Thrash und Gepolter in Luzern
Am Samstagabend war es endlich so weit: Die Kapelle Axxelerator stellte den anwesenden Fans im Treibhaus ihr Debütwerk «Heads Or Tails» vor. Weshalb bei der Plattentaufe Spritzen verteilt wurden und mit welchen technischen Herausforderungen sämtliche Akteure zu kämpfen hatten, wird in den nachfolgenden Wortketten entsprechend erläutert.
Eine neue Mission für Metal-Dutti! Die heutige Route führt mich dieses Mal in die Zentralschweiz – genauer gesagt in die Leuchtenstadt Luzern. In der dort angesiedelten Jugendkulturstätte namens Treibhaus sollen gleich drei metallische Darbietungen über die Bühne gehen. Es handelt sich zwar keinesfalls um eine gut frequentierte Location meinerseits, aber wenn die Poltergeister rufen, hat man dieser Aufforderung selbstverständlich Folge zu leisten. Unsere Thrash-Veteranen sind allerdings nicht die Hauptattraktion. Das Gros der Aufmerksamkeit dürfte auf der jungen Equipe Axxelerator und der Taufe derer Erstlingsscheibe «Heads Or Tails» liegen. Die dritten Unterhalter in dieser Runde heissen Processor und reisen extra aus dem «grossen Kanton» an. Ich bin fraglos bereit für ein weiteres Live-Musik-Abenteuer!
Processor
Kurz nach 20 Uhr dürfen die Gäste aus dem im Freistaat Bayern liegenden Landsberg am Lech die Angelegenheit mit ordentlich Wumms ins Rollen bringen. Gemäss Sänger Jul Schumertl – der übrigens den irren Jack Black-Blick hervorragend beherrscht – sei es ein unbezahlbares Gefühl, nach dieser langen Abstinenz endlich wieder einmal auf einer Bühne stehen und vor Publikum spielen zu können. Beinahe so unbezahlbar, wie der Kaffee an den hiesigen Tankstellen. Tja, unser helvetisches Pflaster ist eben leider für Sparfüchse effektiv ungeeignet.
In den ihm zur Verfügung stehenden 45 Minuten zeigt der Vierer gute Ansätze, vermag jedoch auf lange Sicht nicht durchgehend zu berauschen. Die geschickt eingesetzten Tempovariationen und das melodiöse Klampfen-Spiel wissen zu gefallen. Den Klargesang sollte Jul hingegen lieber weglassen. Dafür können die Todesblei-Elemente seines Stimmorgans umso mehr überzeugen. Die stärkeren Songs tauchen zweifelsohne gegen Ende des Sets auf. Immerhin sorgen diese Nummern für die Auflösung des altbekannten, unschönen Sicherheitsabstands zwischen der Zuhörerschaft und der Bühne. Glücklicherweise endet der Auftritt bevor Trommler Matthias Hansel seinen Stick-Vorrat gänzlich aufgebraucht hat.
Poltergeist
Die fünf polternden Gespenster sind «Back To Haunt!». Schon nach den ersten Tönen steht unumstösslich fest, dass nun waschechte, routinierte Vollprofis am Werk sind. Der mittlerweile sehr gut gefüllte Raum wird aufgrund der bockstarken Performance regelrecht mitgerissen! Im Vorfeld habe ich mich persönlich speziell auf die Kompositionen des aktuellen Silberlings «Feather Of Truth» gefreut. Ein saustarkes Teil, welches direkt fünf Tracks für das heutige Programm beisteuert. Insbesondere «Saturday Night’s Alright For Rockin’» entpuppt sich erwartungsgemäss als gelungener Live-Kracher! Wobei das Spielen dieses Liedes an einem Samstag logischerweise sowieso absolute Pflicht ist. Erste Moshpits lassen grüssen!
Ärgerlich ist eigentlich bloss das fehlerhafte Equipment, mit welchem sich die Künstler herumquälen müssen. Das Mikrofon von André Grieder fällt ständig auseinander und muss von ihm immer wieder zusammengesetzt werden. Ist das Ding etwa «made in Taiwan»? Oder eventuell ein IKEA-Produkt, bei dem – wie so oft – ein paar relevante Schrauben nicht mitgeliefert wurden? Die Mikros für die Backing Vocals sind zudem komplett hinüber. V.O. Pulver reizt sein Lungenvolumen sichtlich engagiert aus, aber es dringt schlichtweg kein Pieps in unsere Lauscher. Gemäss seinem Kollegen André werde er morgen garantiert heiser sein und deshalb könne sich seine Gattin auf einen entspannten, ruhigen Sonntag freuen. Mangelnden Humor kann man den Herrschaften definitiv nicht vorwerfen.
Axxelerator (Plattentaufe)
Punkt 23 Uhr startet die finale Darbietung des Abends. Mit Axxelerator hatte ich notabene bereits Mitte Januar des vergangenen Jahres (als hierzulande noch keine Menschenseele irgendwelche Gedanken an eine gewisse Seuche verschwenden musste…) das Vergnügen. Damals unterstützten sie Abinchova bei deren Abschiedskonzert in der Schüür (siehe Review).
Jetzt ist allerdings alles angerichtet für eine gelungene Plattentaufe. Blöderweise erwischen die Mischer erneut eine schwächere Phase und so gestaltet sich diese Übung als schwieriges Unterfangen… Praktisch bei jedem Song taucht ein anderes Problem auf. Erst im Verlauf der zweiten Auftrittshälfte ist Besserung in Sicht. Zum Glück – sonst wäre Drummer Dave wohl oder übel endgültig ausgerastet…! Trotzdem muss man sowohl der Band als auch den Fans ein Kränzchen winden, denn beide Seiten bleiben tapfer und ziehen ihr Ding wacker durch. Die regelmässig auftretenden Mosh- und Circle Pits sprechen diesbezüglich eine deutliche Sprache. Das ist wahrlich tolle Unterstützung für die Lokalmatadoren!
Nebst eigenen Nummern, wie beispielsweise dem grandiosen «Paradise Lost», kommen zudem zwei Covers aus dem Hause Slayer respektive Motörhead zum Einsatz. Kuriose Szenen dann kurz vor der Plattentaufe: Ein Helfer der Band verteilt plötzlich Spritzen im Publikum. Willkommen im Jahr 2021! Aber keine Angst, die Aktion endet nicht in einer hemmungslosen «Impf-Orgie». Stattdessen dürfen wir uns auf Kommando die Flüssigkeit im Innern der Behältnisse in den Rachen injizieren. Scheint irgendein süsses «Shot-Gemisch» zu sein. Fein! Mal schauen, ob der Axxelerator-Stoff in den kommenden Tagen seine Wirkung entfalten wird. Böse Zungen würden an dieser Stelle wahrscheinlich wieder über hinterhältige Giftattacken schimpfen. Gottlob zählt meine Person nicht zu dieser «Gattung».
Das Fanzit Axxelerator (Plattentaufe), Poltergeist, Processor
Soundtechnisch war heute Abend bedauerlicherweise nicht immer alles im grünen Bereich… Nichtsdestotrotz konnten vor allem Poltergeist abliefern und hinterliessen bei mir abermals bleibende Eindrücke. Bei ihnen und Axxelerator war die Hütte ausserdem urplötzlich rappelvoll. Ich bin des Weiteren felsenfest davon überzeugt, dass die Luzerner Thrasher beim nächsten Mal eine bessere Abmischung erwischen und dann noch mehr Nasen von sich überzeugen können. Mit der Taufe der Debütplatte «Heads Or Tails» wurde nun eh ein wichtiger Schritt gemacht.
Setlist – Processor
- Rip TV
- Vaporized Space
- Heliopolis
- Shapeshifter
- Black Mold
- Into Oblivion
- Living In A Casket
- Spare Parts Depot
- Phosphor
Setlist – Poltergeist
- Three Hills
- The Attention Trap
- Empty Inside
- Back To Haunt
- And So It Has Begun
- Time At Hand
- Saturday Night’s Alright For Rockin’
- Writing On The Wall
- Behind My Mask
- Phantom Army
- Depression
- Nothing Lasts Forever
- Feather Of Truth*
- We Are The People*
*Zugabe
Setlist – Axxelerator
- Intro – Gates Of Ur
- Heads Or Tails
- Sign Of The Idol
- Living With Nuclear Neibours
- Speedcrew
- Paradise Lost
- The West & The Rest
- Sky On Fire
- Seasons In The Abyss (Slayer-Cover)
- Starwinds
- *Plattentaufe*
- Violent Crowd
- Here Comes The Pain Patrol
- Iron Fist (Motörhead-Cover)*
- Knochenmühle*
*Zugabe