Die Ostschweiz zu Gast in Lenzburg
Thrash-Fanatiker kamen am Samstag abermals in der Met-Bar vollends auf ihre Kosten. Sowohl Angry Again als auch Honor erfreuten die überschaubare Zuschauertraube mit wuchtigem und donnerndem «Lärm».
Für alle Daheimgebliebenen (und auch Personen, die zwar vor Ort waren, aber allenfalls mit nicht mehr ganz so funktionstüchtigen, grauen Zellen zu kämpfen haben) erläutern die nachfolgenden Zeilen die Geschehnisse des Abends nochmals in voller Pracht.
«Hopp St. Galle! Füre mitem Balle!» Okay, Fussball wird ausnahmsweise nicht gespielt. Stattdessen sind musikalische Leistungen gefragt. Auf dem Prüfstand stehen einerseits die routinierten Angry Again und auf der anderen Seite «Frischfleisch» namens Honor. Meines Erachtens gehört den Jungspunden die Zukunft. Ihrem Gig fiebere ich jetzt schon freudig entgegen. Bei unserer ersten Begegnung im Rorschacher Treppenhaus – das müsste Anfang Oktober des vergangenen Jahres gewesen sein – hinterliessen sie verdientermassen bleibende Eindrücke und sahnten jede Menge Anerkennung ab (siehe Review). Ihre Kumpels von Angry Again sind derweil oftmals ein unglaublich sicherer Wert. Sie werden die Hütte später garantiert endgültig abreissen. Deswegen lieber noch rasch ein paar Bierchen kippen, ehe der Kühlschrank und alles andere zu Bruch geht.
Honor
Ich bleibe dabei, im Band-Logo sieht das «H» für mich nach wie vor eher wie ein «X» aus… Nichtsdestotrotz schreiten nun Honor (und nicht Xonor) zur Tat und lassen dabei die Dresch-Peitsche mit viel Elan knallen! Letzte Woche waren die vier Kameraden ja bereits als Gäste vor Ort und konnten somit schon ein bisschen Honigwein-Tavernen-Luft schnuppern. Doch wie stellt sich das Quartett auf der Bühne an?
Die ihnen zur Verfügung stehende Spielzeit nutzen die Grünschnäbel auf überzeugende Art und Weise. Die gelegentlich vorkommenden «Verspieler» und verpassten Einsätze werden einfach weggegrinst. Da frönt jemand offenbar diskussionslos mit grosser Freude seiner Passion. Ihre Mucke schreit förmlich nach heftigen Eskalationen. Aufgrund dessen besteht die erste Zuschauerreihe praktisch während der gesamten Performance ausschliesslich aus wilden Kopfschüttlern. Zudem bejubelt ein fanatischer Fan sowieso jede einzelne Aktion der Musiker.
Honor sind ein druckvolles Abrisskommando und lassen einen sämtliche Sorgen bezüglich des «thrashigen» Nachwuchses hierzulande umgehend vergessen. Mit zunehmenden Erfahrungswerten dürften dann sicherlich ebenfalls die Abläufe besser sitzen. Ungeachtet dessen sind die Flawiler wirklich auf einem hervorragenden Weg und werden uns noch etliche Jahre bestens unterhalten. Mit dem Sodom-Kracher «Napalm In The Morning» befindet sich zwar ein «Fremdkörper» in der Setlist, aber ansonsten setzt man zurecht auf eigenes Material von den bis dato veröffentlichten Mini-Scheiben. Speziell «Killdozer» ist – im wahrsten Sinne des Wortes – ein echter Killer-Track!
Die Akteure agieren frech und geben vollen Einsatz. Heute bleibt das Brillengestell von Trommler Tobias stabil und kommt – fast – komplett ohne ungewollte Flugstunden aus. Klampfer Luc geizt keinesfalls mit Soli und Fronter Donagh brüllt unermüdlich harsche Töne ins Mikrofon. Bei einem Stück darf sogar Bassist Luca kurzzeitig den Gesangs-Part übernehmen. Der Text sei eben äussert tiefgründig und deshalb den Mädels im Publikum gewidmet. Das schöne Geschlecht darf sich nämlich auf ein paar wunderschön inszenierte «Dickpics» freuen. Richtig gelesen, um Humor ist der Vierer definitiv nicht verlegen. Diese Tatsache wird durch die abschliessende Schnellfeuer-Nummer «Zigipause» zusätzlich verdeutlicht. Sackstarke 45 Minuten wurden erfolgreich abgespult!
Angry Again
Der Headliner übernimmt um 21.20 Uhr das Zepter. Nach den ersten paar Tönen wird klar, dass uns der nächste Abriss bevorsteht. Honor waren ja schon stark, aber Angry Again setzten dank ihrer Routine nochmals einen obendrauf. Alter Verwalter! Bei dieser Groove-Thrash-Bestie wackelt also zweifelsohne jede OLMA-Bratwurst im Raum! (Senftuben werden effektiv nicht vermisst).
Die Herrschaften freuen sich sichtlich über die Auftrittsmöglichkeit und haben eine riesige «Gaudi». Schiessbuden-Maestro Sandro mutiert zur Dauer-Grinsekatze. Sänger Simon saugt die positive Atmosphäre richtiggehend auf und scheint mit jedem Stück stärker zu werden. Wer übrigens nach der künstlerischen Inspirationsquelle von Angry Again sucht, braucht lediglich einen Blick auf das Tanktop von Saitenhexer Dominic zu werfen. Da steckt tatsächlich eine gewisse Dosis Machine Head drin. Das Feld wird durch ein mir unbekanntes Gesicht am Tieftöner komplettiert. Dass sei Mad – halb Mensch und halb irgendetwas anderes (eventuell Maschine oder so?). Der gute Mann agiert heute jedenfalls als Aushilfe.
Serviert werden der Zuhörerschaft Kompositionen aus den Studioalben «Divide And Conquer» (2017) und «Ravage» (2019). Unterhaltsame Aktionen liegen drin. So setzt man zum Einstieg in «Tribute To Metal» beispielsweise auf modische Accessoires in Form von Sombreros, die auf den Häuptern der St. Galler jedoch keine sonderlich lange Lebensdauer aufweisen. Stiftung Warentest hält fest: Hüte sind für intensives Kopfnicken ungeeignet. Vor «Calamity» wird Mad schliesslich von Simon gefragt, ob er irgendwelche Fragen zu den Songs habe. Dem ist offenbar nicht so. Dafür dürft ihr jetzt brav mitraten, wer nach dem Trommel-Einstieg von Sandro prompt seinen Einsatz völlig verpennt. Unsere Lachmuskeln freut’s. Ausserdem bringen solche Geschichten das Quartett eh auf gar keinen Fall aus dem Rhythmus. Sie ziehen ihr Set gekonnt durch!
Nach «Thirteen Commandments» wäre eigentlich Feierabend und Zeit für die «Aftershow-Blondinen». Doch fleissige «Bass-Solo!»-Rufe aus dem Publikum schieben diesem Plan vorerst den Riegel vor. Mad kommt der Bitte nach und schliesslich mündet all das in einer ausgiebigen Jam-Session zwischen ihm und Felle-Klopfer Sandro. Witzige Aktion! Unterfangen dieser Art erlebt man eigentlich nur noch bei kleineren Club-Konzerten. Grössere, minutiös durchorganisierte Produktionen lassen bekanntermassen wenig bis gar keinen Spielraum für Spontanität. Damit sammeln Angry Again abermals einen Pluspunkt.
Das Fanzit – Angry Again, Honor
Die Ostschweiz hat mit Honor und Angry Again gleich doppelt abgeliefert! Beide Gruppen sind diskussionslos empfehlenswert und repräsentieren ihre Genre-Ecken voller Stolz. Ein paar Besucher mehr hätte ich den Künstlern fraglos gegönnt. Sie hätten es wirklich verdient gehabt. Bleibt zu hoffen, dass die helvetischen Metalheads trotz Konzerthunger nicht wieder in ihr altes Muster zurückfallen und sich mit der Unterstützung der lokalen Clubs und Kapellen eher schwertun…
Setlist – Honor
- Intro
- I Am Speed
- Submit With Silence
- Zyklon B
- Melt
- Armageddon
- Napalm In The Morning (Sodom-Cover)
- Killdozer
- Eternal Suffering
- Dickpics
- Make It Worth
- 2020
- Zigipause
Setlist – Angry Again
- Intro
- Kill
- Born To Win
- AA’s Hell
- Condemnation
- Tribute To Metal
- Divide And Conquer
- Calamity
- Never Backdown
- Slavery
- Thirteen Commandments