Rückkehr des zuletzt vermissten Standard-Jahresauftakts
Im vergangenen Jahr hatte die Welt aus den mittlerweile bestens bekannten Gründen mehrheitlich Sendepause. Aus diesem Grund fiel auch das hierzulande äusserst beliebte Meh Suff! Winter-Festival ins Wasser, welches im Normalfall meistens für die Saisoneröffnung zuständig ist. Der Beginn von 2022 präsentierte sich diesbezüglich glücklicherweise von einer ganz anderen Seite.
Während zwei Tagen fegten ein Dutzend Bands über die Bühne des Dynamo Saals hinweg und vermochten die zahlreich vertretene Zuhörerschaft praktisch durchgehend zu begeistern.
Freitag, 07.01.2022 – Meisterhafte Melechesh Machtdemonstration
Dutti: An einigen Traditionen sollte man fraglos festhalten. In der Schweiz starten die Gitarrenmusik liebenden Mähnenschwinger in der Regel Anfang Januar mit dem Meh Suff! Winter-Festival in neue Live-Show-Abenteuer. Planungssicherheit ist in diesen nach wie vor unberechenbaren und unsicheren Zeiten weiterhin mühsam… Umso grösser fiel die Erleichterung aus, als der endgültige Segen für die Durchführung der Veranstaltung zur Tatsache wurde. Zürich, wir kommen! Nächster Halt: Dynamo! Selbst das am Ende ziemlich durcheinandergewirbelte Line Up kann unsere Freude kaum trüben. Ausserdem erhalten nun mehr lokale Truppen die Möglichkeit, sich einer breiteren Masse zu präsentieren und ihre Musik unters Volk zu bringen. Eine vielversprechende Möglichkeit, die unbedingt genutzt werden sollte!
Vor Ort verläuft der Einlass reibungslos und rasch. Erste Gerstensäfte werden konsumiert und man wird regelmässig in Gespräche mit bekannten Antlitzen verwickelt. Es darf wahrlich von einer Art Familienzusammenkunft gesprochen werden. Das führt gelegentlich zur Überlastung der eigenen Festplatte. Deswegen bitte ich an dieser Stelle alle um Entschuldigung, die von mir lediglich eine flüchtige (oder gar keine) Begrüssung erfahren. Im Verlauf des Abends wird es zweifelsohne weitere Gelegenheiten für Plaudereien geben – selbst wenn die Sinne dann wegen erhöhtem Hopfen-Pegel und Konzert-Euphorie vernebelt sein könnten.
An der «Kritzel-Front» erhalte ich übrigens Rückendeckung von Kollege Raphi. Gemeinsam werden wir versuchen, die bevorstehenden Darbietungen für euch in passenden Wortaneinanderreihungen festzuhalten. Diese Kollaboration hat ja bereits Mitte September des vergangenen Jahres auf dem Hüttikerberg hervorragend funktioniert (auch dank dem zusätzlichen Support von Mit-Metalinsider Luke – siehe Review).
Raphi: Vielen Dank für die nette Vorstellung, Dutti. Deine Erleichterung ob der tatsächlichen Durchführung des Meh Suff! Winter-Festival teile ich uneingeschränkt. Man merkt, dass irgendetwas speziell sein muss, wenn einen das Bild einer Band, die es über den Zoll am Flughafen Zürich geschafft hat, während der Arbeit laut aufjubeln lässt. Passend zum Thema Winter, beginnt es wenige Stunden vor Festivalbeginn dicke Flocken zu schneien. Das komplette Kontrastprogramm zum letzten Sommer also.
Dutti: Da draussen momentan ständig weisses Pulver vom Himmel fällt und eisige Winde wehen, bin ich sowieso lieber drinnen im Einsatz. Möge die hoffentlich lautstrake Beschallung beginnen!
Heathen Heretic
Dutti: Den jungen Lokalmatadoren von Heathen Heretic gebührt die Ehre, sowohl das erste Festival als auch die gesamte Live-Musik-Saison für das neue Jahr einzuläuten – und dies direkt mit ihrem persönlichen Debüt auf einer öffentlichen Bühne! Trommler Nils habe ich aus der Ferne schon an zahlreichen Gigs im Publikum erspäht. Nun nimmt er also für einmal die andere Perspektive ein und erwischt gemeinsam mit seinen Mitstreitern einen grundsoliden Start.
Das Quintett zockt ein Gemisch aus melodiösem Schwarzmetall und Todesblei. Zudem arbeitet man mit abwechslungsreihen Gesangseinheiten von Rhythmus-Axtmann Styx und Frontröhre Viola. Letztgenannte ist zu Beginn leider kaum zu hören, aber sie kriegt glücklicherweise bald die Kurve und glänzt als Sahnehäubchen sogar noch mit der einen oder anderen klargesungenen Passage. Freilich eine lohnenswerte Neuentdeckung. Das Erstlingswerk «The Blessing Of Fire And Darkness» wird nach dem Auftritt fix gekauft! (dafür wird auch das damit verknüpfte Treppensteig-Fitnessprogramm ohne Murren geduldet).
Raphi: Da komme ich doch grad mit, denn Heathen Heretic haben den Abend wirklich nach Mass eröffnet. Sehr eindrücklich, wie die Band an ihrem allerersten Gig souverän und mit einer starken Präsenz auf der Bühne steht. Ein Lob möchte ich zudem an die Toncrew richten. Abgesehen von Violas Gesang, der wie Dutti ja schon gesagt hat, zu Beginn etwas zu stark im Hintergrund ist, können wir einen klaren Sound geniessen, der den Instrumenten viel Raum lässt und die Darbietung dadurch wertvoll unterstützt. Da ich Heathen Heretic bisher nicht kannte, wird ihr gelungener Auftritt zum Anwärter für die Überraschung des Abends. Da habt ihr ein gutes Händchen bei der Bandauswahl gehabt, Meh Suff.
Dutti: Eine Aussage von Styx möchte ich abschliessend gerne speziell aufgreifen. Er teilt uns mit, dass es die Band ohne Meh Suff! überhaupt nicht geben würde. Meines Erachtens wird der relevante Status des Veranstalters in der helvetischen Szene dadurch nochmals zusätzlich untermauert. Viele der anwesenden Besucher können dem sicherlich zustimmen, denn wer hegt schon nicht irgendwelche tollen Erinnerungen (sofern noch vorhanden) an einen Meh Suff!-Event? Auch heute erblicke ich um mich herum ausschliesslich glückliche und grinsende Gesichter. Einfach unglaublich wohltuend!
Setlist – Heathen Heretic
- Intro – The Blessing Of Fire And Darkness
- Legions
- Charon
- Shadow Of The Black Moon
- Silent Forest
Megaton Sword
Dutti: Um 19.20 Uhr steht Epic Heavy Metal aus Winterth… äh sorry, ich meine natürlich aus dem Königreich Niralet auf der musikalischen Speisekarte. Sind die bis zur Fusssohle «trven» Akteure bereit für weitere Eroberungen? Gigantische Schwerter, die jeden Feind in blutigen Schlachten vor Angst erzittern lassen, wären jedenfalls als Bühnendekorationen mit von der Partie. Vielleicht könnte ich mit diesen Klingen ebenfalls mein Wohnzimmer dekorieren? (obschon das Ganze wahrscheinlich den Rahmen sprengen würde…).
Stolze Winti-Metaller halten selbstverständlich brav zusammen. Aufgrund dessen geniessen Megaton Sword bei mir prinzipiell eine gewisse Grundsympathie. Stilistisch wird ihnen am hiesigen Festival jedoch die Rolle der «Billing-Exoten» zuteil und das führt automatisch zu einem schweren Stand beim Gros der Zuhörerschaft. Des Weiteren bewegt sich der Gesang von Uzzy Unchained gefühlt immer in derselben Tonlage. Das vermag zumindest meine Wenigkeit auf CD besser zu überzeugen. Ansonsten gibt’s an der gezeigten Handwerkskunst allerdings nix zu bemängeln.
Raphi: Auf Megaton Sword war ich im Vorfeld wirklich gespannt, haben die Herrschaften doch von allen Seiten viele gute Kritiken für ihr bisher erschienenes Material erhalten. Deshalb freue ich mich nun auf meine erste Begegnung mit den Epic Metallern aus Dutti-City. Auch mir fällt ziemlich rasch der Unterschied im Gesang zwischen den Aufnahmen und dem heutigen Konzert auf. Uzzys Stimme wirkt glatter und weniger giftig als ab Konserve. Ob das besser oder schlechter ist, liegt nicht an mir zu bewerten, aber wer vielleicht ansonsten Mühe mit den Gesangslinien hat, könnte am Konzert positiv überrascht werden. Interessanter- (und unnötiger-) weise dreht die Crew am Mischpult den Bass gegenüber Heathen Heretic recht stark auf, so dass ein Teil der Musik etwas untergeht. Zum Glück bessert sich das über die Länge des Auftritts. Insgesamt ein solider Auftritt, auch wenn ich mir etwas mehr Aktivität von der Instrumentalfraktion gewünscht hätte.
Setlist – Megaton Sword
- In The Black Of Night
- Verene
- Songs Of Victory
- For Glory
- Wastrels
- Pristine War
Bølzer
Dutti: Mit dem anschliessend aufspielendem Duo hatten wir bereits auf dem Hüttikerberg das Vergnügen. Und schon damals haben Kollege Raphi und ich emsig über die Schreibweise des Equipen-Namens philosophiert. Inzwischen scheint der Wechsel wirklich in Stein gemeisselt zu sein: Das «ö» ist Geschichte und die neue Ära gehört dem «ø». Huch, der fällt mir gerade ein, dass ich Bølzer ja im letztjährigen Oktober ebenfalls ein weiteres Mal live in Aktion erlebt habe. Seinerzeit gastierten sie – übrigens gemeinsam mit den zuvor aufgetreten Winti-Schwertschwingern – im Salzhaus und zeigten eine überzeugende Performance. Im Club-Ambiente gefallen sie mir eben schlichtweg besser. Wenn das mal nicht beste Voraussetzungen für den heutigen Abend sind?
In der Tat – man kann wahrhaftig die Augen schliessen und hundertprozentig in diese Klangwelten eintauchen. Eine unfassbar fesselnde Angelegenheit! Die den beiden Herren zur Verfügung stehenden 45 Minuten vergehen wie im Flug. Ich glaube, dass mir meine Kollegen in dieser Atmosphäre die eisgekühlte Hopfenperle aus der Pranke hätten klauen können, ohne dass mir dieser Diebstahl grossartig aufgefallen wäre. Punkt für Bølzer!
Raphi: Da bin ich vollkommen einverstanden mit dir, Dutti. Die heutige Atmosphäre bietet schlicht die besseren Voraussetzungen für einen Auftritt von Bølzer als dies im Sommer der Fall war. Kombiniert mit der Energie, welche die beiden Musiker während der Songs ausstrahlen, ergibt sich ein eindrucksvolles Konzert von Anfang bis zum Schluss. Potential sehe ich vor allem noch zwischen den Songs. Dies ist nun der dritte Auftritt von Bølzer, den ich miterlebe und an jedem von ihnen überschatteten technische Probleme mindestens teilweise die Zeit zwischen den Liedern. Heute führt das wie bereits am Meh Suff! Festival im Sommer zu einer gewissen nervösen Unruhe, die der durch die Musik aufgebauten Stimmung leider überhaupt nicht zuträglich ist und auch das Ende des Gigs ist ähnlich abrupt wie auf dem Hüttikerberg. Ich hoffe, dass die Band das noch in den Griff, denn alles andere stimmt so wie es ist wunderbar.
Melechesh
Dutti: Wen kribbelt es nach zwei Jahren Abstinenz ganz gewaltig unter den Fingernägeln? Richtig, die Protagonisten von Melechesh! Black und Death Metal treffen auf arabisches Flair. Die Wurzeln der Gruppe liegen notabene in Israel, also einem Ort, der Sympathisanten unserer Musik nicht sonderlich wohlgesonnen ist. Eventuell leben die einzelnen Bandmitglieder deshalb mittlerweile in Europa. Für die kommenden 55 Minuten gibt’s jedenfalls keine Hindernisse. Der rappelvolle Saal sehnt sich nach einem Abriss!
Die Fans werden nicht enttäuscht, denn die Wüstenprinzen erreichen sofort Betriebstemperatur und lassen einen Killer-Track nach dem anderen vom Stapel.
Raphi: Nun, nachdem zuerst mal die Vibrationen des Schlagzeugs Ashmedis Gitarrenverstärker ausser Gefecht setzen und er mit wütendem Gesicht ein deutliches „Sauhund“ ins Mikrofon bellt. Da grosse Teile des Publikums um uns herum gar nicht mitbekommen hat, dass es da technische Probleme gibt, ist die Verwunderung ob der geharnischten Ausdrucksweise des Sängers einigermassen grosse. Als er dann auch noch kurz wütend die Bühne verlässt, sind sich viele nicht sicher, was das jetzt genau zu bedeuten hat. Zum Glück kann ihm ein Techniker helfen und dem herbeigesehnten Abriss steht nichts mehr im Wege. Aber dann, dann erreichen die Wüstenprinzen Betriebstemperatur, wie du so schön beschreibst.
Dutti: Die Über-Hymne «Multiple Truths» mäht einfach alles nieder! Haare fliegen herum, Teufelshörner werden in die Höhe gereckt und überall wird das Feuer der Ekstase entzündet. Melechesh zeigen zweifellos eine Leistung, die eines Headliners würdig wäre. Da werden sich die Finnen von Ensiferum später massiv anstrengen müssen.
Raphi: Definitiv! Um uns herum tobt der Moshpit in Dauerrotation und die Leute feiern die Band voll ab. Verdientermassen, möchte ich sagen, denn nach dem etwas rumpligen Start, gibt es an diesem Auftritt nichts auszusetzen und die Band kann schweissüberströmt einen grossen Applaus entgegennehmen, bevor sie die Bühne verlässt.
Dutti: Ob sich Fronter Ashmedi, der richtig teuflisch ins Mikrofon keift, nach getaner Arbeit einen Schluck aus seinem goldenen, mit Rotwein gefüllten Kelch gönnt? 2016 konnten Kumpel Ruedi und ich im Z7 nämlich mit dem Meister anstossen und ein bisschen plaudern. Wunderbare Erinnerungen, die wegen dieser Machtdemonstration gleich wieder glasklar vor dem geistigen Auge erscheinen.
Raphi: Ob er den goldenen Kelch irgendwo in der Tasche hat, bleibt mir zwar verborgen, aber Ashmedi selbst laufe ich später an der Bar tatsächlich noch über den Weg. Er scheint also immer noch gerne mit den Fans anzustossen.
Ensiferum
Dutti: Der eigentliche Headliner dieses ersten Festivaltages übernimmt schliesslich nach 23 Uhr das Kommando. Ich bin bereit für die Schlacht, denn dank den Nordmännern von Ensiferum gilt stets das Motto «In My Sword I Trust». Es ist lediglich eine von vielen grandiosen Stücken im Repertoire der Epic Folk Metaller. Der Effekt bleibt derselbe: Die Leute flippen aus und zelebrieren eine freudentrunkene Fete! Mir war ehrlich gesagt nicht bewusst, dass Zürich über haufenweise Hupfdohlen verfügt. Die Kehlen werden konstant befeuchtet und garantieren jede Menge Ausdauer und beeindruckende Textsicherheit bei den Besuchern. Wenn die Temperatur so weitersteigt, befinden wir uns in Tat und Wahrheit bald in einer finnischen Saune. Hui!
Zur Top-Besetzung hat’s den Herrschaften übrigens nicht gereicht, denn Pekka Montin – der neue Mann am Keyboard und Verantwortlicher für die klargesungenen Abschnitte – konnte die Reise in die Schweiz bedauerlicherweise nicht antreten. Schade… ich hätte ihn und sein schrilles Power Metal-Organ gerne in Aktion erlebt. Andererseits haben vergangene Gigs gezeigt, dass Ensiferum auch im Vierergespann problemlos funktionieren. Dies stellen sie im Rahmen dieser Darbietung erneut unter Beweis. Meiner zehnten Begegnung mit Petri Lindroos fiebere ich schon jetzt sehnsüchtig entgegen. Dieses Ereignis wird dann ebenfalls mit Volldampf gefeiert!
Raphi: Ensiferum wissen die Gunst der Stunde zu nutzen, auch wenn sie aufgrund der unüblichen Besetzung ihre Setlist etwas anpassen müssen. Nichtsdestotrotz erzeugen sie einen guten Fluss in ihrem Programm und spielen einen kurzweiligen Auftritt. So können schliesslich auch alle Anwesenden sicher darüber hinwegsehen, dass die Finnen ihren grossen Hit „Iron“ (tatadadaaa tatadadaaa) nicht gespielt haben. Um uns herum sehe ich jedenfalls ausschliesslich glückliche, mittelleicht bis stark verschwitzte Gesichter, als die Lichter angehen und der Freitagabend des Meh Suff! Winter-Festival zu Ende ist.
Das Fanzit Meh Suff! Winter-Festival – Freitag
Dutti: Geniessen, den Kopf so richtig auslüften und die Szene passioniert unterstützen – all diese Vorhaben wurden am ersten Tag des Meh Suff! Winter-Festival 2022 souverän umgesetzt. Von Show zu Show war eine Steigerung auszumachen. Dass zudem auffallend viele Nasen ins Dynamo gepilgert sind, dürfte als wichtiges Zeichen in die Geschichtsbücher unsere Szene eingegangen sein. Mein persönlicher Höhepunkt war glasklar die Machtdemonstration von Melechesh. Überragend! Der Samstag kann definitiv kommen!
Raphi: Du sagst es, Melechesh waren grossartig am heutigen Freitagabend und ganz klar auch mein persönliches Highlight. Als Überraschung des Abends möchte ich noch Heathen Heretic mit ihrem gelungenen ersten Auftritt erwähnen. Da auch die anderen Auftritte toll waren, ergab das in Kombination mit dem zahlreich anwesenden Publikum ein Metalabend zum Geniessen. Herzlichen Dank an die Meh Suff! Crew, dass ihr das trotz der widrigen Umstände inklusiver einer unmöglichen Anzahl an Bandabsagen ermöglicht habt. Ihr habt für ganz viel Freude gesorgt.
Samstag, 08.01.2022 – Helvetische Qualitätsware, Korpi-Festspiele und grunzender Abgang
Dutti: Morgengruss, werte Gemeinde! Was machen Leber und Kraftreserven? Stecken einem die gestrigen Auftritte etwa noch in den Knochen? Egal. Sämtliche Ausreden sind von nun an verboten. Mein Trupp versammelt sich vor dem «Drinks Of The World» am Zürcher Hauptbahnhof. Es ist sozusagen unsere «Tankstelle». Eine allfällige Dehydration will notabene tunlichst vermieden werden. In diesem Sektor verhalten wir uns verdammt vorsichtig, oder?
Danach geht’s auf ins Getümmel. Bereit für die zweite Runde? Dass man sich kurz nach 15 Uhr in der Location wiederfindet, entlockt einigen Gästen dann doch ein «läck, huere früeh!». Tja, Meh Suff-Events sind eben nix für Schwächlinge. Nach einem kurzen Blick in Merchandise-Raum folgt der sportliche Treppenaufstieg. Im Saal haben sich bereits diverse «Krieger» eingefunden. Abermals lachen einen überall vertraute Fratzen an. Metalinside-Amigo Luke ist ebenfalls samt Gattin anwesend. Na dann, Prost!
Raphi: Dafür muss ich mich leider krankheitshalber entschuldigen, aber grüss Luke von mir und geniesst den Abend. Ich beneide euch jetzt schon um den zweiten Tag!
Dutti: Gesundheit geht logischerweise vor! Ich wünsche dir eine rasche und gute Genesung, lieber Raphi. Somit erfolgt die nachfolgende Berichterstattung durch meine Wenigkeit in Solo-Manier. Das wird schon irgendwie klappen.
Calarook
Dutti: Waren es gestern noch Megaton Sword, so obliegt heute den Piraten von Calarook das Vergnügen, die Stadt Winterthur zu vertreten. Haltet diese Kapelle unbedingt vom hiesigen Zoo fern! Andernfalls könnte es passieren, dass ein paar rosafarbene Vögel aus ihrem Gehege entwendet werden und für «nicht-Tierschutz-freundliche» Aktivitäten herhalten müssen. Möglichweise bleibt’s aber auch «lediglich» bei irgendwelchen Orgien mit unsichtbaren Ananasfrüchten. Mal schauen, wohin uns die Kapernfahrt durch die Limmat führen wird.
Wie mein «Konzert-Buddy» Benji korrekterweise feststellt, werden die trinkfreudigen Seeräuber effektiv mit jeder Performance und jedem dazugewonnenen Erfahrungspunkt stärker. Die neue Violinen-Lady Nori hat sich – trotz mehrheitlich mürrischem Gesichtsausdruck – bestens in den Haufen eingegliedert. Die Tendenzen zeigen tendenziell in die richtige Richtung. El Capitan Phip hisst die Totenkopf-Flagge und stellt klar, dass wir jetzt bloss zwei Optionen zur Auswahl haben: «Surrender Or Die!». Der Titel-Track des Debütsilberlings macht freilich Laune. Aber das gilt sowieso für das gesamte Liedgut von Calarook. Dank einer Zuschauerin wird die «Invisible Pineapple» sogar sichtbar. Allerdings scheint der Kapitän nicht richtig zu wissen, was er mit der Frucht genau anstellen soll (immerhin kommt sie nicht zu schaden). Am Ende bleibt mein einziger Kritikpunkt das Fehlen des Stücks «Kicking Flamingos» (doch mit «Paul The Parrot» kommen die anwesenden Ornithologen trotzdem etwas auf ihre Kosten).
Setliste – Calarook
- Intro – 47°30’18’’N 8°51’52’’E
- A Cursed Ship’s Tale
- Quest For Booze
- Surrender Or Die
- Invisible Pineapples
- Paul The Parrot
- The Feast Of Emerald Meadows
Lotrify
Dutti: Die Album-Release-Show zu «Time Fracture» mussten Lotrify blöderweise verschieben. Zum Glück erhalten aber sämtliche Leute, die heute ins Dynamo gepilgert sind, trotzdem einige Kostproben des neuen Materials (wie ihr meiner hier zu nachzulesenden Plattenkritik entnehmen könnt, dürfte das ein absolut lohnenswertes Unterfangen werden).
Die Feuertaufe der frisch komponierten Songs wird ein voller Erfolg, denn wer das Publikum in einer solch frühen Phase des Festivaltages zu Circle Pits und einer Wall Of Death zu animieren vermag, hat den Status als Live-Macht hundertprozentig verdient! Die Piraten haben zwar schon gespielt, aber auch die Jungs aus dem Kanton Aargau können mit ausreichend Stimmungskanonen dienen. Wie so oft bleibt Fronter Sacha nicht wirklich lange auf der Bühne, sondern stürzt sich – leicht lebensmüde – bald hinunter ins Getümmel. Eine unfassbar schweisstreibende Angelegenheit, aber solange die Frisur von Guitar-Hero Yannick sitzt, kann überhaupt nix schiefgehen.
Falls ihr am 09. April 2022 noch kein Rendez-vous habt, würde ich euch einen Abstecher nach Baden ins Werkk wärmstens ans Herz legen. Das neue Album live in ganzer Pracht geniessen zu können, dürfte eine geniale Angelegenheit werden.
Setliste – Lotrify
- Left Behind
- Bleed Alone
- Close To Distant
- Bring It On
- Clashing Bones
- Dreams of Mine
Malphas
Dutti: Black Metal darf auch am Samstag selbstverständlich keinesfalls fehlen. Verantwortlich für das okkulte Ritual sind die in der Romandie verankerten Malphas, welche mich zuletzt mit ihrem Gastspiel in der Lenzburger Met-Bar als Support von Asgard und Impalement regelrecht aus den Socken hauen konnten. Sie ballern einem nicht einfach stumpfen Schwarzmetall um die Lauscher, sondern lassen zusätzlich immer wieder eine Prise Melodie miteinfliessen. Ein vielversprechender Mix, der tonnenweise Potenzial beinhaltet.
Ärgerlicherweise kann Sänger Astaroth nicht mitwirken, weshalb Axtmann Raven am Mikrofon in die Bresche springen muss. Ausserdem erhält er dabei weitere Unterstützung vom neuen Basser Erebos. Die beiden werden das Ding hoffentlich irgendwie schaukeln. Allfällige Sorgen und Befürchtungen verschwinden bereits nach wenigen Minuten. Die ersatzgeschwächte Equipe verfügt nach wie vor über genügend Biss! Danke dieser Leistung empfehlen sie sich ohne Zweifel für weitere Einsätze. Behaltet diese Truppe unbedingt auf dem Radar!
Setliste – Malphas
- Intro
- Excile
- Humanity’s Last Breath
- Forged In The Abyss
- In The Name Of War
- Divinity’s Fall
- Wrath Of A Fallen Angel
Desaster
Dutti: Auch die nächsten Akteure müssen auf einen Mistreiter verzichten. Desaster-Tieftönermensch Odin muss wegen einer Armverletzung passen. Seine drei Kumpels dürfen sich trotzdem an einem extrem gut besuchten Saal erfreuen. Ihren Kultstatus kann man den mit Nieten übersäten Herren nicht nehmen. Seit mittlerweile neun Studioalben beschallen sie unsere Gehörgänge mit einem Gemisch aus Black und Thrash Metal. Keine Kompromisse – es wird stets mitten in die Kauleiste gezielt.
Ohne Bassist agieren Desaster jedoch nicht so überzeugend wie auch schon. Das hat man eindeutig schon besser erlebt. Bleibt zu hoffen, dass diese Pechsträhne langsam ihr Ende findet. An der letztjährigen Ausgabe des Baden in Blut Open-Airs konnten sie ja aufgrund einer heftigen Gewitterfront nicht auftreten. Beim nächsten Versuch klappt’s dann garantiert ohne personelle Engpässe oder Unwetterunterbrüche.
God Dethroned
Dutti: Von Deutschland wechseln wir hinüber in die Niederlanden. Dort leben die Blackened Death Metaller God Dethroned. Das Quartett scheint mit jeder Menge Motivation angereist zu sein. In bestechender Manier lassen sie ein Abrisskommando vom Stapel, welches seinesgleichen sucht. Die Headbanger in den Publikumsreihen frohlocken und lassen die Mähnen wehen. Ähnlich wie gestern wird also der Headliner von der vor ihm aufspielenden Mannschaft richtiggehend herausgefordert. Anderseits ist es verflucht dankbar, wenn man anschliessend mit einer hervorragend aufgewärmten Zuschauermasse «arbeiten» kann.
Die Setliste enthält diverse Nackenbrecher. Derweil komme ich zum Schluss, dass das Spielgerät von Jeroen Pomper ein interessantes Sammlerstück darstellen könnte. Sein weisser Bass ist nämlich mit dem Band-Logo und einem Kreuz verziert. Das sticht einem fraglos ins Auge. Apropos Sammelstücke, nach der Show dürfte ein Abstecher zur Merchandise-Ecke unausweichlich sein. Des Weiteren meldet sich der knurrende Magen zu Wort. Die von vielen Gästen angepriesenen Burger dürften sich da als wahre Retter in der Not herausstellen. Man kann an diesem Event eben doch nicht nur saufen. Doch bevor wieder fleissig Geld ausgegeben wird, soll jetzt zuerst die eindrucksvolle Darbietung der Holländer bis zum finalen Ton aufgesogen werden.
Setliste – God Dethroned
- Sigma Enigma
- No Man’s Land
- Villa Vampiria
- Spirit Of Beelzebub
- Soul Sweeper
- Illuminati
- Boiling Blood
- Serpent King
- Poison Fog
- Book Of Lies
- World Ablaze
- Nihilism
Korpiklaani
Dutti: Auch am Samstag gebührt die Rolle des Headliners einer Kapelle aus dem Land der tausend Seen. Das wird tatsächlich bereits meine elfte Begegnung mit den Waldmenschen von Korpiklaani. Popularität ist ausreichend vorhanden, obschon mir die letzten beiden Werke «Kulkija» und «Jylhä» grossteils zu gemächlich daherkommen. Aber selbst die intensivsten Party-Monster werden älter. Zudem ist die Fokus-Ausrichtung auf die Verbundenheit mit der Natur ebenfalls nicht komplett verkehrt. Ungeachtet dessen hoffe ich trotzdem auf ein paar «Feier-Hymnen».
Schnell wird klar, dass die Nordmänner meine Wünsche erhöht haben. Das Dynamo wird ruckzuck in ein Tollhaus verwandelt. Überall schwirren herumhüpfende, johlende und alkoholische Getränke vernichtende Gestaltung durch die Szenerie. Ein Anblick, der den bestens gelaunten Künstlern auf der Bühne ausgezeichnet gefällt. Sänger Jonne strahlt übers ganze Gesicht. Ansteckende Sache! Oha, wenn ich seinen Namen weiterhin so lautstark in der Gegend herumbrülle und bei Songs der Marke «Lempo» übermotiviert mitsinge, werden morgige Kommunikationsaktivitäten wohl oder übel gänzlich ausfallen…
Die Setliste wurde wirklich grossartig zusammengestellt. Trinkanimationen in Form von «Jägermeister» oder «Beer, Beer» erfüllen ihren Zweck. Aber auch neue Nummern von der Platte «Jylhä» überzeugen im Live-Gewand. Damit hätte ich jetzt nicht zwingend gerechnet. Korpi belehren mich geschmeidig eines Besseren. «Kiitos!», werte Freunde. Zu kritisieren bleibt mir damit lediglich die Tatsache, dass Basser Jarkko Aaltonen seinen schönen Weihnachtsmannbart abrasiert hat. Aufmerksame Beobachter dürften ebenfalls festgestellt haben, dass Geiger Tuomas Rounakari durch Abwesenheit glänzt. Der werkelt zurzeit emsig an seinem Solo-Eisen «Bear Awakener». Sein Vertreter – Olli Vänskä von Turisas – macht glücklicherweise einen astreinen Job und trägt so seinen Part zu diesem bockstarken Gig bei.
Rectal Depravity
Dutti: Hat jemand zum Abschluss eine verstörende und gleichermassen ulkige Slam-Grind-Attacke bestellt? Rectal Depravity liefern das Gewünschte ohne Probleme ab. Da bleibt kein Stein auf dem anderen. Die Fitness der Zuhörerschaft ist definitiv nochmals gefordert. Über dein Geisteszustand der Jungs möchte ich mich an dieser Stelle nicht äussern. Aber ohne irgendwelche Schäden in der Hirnregion könnte man solche Lärm-Attacken sowieso auf gar keinen Fall komponieren. Ist das schlimm? Nope! Wer die erschöpfte Masse zum Ende eines Festivals abermals auf gelungene Art und Weise unterhalten kann, macht eigentlich alles richtig.
Passende Outfits sind ebenfalls am Start. Der Penis-Aluhut könnte beispielsweise freilich zu den wichtigen Modetrends des Jahres 2022 dazugehören. Zum Schmunzeln bringt uns auch der nicht ganz freiwillig als Backdrop verwendete Spielzeugteppich. Dieser kommt nur zum Einsatz, weil der Gruppe das originale Hintergrundbild an ihrem letzten Auftritt im Werk 21 geklaut wurde… Apropos Werk 21 – genau dort findet anschliessend die berühmt-berüchtigte «90s-Aftershow-Sause» statt. Jedoch ohne meine Wenigkeit. Ich bevorzuge lieber die Rückkehr in meine eigenen vier Wände.
Setliste Rectal Depravity
- Intro: Pöbel MC – Polydipsie
- Sandpapier im Popo
- Backstagedurchfall
- TupaTupa2pac
- Open The Gates Of Smell
- Flying Fetus
- Kellog’s Crusties
- Internal Peeing
- Dr Niu Niu
- Pädokatholische Fortpflanzung
- Stacheldraht küsst Innereien
- Kleinkindverzehr
- Hypergenitalistic Knockout
- Holder Sternenglanz am Nachthimmel
- Outro: Janus Christus – Billigbier
Das Fanzit Meh Suff! Winter-Festival – Samstag
Dutti: Geschätzte Meh Suff!-Crew, euer Meh Suff! Winter-Festival war ein voller Erfolg und ein äusserst wohltuendes Erlebnis. Das neue Jahr konnte endlich wieder auf die übliche, traditionelle Weise lanciert werden. Wir hoffen jetzt natürlich alle auf mehr! Dank der zwölf im Einsatz stehenden Bands ist der optimale Start effektiv geglückt! Eine reibungslose Organisation in solch unsicheren Zeiten ist keine Selbstverständlichkeit. Der ansehnliche Besucheraufmarsch erfüllte mein Herz ebenfalls mit Stolz.
Stellvertretend für meinen Freundeskreis liste ich nachfolgend noch ein paar Punkte auf, die sie besonders vermisst haben: Leider fehlte der Met-Stand. Zudem kam an beiden Tagen die sonst stets beliebte «Happy Hour» an der Bar zum Einstieg in die jeweiligen Konzertreigen nicht zum Zug. Des Weiteren konnte kein offizieller Meh Suff!-Merchandise erworben werden (was mich ehrlich gesagt gar nicht sonderlich gestört hat respektiv mir eh kaum aufgefallen ist).