INFINITAS – Interview mit Mary Crane

All in – keine halben Sachen!

Sie ist die Neue bei INFINITAS, jener sympathischen Melodic Metal-Kapelle aus dem urchigen Muotathal – Mary Crane. Metalinside hatte nach ihrem ersten Auftritt vor „fremdem Publikum“ (die vorangegangenen Auftritte bei den „Welcome Mary“ – Shows fanden ja primär vor den eigenen Fans statt – siehe Review von Infinitas der Musigburg) am UrRock-Festival in Sarnen die Möglichkeit, sich mit der sympathischen und total aufgestellten Frontlady zu unterhalten.

Nur – wie soll man sich einigermassen zivilisiert verständigen, wenn draussen auf der Bühne die Mannen von Skiltron dem von INFINITAS bestens aufgewärmten Publikum ihre Dudelsack-schwangeren Klänge um die Ohren hauen? Glücklicherweise verfügt so ziemlich jedes Schweizer Gebäude über einen Luftschutzkeller, der nebst vor physischen Gefahren auch vor zu intensiver Beschallung zu schützen vermag. Kein Ort der Inspiration (nebst einem Tisch samt Stuhl steht im Raum gerade mal noch ein Klavier wie verloren an der grauen Wand), aber bestens geeignet, um mit Mary über ihren Werdegang, den Einstieg bei INFINITAS sowie das neue Management zu sprechen – und einen kurzen Blick in die Kristallkugel zu wagen.

Metalinside (Sandro): Vielen Dank, Mary, dass du dir die Zeit für dieses Gespräch nimmst. Wie fühlst du dich unmittelbar nach eurem tollen Auftritt hier am UrRock-Festival in Sarnen?

Mary Cran (Infinitas): Huere guet! Voller Adrenalin (lacht).

MI: Eigentlich wollte ich dich zum Einstieg fragen, ob du bei deinem ersten Auftritt vor „fremden Publikum“ nervös gewesen seist, aber vorhin auf der Bühne sah es nicht danach aus…

Mary: Danke! Aber ich bin eigentlich vor jedem Gig nervös. Allerdings nicht auf die ängstlich-nervöse, sondern vielmehr freudig-nervöse Art. Total aufgeputscht, Adrenalin pur eben.

MI: Wie bist du zur Musik gekommen – und wieso muss sie so verrückt sein?

Mary: (lacht) Musik hat mir schon immer enorm viel bedeutet, bereits als Kind habe ich in der Primarschule sehr gerne gesungen. An der Oberstufe durfte ich dann in eine Musikklasse wechseln, wo dieser Aspekt im Unterricht stärker gewichtet wurde. Wir hatten mehr Musik im Stundenplan als die anderen Schüler. Ich war da auch in einer Schülerband mit dabei. Ich kann die Musik aus meinem Leben schlicht nicht mehr wegdenken.

MI: Was waren damals deine Lieblingsbands?

Mary: Früher stand ich eher auf Punk-Rock, insbesondere Sum 41 habe ich damals viel gehört. Und natürlich Evanescence, die fand ich schon sehr früh genial, waren auch immer ein riesiges Vorbild für mich. Und mit der Zeit wurde die Musik dann härter…

Angst vor Metal?

MI: Gab es eine Art Auslöser, der dich zum Metal geführt hat?

Mary: Eigentlich nicht. Es war einfach so, dass ich mit der Zeit auf den Geschmack gekommen bin. Als ich noch ein Mädchen war, haben meine Brüder hin und wieder Metal gehört, und da hatte ich echt Angst. „O mein Gott, was hören die da“ (lacht). Aber das hat sich über die Zeit hinweg völlig verändert. Der Einstieg erfolgte wohl effektiv über Evanescence, dann kam Nu Metal dazu, und irgendwann stiess ich auf Eluveitie, die mich vom Mix her total berührt und begeistert haben.

MI: Hattest du Gesangsunterricht? Und spielst du ein Instrument?

Mary: Ja, ich hatte nebst dem Musikunterricht in der Schule auch eine klassische Gesangsausbildung. Und nebenher spiele ich noch ein wenig Klavier…

MI: Und wie es der Zufall will, steht hier eines im Raum [einladende Geste in Richtung des Tasteninstruments] …

Mary: Aber nicht so, dass man es jetzt gross brauchen könnte (lacht). Es ist okay um in der Schule damit Kinderlieder zu begleiten. Manchmal wünschte ich mir, ich könnte es besser.

MI: Der Gesang ist bei INFINITAS ja ziemlich anspruchsvoll – Klargesang, harte Growls, zuweilen auch opereske Teile, welche heute aber weniger präsent waren. Wie hast du zum Growlen gefunden?

Mary: Vom Klang her gefallen mir die opernhaften Parts nicht so, weswegen ich sie auch nicht gross einsetze. Rein technisch gesehen wäre es kein Problem, aber ich fühle mich einfach viel mehr in der Bruststimme respektive im kräftigeren Gesang zu Hause. Das Growlen habe ich mir grösstenteils selbst beigebracht. Diese Art zu singen hat mich von Anfang an fasziniert, aber meine damalige Gesangslehrerin riet mir strikt davon ab – wohl auch, weil sie damit selbst keine Erfahrung hatte. Und es ist ja leider oftmals so, dass wenn jemand etwas nicht kann, er dir das Gefühl vermittelt, es sei schlicht unmöglich. Meine eigene Erfahrung zeigt mir aber, dass man mit der Stimme so ziemlich alles machen kannst, auf eine gesunde Art und Weise, ohne sie zu strapazieren. So wurde der gutturale Gesang zu meiner Leidenschaft, ich growle sehr gerne (lacht). Und es ist eine weitere Facette, die man in den Sound einer Band mit einbringen kann. Das widerspiegelt sich auch in meinem Musikgeschmack; ich höre extrem gerne Growls, gemischt mit cleanem, melodischem Gesang.

MI: Epica?

Mary: Ja, die habe ich früher auch oft gehört, zurzeit aber eher weniger, allenfalls aus nostalgischen Gefühlen, um mich nochmals wie 16 zu fühlen (lacht). Ich bin nicht mehr so sehr auf der Symphonic-Schiene unterwegs.

MI: Was heute auch augenscheinlich war – du stehst nicht erst seit ein paar Wochen auf der Bühne, oder?

Mary: Das stimmt. Ich war vor INFINITAS bereits in einer anderen Melodic Metal Band. Allerdings habe ich da ausschliesslich clean gesungen, da ein Sänger die Growl-Parts übernommen hat. Diese Band stammte wie ich aus der Ostschweiz, ich habe sie damals mitgegründet, aber nach ein paar Jahren sind ich und zwei weitere Mitglieder ausgestiegen, da es menschlich nicht mehr gepasst hat.

MI: Und nun bist du fester Bestandteil von INFINITAS. Wie kam es dazu?

Mary: Als INFINITAS vor acht Jahren eine neue Sängerin suchten, wurden einige Vokalistinnen angefragt. Ich war eine davon. Allerdings sang ich da noch in einer anderen Band, und vom Thurgau ins Muotathal… Ich dachte, ich bin doch nicht wahnsinnig (lacht laut). Allerdings blieb der lose Kontakt bestehen, Selv kam mal bei uns vorbei. Piri und ich haben nebenher noch ein akustisches Musikprojekt gegründet, eher so leise und herzig [das auf den Namen Wolstafir hört].

Kurz: Man kannte sich und als Andrea [Böll] und die Band getrennte Wege gingen, habe ich mich beworben. Obschon sie mich ja bereits kannten, musste ich wie alle anderen auch ein Video einreichen [zu Avnas], was ich aber sehr schätzte, denn es ist für mich enorm wichtig, dass ich auch aus Bandsicht die perfekte Besetzung bin. Das ganze Auswahlverfahren hat recht viel Zeit in Anspruch genommen. Es war wirklich tough, ich musste mehrere Male abliefern, aber genau diese Seriosität finde ich cool, denn mein klares Ziel ist es, das vollberuflich zu machen, voll auf meine Leidenschaft, den Metal zu setzen. Das war dann auch der Grund, wieso ich mich entschlossen habe, meine sieben Sachen zu packen und ins Muotathal zu ziehen. So kann ich mir die ganze Reiserei sparen und mehr Zeit für INFINITAS aufbringen.

Neue Töne aus der Hochburg der Ländlermusik

MI: Und wie lebt es sich dort – gemäss Wikipedia eine Hochburg der traditionellen Ländlermusik?

Mary: Genial! Jeder kennt jeden – also alle wohl mich, umgekehrt klappt das noch nicht so ganz (lacht). Und es ist natürlich cool, an einem Ort zu leben, der für seine Musik bekannt ist. Schlussendlich ist die Stilrichtung unwichtig für mich. Hauptsache die Leute haben Freude daran.

MI: Du hast erwähnt, dass du von der Musik leben möchtest. Ist das bereits der Fall?

Mary: Ich bin auf dem Weg dahin. Zuvor war ich als Lehrerin tätig, und jetzt gebe ich zur Überbrückung Gesangsunterricht, auch wenn es nicht mein Plan ist, dass dies ein Dauerzustand werden sollte.

MI: Also All In?

Mary: Ohne geht es nicht! Ich bin davon überzeugt, dass wenn man erfolgreich sein möchte, alles auf eine Karte setzen sollte. Keine halben Sachen! Daher: Man muss einfach den Mut haben, etwas zu wagen.

MI: Wie sehr kannst du dich mit der ganzen – ich nenn es mal Mystik, welche die Songs beinhalten – identifizieren: Dämonen, Mittelalter, Düsternis… Hat dich diese Thematik schon zuvor gereizt? Und hättest du in der Welt eurer Geschichten respektive im Mittelalter leben wollen?

Mary: Uh, es interessiert mich sehr, wie es im Mittelalter war, aber ich bin doch verdammt froh, dass ich heute leben darf. Denn diese Zeit war wohl ziemlich hart. Ich besuche aber gerne Mittelaltermärkte. Diese haben etwas Mystisches, und ich sehe viele Parallelen zu Fantasy. Mit Fantasy kann man in eine andere Welt abtauchen. Es bietet zudem enorm viel Spielraum, um das alles mit der realen Welt verknüpfen, beziehungsweise Mystisches in unsere Wirklichkeit hinein ziehen zu können.

Das ist eben auch das Tolle an INFINITAS: Egal, ob jemand der totale Fantasy-Fan ist oder einfach nur Metal hören möchte, ohne mit Dämonen und dergleichen etwas anfangen zu können, er kommt bei uns voll auf seine Kosten. Es ist für alle etwas dabei, und wir können dadurch ein viel breiteres Publikum ansprechen.

MI: Magst du Fantasy-Bücher oder -Filme?

Mary: Früher habe ich viel gelesen, heute schaue ich mir hin und wieder einen Film aus diesem Genre an, aber eigentlich habe ich für so gut wie nichts mehr Zeit, da ich nur noch Musik mache(lacht). Meistens zumindest. Ich bin aber ein riesiger Harry Potter-Nerd; das ist etwas, für das ich mir jedes Jahr bewusst Zeit nehme.

Mit Vollgas in eine neue Ära

MI: Blicken wir nach vorne: Habt ihr bereits begonnen, Songs für das kommende Album zusammenzutragen? Und was wird das Thema sein?

Mary: Ja, wir arbeiten bereits intensiv am Nachfolger zu „Infernum“, und sind dabei schon recht weit; rund vier Songs stehen, beim Rest sind wir noch in der Ausarbeitungsphase. Thematisch wird die „Erde“ im Zentrum stehen.

MI: „Infernum“ handelte ja von der persönlichen Hölle, welche der Protagonist Adelar durchlebt. Gerade Savannahs Violine hatte dabei diesen sehr melancholischen Klang. Wird sich nun etwas in der musikalischen Ausrichtung ändern?

Mary: Ich denke, allein schon durch mich als neues Mitglied der Band wird sich einiges verändern. Der Sound dürfte härter werden, gleichsam aber noch immer sehr melodisch bleiben. Es hängt natürlich auch stets vom jeweiligen Stück ab, so dass ich jetzt nicht generell sagen kann, ob es gleich düster bleiben wird oder eher nicht.

MI: Habt ihr schon eine Vorstellung, wann das neue Album erscheinen soll?

Mary: Das noch nicht, nein. Wir sind momentan noch sehr stark mit den Demoaufnahmen beschäftigt und werden das Ganze wohl so Anfang kommenden Jahres aufnehmen. Aber vor dem Album werden sicher ein paar Singles veröffentlicht, damit die Leute endlich hören können, wie es mit dem neuen Line-Up klingt.

MI: Abhilfe schafft da ja zum Beispiel ein Konzertbesuch wie heute Abend.

Mary: (Lacht) Genau.

MI: Wie funktioniert bei euch das Songwriting, und hat sich durch deinen Einstieg etwas verändert?

Mary: Grundsätzlich schreibt Selv die Songs. Meistens kommt er mit einem schon sehr weit ausgearbeiteten Lied an, bei welchem nebst der Gitarre auch bereits viele Ideen für die Drum- und Violinen-Parts vorhanden sind. Wir anderen bringen uns dann ein und geben unseren Senf dazu. Selv ist da zum Glück sehr offen, was ich sehr schätze, da ich überhaupt nicht die Art von Sängerin bin, die es mag, wenn ihr einfach etwas vorgesetzt wird. Ich muss einen Song spüren, erleben, sonst kann ich ihn auf der Bühne auch nicht authentisch rüberbringen.

Aktuell ist es ja noch so, dass ich wie heute Abend Stücke singe, bei welchen ich nicht selbst die Gesangslinie kreiert habe. Es funktioniert, klar, aber es ist halt ein anderes Gefühl. Ich freue mich sehr darauf, in den neuen Songs meine eigenen Gesangsparts zu singen. Zu wissen, dass jeder Ton mein Ton ist, der aus meinem Herzen, aus meinem Innersten kommt.

MI:  Stichwort Monster Artists. Erst habt ihr auf den sozialen Kanälen ein paar vage Andeutungen gemacht, und dann: Hey, wir haben (tataaa) ein Management. Wie kam dies zustande?

Mary: Das ist ebenfalls eine verdammt coole Story. Wir sind vor einem Weilchen zu einem Musikerkollegen gefahren. Haben etwas geplaudert und sind im Laufe der Unterhaltung auch darauf zu sprechen gekommen, dass ein Management sehr nützlich ist. Da wir Vieles einfach nicht mehr ganz allein stemmen können. Hier geht es vor allem um Connections, die richtigen Leute zu kennen, zu verstehen, wie wo was im Musikbusiness funktioniert, denn wir wissen ja auch nicht alles (lacht).

Wir haben unserem Kollegen dann ein neues Demo von uns vorgespielt, die neuen Bilder gezeigt, und wie soll ich sagen, er war davon so begeistert, dass er kurz danach ein befreundetes Management angerufen und uns bei denen empfohlen hat.

MI: Liege ich mit meiner Vermutung falsch, dass – nach zwei komplett selbst produzierten Alben – nun vielleicht auch ein Plattenvertrag oder das Einbinden eines Produzenten zum Thema werden könnte?

Mary: Ich darf an dieser Stelle erwähnen, dass wir ganz, ganz tolle Leute an der Hand haben, welche uns beim Producing helfen – Namen darf ich noch keine nennen, aber es wird hammergeil (lacht). Zudem ist es uns enorm wichtig, dass andere reinhören, denn irgendwann wirst du im Songwriting-Prozess etwas betriebsblind. Ich denke, dass ist essenziell. Wie wenn du einen wichtigen Text schreibst und dann jemanden bittest, ihn Korrektur zu lesen.

MI: Die „Welcome Mary“-Tour liegt nun bereits wieder hinter euch, und nach dem tollen Auftritt heute Abend am UrRock Festival hier in Sarnen ist erst mal Pause. Gemäss eurer Homepage steht Februar / März 2022 dann ein ziemlich intensives Touring quer durch Europa auf dem Programm.

Mary: Die Corona-bedingt leider auf Eis gelegt werden musste. Wir wären da mit Bucovina unterwegs gewesen. Die Situation ist aktuell sehr schwierig. Immer wieder haben Bands abgesagt und es musste ein  Ersatz gefunden werden. Einige Combos wären für zwei Wochen hier, andere für drei Wochen dort dabei gewesen. Das Ganze war ein ziemliches hin und her, so dass ich dir gar nicht sagen könnte, was der letzte Stand gewesen wäre. Aber die Tour wurde nun wirklich abgesagt. Es ist sehr schade, aber vielleicht muss es auch gerade so sein, damit wir uns voll und ganz auf das neue Album fokussieren können.

MI: Letzte Frage, mit der du als Harry Potter-Fan sicher etwas anzufangen weisst: Wenn du eine magische Kristallkugel hättest und da hineinschaust, wo siehst du dich, wo siehst du INFINITAS in – sagen wir mal – fünf Jahren?

Mary: Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir gut von unserer Musik leben können, auf grossen Bühnen spielen, viel auf Tour sein werden – einfach das volle Programm!

MI: Vielen Dank für das Gespräch, Mary!