Folk-Sause im Schatten von Schloss Lenzburg
Schlachten, Trinkgelage, Mythen und Legenden wurden am Samstagabend in der Met-Bar auf musikalischer Ebene thematisiert. Verantwortlich dafür waren auf der einen Seite die jungen Winterthurer Musiker von Ascéal und anderseits die aus der Westschweiz angereisten Haudegen Morgarten. Folk Metal-Liebhaber kamen während den beiden Darbietungen ohne Zweifel auf ihre Kosten. Aber wer konnte am Ende eher überzeugen?
Die einen wohnen dem Fussballmatch des FC Winterthur gegen Wil bei, die anderen erkunden die finsteren Tiefen des Muotathaler Höllochs und meine Wenigkeit reist ins nördliche Seetal um der Live-Musik zu frönen. Wie ihr seht, scheinen mit Programm vollbepackte Samstage langsam wieder zur Norm zu werden. Zum Fussball oder irgendwelchen Wanderungen vermag ich allerdings nicht viel mehr zu berichten. Dafür liegt mein Fokus auf den metallischen Klängen, welche heute Abend aus den Boxen der Met-Bar erklingen sollen.
Die beiden auftretenden Kapellen haben es bisher nicht auf mein Radar geschafft. Erste, vorab getätigte Nachforschungen haben ergeben, dass sowohl Morgarten als auch Ascéal bevorzugt im Folk-Sektor musizieren. Und offenbar scheint das dem Publikum zuzusagen, denn die Warteschlange im Aussenbereich der Lokalität kann sich sehen lassen. Wer übt denn hier bitteschön eine solch starke Anziehungskraft aus? Die Besucher dürstet es augenscheinlich nach mystischen Liedern und Schlachten-Hymnen. Ich bin ebenfalls bereit für meine Dosis aus der Kategorie Horizonterweiterungen.
Ascéal
Das Sextett aus der Eulachstadt eröffnet Punkt 21 Uhr den Konzertreigen. Optisch und auch aufgrund der verwendeten Instrumente erinnern mich Ascéal direkt an Gruppen wie Eluveitie oder Infinitas. Eine Herausforderung für jeden Mischer auf diesem Planeten! Doch dieser ist der ihm gestellten Aufgabe mehrheitlich gewachsen. Einzig das Mikrofon von Michael verweigert praktisch durchgehend seine Funktion. Schade, denn der stimmliche Kontrast zwischen ihm und seiner Kollegin Melissa wäre garantiert eine spannende und hörenswerte Geschichte gewesen… So muss die Dame in der Band die Gesangsarbeit ganz allein stemmen. Ihr «Lärm-Organ» ist eine wahre Wundertüte. Klare Passagen, Growls, opernhafte Sequenzen und vereinzeltes Gekrächze – sozusagen das fleischgewordene Überraschungs-Ei, welches wir alle noch aus Kindestagen bestens kennen.
In Sachen Atmosphäre bewegen wir uns zwischen «Feen-Wald-Mucke» und Trink-Animations-Kompositionen. Eine solche hört beispielsweise auf den Namen «Drink Whisky». Der Auftrag an die Zuhörerschaft kommt deutlich rüber: «Save water, drink whisky!». Das Barpersonal dürfte nach der Show alle Hände voll zu tun haben. Der Track sei übrigens die «Liebesballade» von Trommler Jonas. Er habe zwar schon viel Geld in diese Herzensangelegenheit investiert, aber im Gegenzug stets Inspiration für neues Liedgut erhalten. Meines Erachtens ein fairer Deal.
Sagen und Legenden werden ebenfalls in den Lyrics der Band behandelt. Mit Hilfsmitteln wie Flöten oder einem Dudelsack lässt sich so etwas gleich nochmals besser in Szene setzen. Diesbezüglich ist Imre der Chef. Und sollten weitere Farbtupfer nötig sein, wäre die blau-grüne Haarpracht von Tastenmann Nathan jederzeit zur Stelle. Zwei Covers kommen auch zum Zug. «Havoc» von Elu funktioniert einwandfrei mit diesen Akteuren. «Vodka» aus dem Hause Korpiklaani sollten sie hingegen lieber weglassen… Da passt gerade gesanglich leider herzlich wenig zusammen. Nichtsdestotrotz feiert die Meute Ascéal mit ordentlich Elan ab und kriegt als Bonus im Zugaben-Block abermals den Whisky-Song um die Lauscher geballert.
Morgarten
Die aus Neuchâtel angereisten Morgarten übernehmen um 22.30 Uhr das Zepter. Die Publikumsreihen haben sich mittlerweile ein bisschen gelichtet. Offenbar geniessen Ascéal hier eine höhere Popularität. Sollte man ihre Kollegen aus der Romandie deshalb unterschätzen? Keinesfalls! Sie verdienen ebenfalls eine aufmerksame Betrachtung ihrer Performance. Metalinside-Kumpane Raphi hat sich übrigens intensiv mit dem neuen Silberling «Cry Of The Lost» befasst (die Details gibt’s in seiner Albumkritik nachzulesen).
Leute mit funktionierender Allgemeinbildung und allfällige Hobby-Historiker werden die Bedeutung des Truppennamens wahrscheinlich längst erkannt haben. Korrekt, er basiert auf der gleichnamigen Schlacht aus dem Jahr 1315, in welcher unsere Vorfahren den Habsburgern fleissig auf die Schnauze gehauen haben. Ein beeindruckender Triumph!
Die Herrschaften haben für ihren Gig freilich die passenden Mittelalterklamotten aus der Mottenkiste hervorgekramt. Sie präsentieren uns rund zwei Drittel ihres aktuellen Werkes. Der wuchtige, geschwärzte Folk Metal schlägt ein und kann völlig überzeugen. Das ruft umgehend einige Headbanger auf den Plan. Parallelen zu Ensiferum sind zweifelsohne vorhanden.
Doch selbst bei erfahrenen Routiniers kann nicht immer alles glattlaufen. Wie in jeder Schlacht gibt’s es auch dieses Mal den einen oder anderen Verlust zu beklagen. Deswegen müssen wir um eine Saite von Klampfer Ilann und das Snare Drum seines Gefährten Joël trauern (der hat effektiv ein Loch dort hineingeprügelt!). Der Auftritt wird notabene trotzdem von A bis Z durchgezogen. Dazwischen erzählt Bassist Cédric in charmantem, mit französischem Akzent durchtränktem Englisch diverse Witze. Der Kerl grinst sowieso wie ein Honigkuchenpferd. Liebe Gemeinde, so sieht Spielfreude aus!
Mit «First Blood» beenden Morgarten schliesslich nach 50 Minuten ihr souveränes und fesselndes Gastspiel in Lenzburg. Jetzt brauche ich zuerst einmal ein Feierabend-Bier und anschliessend liegt sicherlich ein Abstecher an den Merchandise-Stand drin. Ein Exemplar von «Cry Of The Lost» würde meine Sammlung bestens ergänzen.
Das Fanzit – Morgarten, Ascéal
Wir haben die Schlacht gewonnen! Morgarten waren in Tat und Wahrheit eine lohnenswerte Neuentdeckung. Ich freue mich schon auf die nächste Begegnung mit den Kriegern von der anderen Seite des «Röschtigrabens». Bei den Jungspunden von Ascéal herrscht zwar noch Luft nach oben, aber sie haben ungeachtet dessen definitiv ein interessantes Projekt am Start. Ausserdem ist die Winterthurer-Grundsympathie eh vorhanden. Erfreulich war eindeutig der grosse Publikumsaufmarsch in der Honigwein-Taverne. So kann’s ungeniert weitergehen!
Setlist – Ascéal
- Trial
- Wild Hunt
- Wildfire
- Drink Whisky
- Valkyrie
- Havoc (Eluveitie-Cover)
- The Chosen
- Two Wolves
- Vodka (Korpiklaani-Cover)
- Farewell
- Drink Whiskey*
*Zugabe
Setlist – Morgarten
- Frères D’Armes
- To Victory
- Dawning Of The Reborn
- Backed To A Flayed Tree
- Peaceful Soul Of The Dying
- Die Or Fight
- Oath Of Allegiance
- Tales Of My Lands
- First Blood*
*Zugabe