung Stammgäste verdient haben. In den zehn Jahren, die es das Festival nun bereits gibt, war die Band aus dem Ruhrgebiet an der Hälfte aller Ausgaben dabei. Nachdem sie letztes Jahr am späteren Nachmittag auftraten, kriegen sie heute einen Slot zu bester Zeit am Abend. Mit ihrer Mischung aus Hard Rock und Heavy Metal bringen Crossplane dann auch gleich Bewegung ins Publikum. Der Sound ist mittlerweile tadellos und die Band spielt um einiges präziser, als ich das von vergangenem Jahr in Erinnerung habe. Auch die Ansagen kommen gestrafft und kompakt daher. Hat Sänger Celli etwa meine Kritik der letzten Ausgabe gelesen? Die Aufforderung, ein wenig nach vorne zu kommen, kriegen wir heute nur dreimal zu hören, was immer noch ausreicht. Egal, dem einstündigen Auftritt tut dieser spürbare Fokus auf das Wesentliche aber auf jeden Fall gut. Fröhlich und gut gelaunt scheint die Truppe ja sowieso immer zu sein. Summa summarum also ein erfreulicher, gegenüber letztem Jahr merklich gesteigerter Auftritt, der vom Publikum auch entsprechend goutiert wird.
Shakra
Mittlerweile ist es dunkel geworden und es ist schon Zeit für den Headliner des heutigen Tages. Bühne frei für Shakra. Obwohl die Band schon lange aktiv ist und auch einen beachtlichen Bekanntheitsgrad erreicht hat, ist dies meine erste Begegnung mit den Hard Rockern aus dem Grossraum Bern. Und das Quintett macht von Beginn weg einen starken Eindruck. Oder um jemanden aus unserer Festivalgruppe zu zitieren: „Da kommt mächtig Druck von der Bühne“. Das kann ich so nur unterschreiben und dazu trägt auch der hervorragend abgemischte Sound bei, der nochmals eine Spur besser ist als bei den beiden bisherigen Bands. Sänger Mark Fox sucht immer wieder mal den Kontakt zum Publikum, sei es mit kurzen Ansagen oder Mitsingspielchen, die aber nicht ausufern oder unnötig in die Länge gezogen werden. Als Headliner dürfen Shakra beinahe zwei Stunden spielen, wobei sie die letzte halbe Stunde das hohe Level insbesondere in Bezug auf das gespielte Songmaterial nicht mehr ganz aufrechterhalten können. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass die Band vorher unter anderem mit „Mad World“ und „A Roll of the Dice“ zu Höchstform aufläuft. Dennoch kommt der Auftritt zu einem runden Schluss und Shakra, die sich mit ihrem Hard Rock nahtlos in die musikalische Ausrichtung des Mannried Open Air einfügen, erweisen sich als gute Wahl, um den heutigen Headlinerslot zu besetzen.
Comaniac
Die Zeit vergeht schnell, denn vor uns liegt bereits der letzte Auftritt des heutigen Tages. Gut, es ist bereits eine Stunde nach Mitternacht, da muss man damit rechnen, dass das Ende der Konzerte näher rückt. Doch noch ist es nicht soweit und Comaniac betreten nach einem scheinbar etwas turbulenten Soundcheck die Bühne, um uns beginnend mit „Coal“ ihren technisch versierten Thrash Metal um die Ohren zu hauen. Live gesehen habe ich die vier Herren aus dem Aargau („Dort wo es Rüebli gibt“, wie uns Sänger Jonas Schmid versichert) bisher nie, aber bereits viele positive Stimmen über sie gehört und was Comaniac hier abziehen, lässt mich spätestens ab dem zweiten Song jeden Gedanken an das Bett auf dem Zeltplatz vergessen. Die Jungs sprühen nur so vor Spielfreude und Energie und schütteln die Riffs und vor allem auch die Soli mit einer Lässigkeit aus dem Ärmel, dass es eine wahre Freude ist. Das Dauergrinsen von Gitarrist Valentin Mössinger verstärkt den lockeren Eindruck umso mehr und das obwohl der technische Anspruch wirklich hoch ist. Zu hören kriegen wir vor allem Material vom neuesten Album Holodox. Weil die Band ihre eigentliche Albumtaufe bereits mehrere Male verschieben musste, erleben wir tatsächlich so etwas wie eine exklusive Vorabversion davon.
Die noch anwesenden Zuhörer wissen das anscheinend zu schätzen, denn schon bald bildet sich ein grosser Moshpit, der das ganze Konzert über tobt. Eine kurze Verschnaufpause gibt es nur, als Jonas erklärt, dass die Bühne auch unsere Bühne sei und wir während des nächsten Songs herzlich willkommen seien, zu ihnen herauf zu kommen und eine gute Zeit zu haben. Das lässt sich ein gutes Dutzend Metalheads nicht zweimal sagen und schon ist die Bühne voll mit kopfschüttelnden Menschen. Eine sehr sympathische Aktion, die exemplarisch für den bemerkenswerten Spagat steht, der Comaniac mit diesem Auftritt gelingt. Sie haben sich den undergroundigen Charme einer Band bewahrt, die irgendwo in der Pampa in einer Turnhalle spielt, und könnten mit ihrer Präsenz dennoch locker auch eine viel grössere Bühne als heute Abend ausfüllen. Die Energie des Quartetts lässt denn auch bis zum bitteren Ende nicht nach und so werden sie vom Publikum verdientermassen unter grossem Jubel verabschiedet.
Auch wir verabschieden uns nun, denn mit der einsetzenden Stille schleichen sich die Gedanken an Kissen und Zeltplatz wieder hervor und so fallen wir nach einem äusserst gelungenen Freitag zwar erschöpft aber mit einem zufriedenen Grinsen und immer noch leicht nickendem Kopf ins Bett.
Samstag, 14. August – Tag 3
Die Sonne weckt uns am nächsten Tag und die Zeichen stehen wieder auf schönstem Wetter. Bis die Konzerte des dritten Tags nach dem Mittag beginnen, diskutieren wir die gestrigen Auftritte, schlagen uns den Bauch mit Frühstück voll und geniessen die stets sauberen Duschen und Toiletten. Zwischendurch werden wir von der Helfercrew mit mehr Abfallsäcken versorgt. Nicht gegen eine Gebühr, sondern einfach so – damit die landwirtschaftlich genutzte Wiese schön sauber bleibt. Aber so läuft das hier am Mannried Open Air. Die Organisation ist wunderbar unkompliziert, die Besucher leben mit und wenn man den Einweisern ein Glacé aus dem Dorf mitbringt, haben sie umso mehr Freude, dass ihre Arbeit geschätzt wird. Dass nicht nur wir das schätzen, zeigt sich auch daran, dass das Festival zum zweiten Mal in Folge ausverkauft ist. 333 Tickets waren es dieses Jahr, ein halb böses (natürlich im besten Sinne) Geburtstagsgeschenk das man den Mannried Open Air mehr als gönnen mag.
Nidhoeggr
Schliesslich ist es soweit und die Mittagsstunde ist vorüber: das erste Konzert des heutigen Tages kann starten. Die Sonne brennt vom Himmel, da sind wir richtig froh, dass uns Nidhoeggr zur Abkühlung „Winters Wight“ mitgebracht haben. Sowieso ist momentan der beste Platz direkt vor der Bühne, stehen wir da doch inmitten diverser Ventilatoren aus Haaren. Viele Zuschauer sind noch nicht anwesend, aber diejenigen die da sind, machen Stimmung für mindestens dreimal so viele. Derweil ist die Folk Death Metal Band aus Thun auf der Bühne etwas statisch unterwegs, sieht man einmal von Sänger Janos Thomann ab. Der aber animiert die Fans immer wieder zu Hey-Rufen, was immer sehr schnell Resonanz erzeugt. Unter anderem bei „Vergeltung“ singen die Anwesenden schliesslich gleich lautstark die Gitarrenmelodie mit. Gehüpft wird natürlich ebenfalls fleissig, so auch beim folgenden „Jägermeister“. Barmeister Danny nimmt sich den Text prompt zu Herzen und spendiert der Band eine Runde kleiner grüner Fläschchen des gewünschten Getränks.
Musikalisch überzeugt vor allem „Onwards“, das auch auf dem im Oktober erscheinenden neuen Album enthalten sein soll. Schliesslich wird das „Sauflied“ als letzter Song angesagt, aber da es am Mannried Open Air keinen Bühnengraben gibt, tut ein neugieriger Fan mit Blick auf die neben dem Monitor liegende Setlist lautstark kund, dass da noch ein Lied mehr draufstehe. Das sorgt für Gelächter, auch wenn Janos etwas grimmig dreinblickt ob der Enthüllung. Aber vielleicht stimmt er sich nur bereits gedanklich auf seine Growls ein. Auch wenn nun die Katze aus dem Sack ist, löst die Ankündigung des Munamies Covers „Pomppufiilis“ als Zugabe bei einigen der anwesenden Fans regelrechte Freudensprünge aus. Als der letzte Ton von Nidhoeggr verklingt, ist also die eine Hälfte des Publikums total verschwitzt und die andere haarventilatorgekühlt. Gefallen hat es beiden.
Chickenhouse
Weiter – wobei das hier in Mannried wie üblich heisst: nach einer dreiviertelstündigen Umbaupause – geht es mit Chickenhouse, die musikalisch eine ganz andere Richtung einschlagen. Klassischer Bluesrock erklingt, als die Band loslegt. Das ist durchaus ein Kontrast zur vorherigen Gruppe, aber Chickenhouse spielen so kraftvoll und überzeugt, dass es einen gleich Richtung Bühne zieht. Dort begrüsst uns Sänger Andy gutgelaunt mit „Who am I today“. Der Herr kann richtig gut singen und weiss den von der Band ausgerollten instrumentalen Teppich perfekt zu nutzen.
Derweil soliert sich Gitarrist Jim Bowes, der übrigens sämtliche Songs im Alleingang komponiert hat, mit viel Gefühl und Leidenschaft durch die Stücke. Das Publikum ist voll bei der Sache, macht bei den Mitsingspielchen mit und streut die von Andy angerissenen Wuupwuuups auch diverse Songs später immer wieder augenzwinkernd ein, als der eigentliche Einsatz schon lange vorbei ist. Nach etwa zwei Dritteln des Sets nutzt Schlagzeuger Fridu Gerber, der bekanntlich der Kopf des Ice Rock Festivals ist, den Auftritt noch, um mitzuteilen, dass die nächste Ausgabe des eisigen Festivals erst 2023 stattfinden wird. Danach geht es sofort wieder weiter mit Musik und die geht langsam aber sicher in die Beine, so dass bei „Out of Control“ als Zugabe die Tanzschuhe ausgepackt werden. So geht der gelungene Auftritt zu Ende und das Publikum zeigt sich mehr als zufrieden, wie der kräftige Applaus zeigt.
Nice To Eat You
Das Bild, das sich uns bietet, als dann als nächstes die Emmentaler Nice To Eat You die Bühne betreten ist eher ungewohnt. Zwischen vier Herren in Metalcore-Kluft samt kurzen Hosen, steht ein junger Mann mit Hemd, Weste und Geige. Das verspricht interessant zu werden. Nach dem Intro geht es schliesslich los mit modern angehauchtem groovigem Metalcore, der ziemlich dicht aus den Boxen dröhnt. Das sind definitiv Riffs, die zum headbangen verleiten. Als schliesslich die Violine einsetzt, sind es klassisch angehauchte Melodien, welche den brachialen Klang ergänzen. Die Band selber nennt ihren Stil Melodic Metalcore und diese Bezeichnung ist treffend gewählt. Wieso sie allerdings einen etwas nervösen Eindruck machen, erschliesst sich mir nicht.
Der eigenständige Sound hat nämlich definitiv etwas für sich, er ist nur auf Anhieb nicht ganz so zugänglich. Die krachenden Gitarrenparts werden oft abgelöst, von langsamen beinahe ruhigen Parts, in denen die Geige das Heft in die Hand nimmt. Diese Wechsel erfordern Aufmerksamkeit, stellen aber gleichzeitig ein Wiedererkennungsmerkmal von Nice To Eat You dar. Vielleicht liegt es daran, vielleicht auch am mittlerweile gänzlich von der Sonne aufgefressenen Schatten, dass sich das Publikum mit Körpereinsatz etwas zurückhält. Ein einzelner Fan versucht allerdings immer wieder, wilde Moshpits anzureissen und ist dabei tatsächlich so nett, vorher im Kreis herumzugehen und darauf aufmerksam zu machen, dass er jetzt dann gleich loslege. Wer will weicht aus und die restlichen zwei machen begeistert mit. Dennoch erhält die Band viele positive Zurufe und kann sehr zufrieden sein mit ihrem Auftritt.
Wir nehmen uns den Bandnamen gleich zum Anlass und suchen das Verpflegungszelt für eine Portion des altbekannten Kartoffelsalats auf. Die Speisekarte bietet genügend Auswahl, damit die Nahrungsaufnahme auch nach drei Tagen nicht eintönig wird. Einzig etwas Süsses würde ich mir als Ergänzung wünschen. So ein Kuchenstück oder etwas Ähnliches würde die Karte vielleicht noch schön abrunden.
Rock-Out
Schön rund ist auch ist auch das Gesamtpaket, das uns Rock-Out im Anschluss bieten. Besonders Gitarrist und Sänger Flopsi beeindruckt wohl so ziemlich alle Zuhörenden mit seinem eindrucksvoll rockigen Stimmorgan. Flankiert wird er von Seve an der Gitarre und Lücu am Bass, die sich von Beginn weg unaufhaltsam in Pose schmeissen. Leider unterstützt die Songauswahl diesen energetischen Auftrittsbeginn nur bedingt. Nach dem ersten Lied spielt die Band nämlich zuerst einmal langsame Songs. Mag das bei einem einzigen derartigen Stück noch funktionieren, wird es bei mehreren schon schwierig. Das Quartett trägt zwar auch diese Lieder gefühlvoll und überzeugt vor, doch mich verliert die Band damit etwas und ich beschliesse dem Auftritt eher aus der Ferne beizuwohnen. Aber ich scheine diesbezüglich zur Minderheit zu gehören, so dass sich Rock-Out über ein zufriedenes Publikum freuen können und auch von weiter weg muss ich sagen, die sympathisch auftretende Band hat echt Potential.
Crown of Glory
Mittlerweile ist die Dämmerung angebrochen und Crown of Glory können auf die Unterstützung einer tollen Lichtshow zählen, als sie mit „Emergency“ ins Set starten. Die Melodic Metal Band aus Luzern, was gemäss dem Herrn neben mir wichtig zu erwähnen ist, lässt von Beginn weg nichts anbrennen und insbesondere Hene Muther am Mikrofon zieht viele Blicke auf sich indem er auf der Bühne herumtobt, Grimassen schneidet und immer wieder Luftgitarre spielt. Mit ihrem neuen Album Ad Infinitum hat das Sextett aber auch starkes Songmaterial im Gepäck, das Metalinsidekollege Kaufi in seiner Review zur Vergabe von 9 Punkten bewegt hat. Heute spielen sie über die Hälfte dieser Songs und vor allem „Let’s have a Blast“ sticht äusserst positiv heraus. Energetische Riffs, coole Melodien und ein Refrain der gleich in den Ohren hängen bleibt, alles ist da, was ein Stück in diesem Subgenre benötigt. Nach dem anschliessenden „Make me believe“ steht blablaaaa (tatsächlich mit vier a) auf der Setlist und das ist kein Stück, wie uns Hene erklärt, sondern bedeutet, dass er uns nun mit irgendwelchen Ansagen zu unterhalten habe. Das macht er aber prima soweit und so spielen sich Crown of Glory gekonnt bis zum Zugabendoppelpack „The Hunter“ und „The Calling“ durch. Das Publikum jubelt und ich kann zusammengefasst sagen: starker Auftritt der Band aus Luzern.
Axxis
Schnell vergeht die Zeit. Uns erwartet bereits der Headliner des Samstags und der hört auf den Namen Axxis. Noch so eine Band, über die ich viel gelesen habe, an deren Konzerten ich bis jetzt aber noch nie war. Gemäss den Berichten rede Sänger Bernhard Weiss gerne viel manchmal je nach Geschmack sogar zu viel. Los geht es jedoch mit Musik und „Monster Hero“ sorgt schon mal ordentlich für Stimmung. Aber natürlich kommt irgendwann der Moment für die erste Ansage und Bernhard legt sich tatsächlich ins Zeug. Vor der Bühne sind wir uns schliesslich einig, dass er nicht länger spricht als andere Frontmänner dafür doppelt so viele Wörter in derselben Zeit unterbringt. Also alles halb so wild wie befürchtet. Das Publikum hängt auch nicht ab, sondern ist voll dabei, wenn es um Mitsingspielchen, von denen es eine ganze Menge gibt, Hey-Rufe oder Kopfschütteln geht.
Die musikalische Schnittmenge aus Melodic Metal, Power Metal und Hard Rock scheint hier am Mannried Open Air hervorragend anzukommen und Songs wie „Hall of Fame“ oder „Heavy Metal Brother“ können in den Refrains auf viel gesangliche Unterstützung durch die Menge zurückgreifen. Als Highlight sticht für mich persönlich unter anderem „Kingdom of the Night“ heraus. Irgendwann verschwindet Bernie von der Bühne und überlässt die seinen Bandkollegen. Es folgt ein richtig starkes Instrumentalstück, das schliesslich in einem Drumsolo im Dunkeln mit leuchtenden Sticks mündet. Instrumentalsong, Drumsolo, Gitarren-Gesang-Duelle, Ballade nur mit klassischer Gitarre begleitet, grosse Hymnen und eine Band voller Spielfreude: Axxis bieten hier eine grosse Heavy Metal-Show auf kleinstem Raum und das passt zum Mannried Open Air wie die berühmte Faust aufs Auge.
Das Publikum feiert die Band und die zündet noch ein Schlussbouquet in Form von „Tales of Glory Island“ bevor sich die Musiker schliesslich dankend verbeugen, um Abschied zu nehmen. Doch die Zuschauer wollen sie nicht gehen lassen und fordern lautstark nach mehr, obwohl Schlagzeuger Dirk Brand bereits seine Sticks ins Publikum geworfen hat. Nach kurzer Verständigung gibt’s noch einen Song und zwar das Cover „Na, Na, Hey, Hey, Kiss him goodbye“. Natürlich singen alle mit, doch auch das scheint nicht zu reichen und die Rufe nach einer weiteren Zugabe verklingen nicht. Jetzt sieht die Band freudig überrascht und etwas ratlos aus, aber bevor sie beschliessen können, was sie tun wollen, gehen Licht und Musik an, um zu zeigen, dass nun definitiv Schluss ist. Axxis haben für richtig gute Laune gesorgt und waren würdige Headliner des heutigen Tages.
Constraint
Doch das Festival ist noch nicht zu Ende, auf dem Programm stehen ja noch die Frutiger Constraint und ihr mit Thrash Metal gewürzter Death Metal. Apropos gewürzt: Ein Mitglied der Küchencrew übernimmt die Ankündigung der Band und teilt uns zudem auch noch stolz mit, dass wir die gesamte Küche rübis und stübis leergefuttert hätten. Naja, selber schuld, wenn sie so fein kochen… Und da brätscht die Band auch schon los und erfreut alle, die sich nach den beiden vorangehenden, melodiefokussierten Bands nach etwas härterer Musik gesehnt haben. Sie sollen nicht enttäuscht werden, denn Constraint kommen brachial daher und sorgen mit „Throw the First Stone“ oder „Rest in Pain“ für Action vor der Bühne. Schnell bildet sich ein Moshpit und rund um uns schütteln die Fans ihre Mähnen. Für meinen Geschmack dürften die Kompositionen zwar noch etwas mehr Variationen enthalten, aber in diesem Moment ist die Band eine super Ergänzung des Line-ups. So headbangen auch wir kräftig mit und kosten den Abschluss des Mannried Open Air richtig aus, bis wir unter dem sternenübersäten Himmel todmüde ins Bett fallen.
Das Fanzit – Mannried Open Air
Der nächste Morgen begrüsst uns einmal mehr mit einem strahlend blauen Himmel und vor der Abreise beginnen wir beim Morgenessen bereits ein Resümee zu ziehen. Als musikalische Highlights werden Pertness, Crossplane, Shakra (F.L.), Comaniac, Nice To Eat You, Rock-Out, Crown of Glory und Axxis genannt, was sehr schön illustriert, dass schlicht und einfach sämtliche Konzerte von so guter Qualität waren, dass die Entscheidung schwerfällt. Auch das engagierte Publikum und in dieser Hinsicht vor allem die feiernden Fans bei Nidhoeggr werden positiv herausgestrichen. Absolut einig sind wir uns aber auf jeden Fall, was die Organisation des Festivals anbelangt. Die war nämlich einmal mehr tadellos und über jegliche Kritik erhaben oder anders ausgedrückt: herzliche Gratulation zum Zehnjährigen und auf viele weitere Ausgaben des Mannried Open Airs.