Melodiöse Todesblei-Urgewalt in der Musigburg
Unsere neue Melodic Death Metal-Hoffnung As The Sun Falls lud am Samstagabend in Aarburg zur Veröffentlichungssause ihres Debüteisens «Last Days Of Light». Zum erlauchten Kreis der musikalischen Ehrengäste zählten Anam’Kara, Aeonian Sorrow und die vielerorts umjubelten Wolfheart. Generell war die ganze Zeit über eine finnische Aura spürbar, obschon nicht jeder Künstler «Suomi-DNA» in sich trug.
Traurigerweise drohen dem Kultursektor erneut finstere Szenarien… Abgesagte Konzerte, verschobene Tourneen, teilweise kaum zu bewerkstelligende Auflagen für Clubs und Veranstalter – die Gefangenschaft in diesem elenden Teufelskreis scheint für uns alle in die nächste Runde zu gehen… Doch wir möchten den Gehörnten keinesfalls vorschnell an die Wand kleistern. Aufgrund dessen soll die Freude auf die unmittelbar bevorstehenden Performances in den Fokus rücken. Gemeinsam mit vier Equipen können sich die Besucher der Musigburg heute Abend in eine wohlmöglich letzte Schlacht dieses Kalenderjahres stürzen. Grund genug also, um wilden Eskalationen zu frönen und das innere Feierbiest aus seinem Tiefschlaf zu reissen. Die Voraussetzungen sind optimal, denn sowohl Biertrinken in der nassen Kälte als auch das Tragen der verhassten Stoffmaulkörbe ist nicht vorgesehen. Freunde, geniessen wir dieses Ding, als gäbe es kein Morgen!
Der Grund für meinen Abstecher in die letzte Bastion an der Grenze zum Kanton Solothurn heisst As The Sun Falls. Die Herrschaften rund um Mastermind Jani haben mit ihrem Debütwerk «Last Days Of Light» ein gigantisches Ausrufezeichen gesetzt (die dazugehörige Analyse meinerseits findet ihr übrigens hier). Nun will das Material des am 18. September 2021 erschienenen Silberlings natürlich einer breiten Masse vorgestellt werden. Ursprünglich hätte die ganze Geschichte am selben Datum stattfinden sollen, aber aus bekannten Gründen wurde dieses Vorhaben abgeblasen. Halb so wild, denn dank dieser Verschiebung erfuhr das Line-Up eine Anpassung, die im Vorfeld so manche Person lautstark jubeln liess. «Schuld» daran sind Tuomas Saukkonen und seine Mitstreiter von Wolfheart. Korrekt gelesen, die Finnen werden tatsächlich nach zweijähriger Abstinenz endlich wieder einen Auftritt im Ausland absolvieren. Und das notabene in unserer wundervollen Schweiz! Wie genial ist das denn bitte?!
Anam’Kara
Doch alles schön der Reihe nach. Zuerst obliegt der in Zürich angesiedelten Symphonic Death-Kapelle Anam’Kara die Eröffnung des Geschehens. Das Quartett bewegt sich stilistisch in einem interessanten Mix und wird gefühlt mit jedem Song stärker. Die «neuen-alten Sachen» kommen gut an. Zweifelsohne ein gelungener Auftakt. Die Orchester-Parts erklingen zwar ab Band, aber ein ganzes Ensemble hätte sowieso keinen Platz auf der vorhandenen «Spielwiese». Zudem können diese Abschnitte genutzt werden, um sich als Gruppe entspannt hinzusetzen, die trockene Kehle zu befeuchten und die Zuschauer zu beobachten, ehe es nach Ende dieser Pausen jeweils engagiert weitergeht.
Die «gute-Laune-Dosis» ist fraglos vorhanden, da beispielsweise Saitenhexer Steve als ständige Grinsekatze agiert. Ausserdem seien wir Fans gemäss Growler Flo «alles geili Sieche». Er freue sich schon darauf, nach der Show mit uns zu feiern und das restliche Programm zu geniessen. Aber zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen. Die Hymne «Cinders» kommt schliesslich als würdiger Schlussakkord daher. Eine Komposition, die geradeso gut aus den Federn von Insomnium und Co. stammen könnte. Diese gezeigten 40 Minuten machen fraglos Lust auf mehr Anam’Kara.
Aeonian Sorrow
Würde man mit einem schmackhaften Gyros in eine Sauna sitzen (selbst wenn das ein komplett idiotisches Unterfangen wäre), hätte man das Nationalitätengemisch der nächsten Truppe ideal nachgestellt. Exakt, Aeonian Sorrow haben sowohl griechische als auch finnische Einflüsse. Rein optisch würde ich hauptsächlich dem Trommler Wurzeln in Hellas attestieren. Wie die dazugehörige Namen-Recherche zeigt, liege ich damit alles andere als daneben. Der gute Mann heisst nämlich Achilleas Papagrigoriou. Die übrigen Protagonisten umgibt hingegen eher eine Aura aus dem Land der tausend Seen (aber ich lasse mich logischerweise gerne eines Besseren belehren).
Bei der Stilrichtung Doom Metal drohen normalerweise häufig einschläfernde und langweilige Phasen, doch das Quintett versteht sein Handwerk und bringt das Liedgut auf gekonnte Art und Weise rüber. Die Headbanger sind jedenfalls umgehend zur Stelle! Mir fallen definitiv gewisse Parallelen zu Noumena auf, die sich ebenfalls in düsteren und melodiösen Sphären pudelwohl fühlen. Auch bei Aeonian Sorrow harmonieren die weiblichen und männlichen Gesangs-Passagen hervorragend miteinander. Wir haben einerseits Madame Gogo Melones klare Röhre und auf der anderen Seite das monströse Grunzen von Ville Rutanen.
Im letzten Drittel des Gigs lichten sich die Publikumsreihen vereinzelt, was mir unerklärlich ist. Aber möglicherweise drückt die Blase oder sonst will allenfalls die Sucht nach dem nächsten «Lungenbröötli» gestillt werden. Glücklicherweise verbleibt aber die grosse Mehrheit im Saal und geniesst die starke Darbietung bis zur allerletzten Sekunde.
As The Sun Falls
Aufgrund von ersten Verzögerungen im Spielplan gehen As The Sun Falls ein paar Minuten später an den Start. Ihre Album Release Show beginnt neu um 21.20 Uhr. Die präsentierten Klangwelten passen optimal zum momentanen Wettertreiben. Die Jungs haben sich sowieso Schneefall gewünscht. Inoffiziell war dies eh der Hauptgrund für die Verschiebung der ganzen Sause. Mitte September suchte man den Winter hierzulande noch vergebens. Das sieht jetzt Anfang Dezember schon deutlich besser aus (obwohl zurzeit noch zu viele Regentropfen zwischen den Schneeflocken hindurchflitzen).
Die Musigburg kommt in den Genuss einer sackstarken Vorstellung des neuen helvetischen Sterns am Melodic Death-Firmament. Der Fünfer liefert eine packende und mitreissende Performance ab, was sogleich wilde Moshpit-Rangeleien auslöst! Immer wieder wird die Masse angeheizt. Man merkt überhaupt nicht, dass die Herrschaften in dieser Konstellation bisher bloss wenig Erfahrungspunkte gesammelt haben. Stellenweise ist die Schiessbude von Gabriel zu ohrenbetäubend und bei Mischa scheint ein bis zwei Mal kurzzeitig das Mikro zu streiken, aber ansonsten gibt’s in Sachen Abmischung nix zu meckern.
Wie so viele Gruppen in diesen Zeiten haben auch As The Sun Falls unermüdlich Songs geschrieben und waren stets fleissige Arbeitsbienen. Das bringt sie in die luxuriöse Lage, heute nicht einmal ausschliesslich auf Stücke ihres Erstgeborenen setzen zu müssen. Die letzten beiden Nummern – «The Great Cold» und «Last Words Spoken» – liefern bereits einen Vorgeschmack auf die zweite Platte. Auf dieses Teil darf man sich zurecht freuen – genau so, wie auf weitere Konzerte dieser talentierten Band!
Wolfheart
Kurz vor 23 Uhr schreitet dann das von vielen sehnsüchtig erwartete Highlight zur Tat. Wolfheart werden ihrer Headliner-Rolle absolut gerecht und legen mal eben eine locker aus dem Ärmel geschüttelte Machtdemonstration aufs Parkett. So und nicht anders meldet man sich nach zweijähriger Zwangspause auf ausländischem Terrain zurück! Tuomas Saukkonen und seine Kumpels lassen wirklich rein gar nichts anbrennen. Angestachelt von dieser fulminanten Energie können vor der Bühne weitere Moshpits und rotierende Hubschrauber-Mähnen beobachtet werden.
Bezüglich Auswahl der zu spielenden Hymnen legen die Nordmänner das Augenmerk primär auf ihre ersten beiden Silberlinge «Winterborn» und «Shadow World» und begeben sich dadurch zurück zu den Anfängen ihrer Karriere. Für sämtliche Anekdoten und Erläuterungen ist Basser Lauri Silvonen zuständig. In ungezwungener Art führt er durch das Programm. Aufgrund dessen kann sein Kollege Tuomas seine gesamten Kraftreserven in die Gesangsarbeit stecken. Apropos Kraft – diesbezüglich kommen wir nicht umhin, das eine oder andere Wörtchen über das Muskelpaket an der Lead-Klampfe zu verlieren. Die Rede ist vom griechischen (oha, wieder so einer!) Adonis Vagelis Karzis. Eine metallische Version von Jason Momoa (oder alternativ ein Zwillingsbruder von As I Lay Dying Frontbiest Tim Lambesis). Er sorgt bei so mancher Dame im Raum freilich für kleine Herzchen in den Augen. Da nippe ich fast schon mit einem leicht schlechten Gewissen an meiner mit Hopfentee Flasche… Naja, Fitness oder eisgekühlte Blondine – irgendwann muss man sich eben für eine Präferenz entscheiden.
Blöderweise vergeht die Zeit wie im Flug. Schliesslich erklärt Lauri vor dem Schluss-Furioso, dass sie zu alt für das Emporsteigen der zum Backstage-Bereich führenden Treppen seien. In der Tat entpuppten sich diese Stufen in der Musigburg in der Vergangenheit bereits für diverse Akteure als echte Herausforderung. Deshalb wählt das Wolfpack den einfachen Weg und bleibt auf der Bühne. Mit dem von der aktuellen Scheibe «Wolves Of Karelia» stammenden «The Hammer» krönen sie ihre überragende Leistung und lassen die Meute letztes Mal frenetisch jubeln. «Kiitos», meine Freunde!
Nach dem Auftritt bleibt genügend Zeit für einen Schlummertrunk und die dringend nötigen Merch-Einkäufe. Die Kassen der Künstler sollen ruhig ordentlich klingen. Gemeinsame Erinnerungsfotos liegen ebenfalls drin. Auch Wolfheart geben sich volksnah und erfüllen brav die Wünsche ihrer Anhänger. Eine rundum sympathische Angelegenheit.
Das Fanzit – Wolfheart, As The Sun Falls, Aeonian Sorrow, Anam’Kara
Endlich wurden unsere Gehörgänge wieder einmal mit der vollen Melodic Death-Dröhnung verwöhnt. Das gab’s in unseren Gefilden effektiv schon länger nicht mehr. Alle Truppen vermochten zu überzeugen und man hatte den Eindruck, dass pro Darbietung nochmals eine Schippe draufgelegt werden konnte. Die leichten Zeitplanabweichungen bei den letzten beiden Kapellen waren tolerierbar und kaum störend. Wegen des unklaren Schicksals der Musigburg (aufgrund des Verkaufs des Hotels «Krone») gewann dieser Abend gleich nochmals besonders an Bedeutung.
Setlist – Anam’Kara
- Concrete Life
- Tales Of Blood
- My Legacy
- Queen Of Darkness
- Cinders
Setlist – Aeonian Sorrow
- Forever Misery
- My Solitude
- The Endless Fall Of Grief
- Under The Light
- Memory Of Love
- Insendia
Setlist – As The Sun Falls
- First Snow
- Through The Storm
- Way To The North
- Unforgotten
- From Thy Deepest
- Where The Sun Shines No More
- Memoriam
- The Great Cold (neuer Song)
- Last Words Spoken (neuer Song)
Setlist – Wolfheart
- Intro
- Ghosts Of Karelia
- Aeon Of Cold
- Strength And Valor
- Breakwater
- Chasm
- Boneyard
- Abyss
- Zero Gravity
- The Hunt
- The Hammer