Bilder, Tänze und ein megatonnenschweres Schwert
Das oxyd in Winterthur hat sich der harten Klänge angenommen mit der Ausstellung Metalmorphosen – Heavy Metal in Art & Culture. Was da genau gezeigt wird und worum es konkret geht, verrät das Plakat nicht. Da gibt es nur eins: auf nach Winterthur für einen Besuch.
Heute heisst es also für einmal Metal auf eine andere Art und Weise erleben als sonst. Wie genau, wird sich noch herausstellen. Gastkurator der Ausstellung ist Jörg Scheller, dessen Buch, welches ebenfalls auf den Namen Metalmorphosen hört, eine nicht ganz einfache aber auf jeden Fall spannende Lektüre war. Mit Vorwissen also gut ausgerüstet beginnt die Erkundungsreise durch die Katakombenwelt des oxyd.
Diese imitiert die Struktur einer Kirche mit Mittelschiff und Kapellen in den Seitenschiffen, um auf einer Metaebene eine Brücke zu schlagen zur engen Verbindung zwischen Metal und Religion. Das Sinnbild des Altars bildet dabei die kleine Bühne am Ende des Ganges, die während der Ausstellungsdauer dem Rahmenprogramm bestehend aus verschiedenartiger Darbietungen dient. Jetzt findet jedoch keine Zeremonie statt, ist doch der heutige Sonntag (wie passend) der letzte Tag, bevor die Metalmorphosen zu Ende sind. Und die beginnen gleich beim Eingang mit der ersten Kapelle.
Sarah Keusch: Tanzperformance
Dort sehen wir eine Tanzperfomance oder besser gesagt die Aufzeichnung einer Performance als Videoinstallation. Unter der Leitung von Sarah Keusch führen drei Tänzerinnen das Stück Subkutis auf. „Barricades“ von Décembre Noir bietet dabei die musikalische Untermalung. Ich fühle mich an den von zeitgenössischem Tanz begleiteten Auftritt von Enslaved am Midgardsblot Metalfestival vor zwei Jahren erinnert. Allerdings funktioniert das Ganze hier im oxyd besser, was vermutlich daran liegt, dass die tänzerische Darbietung den Mittelpunkt bietet und keine Band im Mittelpunkt steht. Die Aufnahmen bieten einen interessanten Einstieg in die Ausstellung, benötigen aber um sie richtig zu würdigen. sicher eine gewisse Begeisterung für diese Art der Kunst, die mir etwas abgeht. Doch es gibt ja noch weitere Kapellen.
Augustin Rebetez: Bilder & Fotografien
In der nächsten stehen Werke des Künstlers Augustin Rebetez, der sich für die Ästhetik seiner Arbeiten von Metal, Hardcore und Punk inspirieren lässt. Was heisst da nun konkret? Schwarz, weiss und braun sind die vorherrschenden Farben, Metall und Karton bilden die vornehmlich verwendeten Materialien und das Ergebnis könnte je nach Art als Plattencover, Bühnendekoration oder Bandraumdekoration anzutreffen sein, würde sich dabei aber dennoch auch einer „normalen“ Kunstausstellung einreihen lassen. Es handelt sich also eher um eine Verbildlichung des Klangfundaments in der härteren Musik als um eine Darstellung des Metal an und für sich.
Don’t run for Cover Art: Gemälde
Eine solch direkter mit Metal verbundene Kunstform ist Gegenstand des nächsten Abschnitts. Hier sind mehrere Originalgemälde von Albencover zu sehen. Die Bilder sind Leihgaben aus einer privaten Sammlung und es ist sehr eindrücklich, zu sehen, wie solche Darstellungen in grösserem Format (ungefähr 40 mal 40 Centimeter) wirken. Ebenfalls interessant ist die Wirkung der Motive ohne Logo und Albumtitel. Mir stich insbesondere das Cover zu Worlds Neuroses von Licing Death ins Auge, das von Detlef Braun gemalt wurde. Versucht einmal, euch die Schriftzüge wegzudenken, um einen Eindruck davon zu kriegen, wie viel runder das Bild dadurch wirkt. Von mir aus hätten gerne noch mehr Cover ausgestellt werden dürfen, aber der Platz ist natürlich begrenzt. Die Ausstellung vermittelt zudem einen schönen Denkanstoss: „Plattencover stellen die Logik des Kunstmarkts auf den Kopf. Nicht der Personenkult, sondern die Ästethik; nicht das auratische Unikat, sondern die zirkulierende Kopie stehen im Vordergrund.“
Megaton Sword: Texte und Karten
Die hinterste Kapelle im Raum widmet sich dem Thema der die Musik umgebenden Zutaten des Metal: Texte, visuelle Gestaltung, Band-Mythologien. Dazu geben uns die Winterthurer Epic Metaller Megaton Sword einen Einblick in die von ihnen geschaffene Welt des Kontinents Niralet af dem Planeten Xarkahar. Neben dem eigentlichen Schwert, das die Band auch schon in Fotoshootings verwendete und das hier als Ausstellungsobjekt an der Wand hängt, erblicke ich diverse Auszüge aus den Liedtexten, eine topographische Karte von Niralet sowie das Artwork von EP und Debutalbum als Gemälde. Nur die Musik fehlt, aber vielleicht habe ich auch irgendwo den Kopfhörer übersehen, der eine Hörprobe ermöglicht hätte. Auch wenn die Welt von Megaton Sword mit einem sehr starken Augenzwinkern daherkommt und sich nicht allzu ernst zu nehmen scheint, gibt der Ausstellungsteil einen schönen Einblick in die Überlegungen, die hinter so manchem Metalalbum stecken. Zudem gibt es einen Pluspunkt für die Zusammenarbeit mit einer lokalen Band.
Samuel Hug: Predigt
Etwas weniger lokal aber nur im innerschweizerischen Massstab ist der Beitrag von Samuel Hug seines Zeichens Metalpfarrer aus Niederbipp. Als Metalpfarrer betreibt er den Verein Metalchurch und bringt den hohen Stellenwert von Freiheit im Metal in Verbindung mit der christlichen Theologie. Auf einem Bildschirm an der Wand läuft eine kurze Predigt von Samuel, der die Besucher mittels Kopfhörer beiwohnen können. Das buche ich definitiv unter Horizonterweiterung (oder soll ich besser sagen Metalmorphosen?) ab, habe ich doch davon aber noch nie eine davon gehört.
Jan Utecht: Fotografien
Jan Utecht ist neben seiner Tätigkeit als Sänger von Occvlt und Mirage auch als Fotograf tätig und hat auf seinen Tourneen Metalheads in ihren Wohnungen portraitiert. Für die Fotos hat er sie gebeten in voller Szene-Montur auf ihren Betten Platz zu nehmen und so einen spannenden Kontrast zwischen der Erscheinung als etwas Äusserem und dem Schlafzimmer als etwas Innerem festgehalten. An der reich behängten Wand gibt es sogar ein Foto von Fenriz von Darkthrone und trotz der unterschiedlichen Personen ist auf den Bildern diese Verbundheit der Musik gegenüber als verbindendes Element gut zu erkennen.
Merch: diverse Merchartikel
Die nächste Kapelle beherbergt einen kleinen Merchstand mit T-Shirts, Platten, Patches, Kassetten, CDs und weiterem. Die Idee dahinter ist, den Gegensatz zwischen der kommerziell orientierten Industrie einerseits und dem in der Untergrundszene verbreiteten Do It Yourself-Gedanken andererseits aufzuzeigen. Die präsentierten Produkte können dann auch tatsächlich an der Kasse erworben werden und der Auswahl nach zu urteilen, handelt es sich hierbei um eine Zusammenarbeit mit dem Zürcher Plattenladen Berggeflvster, auch wenn das nirgends explizit erwähnt wird.
Sandrine Pelletier: Kunstinstallation
So langsam biege ich auf die Zielgerade ein. In der vorletzten Kapelle präsentiert uns Sandrine Pelletier eine Installation, die auf ihren Erfahrungen in der der Metalszene von Kairo und mit den Death Metallern von Scarab beruht. Es handelt sich um eine komplett gestaltete Nische. Die Wände sind bemalt, mit Fotos beklebt oder mit Tüchern verhüllt. Tische auf denen Textblätter unter schwarzen Kerzen liegen stehen neben einem Plattenspieler samt ausgestellter Plattenhülle. Das Kunstwerk kann also betreten werden. Wer schon einmal selbst in einem muffigen Keller oder auf einem Dachboden mit einer Band geprobt hat, fühlt sich hier sehr schnell wohl, auch wenn das nicht unbedingt der Absicht der Künstlerin entsprechen dürfte, der es vielmehr um die Globalisierung des Metal mit all seinen Licht- und Schattenseiten geht.
Metal Forschung: Vorträge
Der letzte Teil der Ausstellung entspricht dann am ehesten dem Bild, das ich von einer Metalausstellung geprägt durch das Buch Metalmorphosen im Vorfeld hatte. Hier gibt es auf vier Bildschirmen jeweils einen Vortrag aus dem Feld der Erforschung des Metal zu sehen und über Kopfhörer auch zu hören. Die vortragenden Personen decken dabei so breit gefächerte Disziplinen wie Religionswissenschaft und Musikethnologie aber auch Kunstwissenschaft und Musiktheorie ab. Neben einer detaillierten musiktheoretischen Analyse eines Songs von Gojira wird die Frage nach dem Zusammenhang von Metal und Religion erläutert (auf eine ganz andere Art als dies bei Samuel Hug vorher der Fall war). Aber auch der Umgang mit Ethnologie und natürlich erneut die Ästethik des Metal sind Themen, die verarbeitet werden. Somit bin ich nach rund Fünfviertelstunden am Ende meiner Erkundungen angelangt.
Das Fanzit – Metalmorphosen
Ein interessanter und aussergewöhnlicher Blickwinkel auf unsere Lieblingsmusik. Mit diesen Worten lässt sich die Ausstellung Metalmorphosen – Heavy Metal in Art & Culture trefflich beschreiben. In einer kleinen aber feinen Mélange bot sie die Möglichkeit, sich einmal abseits der bekannten Wege auf eine unerwartete Art mit Metal zu beschäftigen. Schön, dass es solche Dinge gibt. Ein Besuch war es auf jeden Fall wert.