Empire 30th Anniversary Tour with Rage for Order
Naja, eigentlich sind es inzwischen ja 32 Jahre Jubiläum, aber dank Corona gerät die Zeitrechnung ein wenig ins Wanken. 2012 ging ein Raunen durch die Prog-Welt. Queensrÿche und der Ausnahmesänger Geoff Tate gingen getrennte Wege. Eine beispiellose Ära fand ein jähes Ende und so mancher Fan fragte sich, wie kann das bloss sein?
Zwar hatte man mit Todd La Torre (Ex-Crimson Glory) einen würdigen Nachfolger gefunden, aber diese Band ohne Geoff Tate? Das war wie bei Marillion, als Fish ging… Eigentlich nicht vorstellbar, aber trotzdem Tatsache.
Nein, man ging keineswegs als Freunde auseinander und nach einer aussergerichtlichen Einigung durfte Geoff Tate während zwei Jahren den Namen Queensrÿche verwenden, wenn auch gleich nicht alleinstehend sondern in Verbindung mit seinem Namen; Geoff Tate – Original lead singer of Queensrÿche. Diese zwei Jahre sind inzwischen vorüber und Mister Tate darf seit 2014 den Bandnamen nicht mehr mit sich in Verbindung bringen.
Wie aber steht es mit den Songs, an denen er massgeblich beteiligt war? Da scheint es aufgrund des Urheberrechts anders zu sein, denn Geoff Tate teilte seinem Publikum mit, dass er und seine Begleitband nicht nur das 1986 erschienene Album «Rage For Order» komplett spielen wird, sondern ebenfalls das 1990 erschienene Album «Empire».
Wer die «alten» Queensrÿche kennt, und das waren wohl nicht wenige im Publikum, weiss, dass es sich dabei um wertvolles Prog-Metal-Kulturgut handelt. Wer die Alben nicht kennt, sollte sich diese unbedingt zu Gemüte führen, denn diese als Meilensteine zu bezeichnen ist alles andere als abwegig.
Geoff Tate, mittlerweile auf der Zielgeraden zum 63. Geburtstag, hatte eine verhältnismässig junge Band am Start, die dem Look nach, jeder anderen Musikrichtung angehörten, nur nicht nach 80er und 90er Metal. Qualitativ hatte das aber keine Nachteile mit sich gebracht. Zwar standen nicht die virtuosesten Gitarristen auf der Bühne, dafür aber gleich deren drei. Metal untypisch blickte man zudem auf ein E-Drum, was nun wirklich eine Seltenheit ist. Der Drum-Sound wirkte dadurch halt sehr synthetisch und war eher gewöhnungsbedürftig. So konnte ich in das ungläubige Gesicht eines befreundeten Schlagzeugers blicken, der auch gleich eine Petition zum Verbot von E-Drums an Metal Konzerten zum Vorschlag brachte. Nun denn, geknallt hatte das Drum trotzdem. Oder sagen wir mal so, es war ein wenig zu viel des Guten.
Schon beim Opener «Walk In The Shadows» stellte man eindrücklich fest, dass es wohl ein sehr lauter Abend werden würde. Der Mischer geizte definitiv nicht mit Lautstärke und gab den tiefen Frequenzen so viel Schub, dass man fünf Meter vor der Bühne ein kräftiges Pochen im Brustkorb verspürte. Das mag für Techno-Futzis durchaus seine Reize haben, hier aber war es «too much». Man sah zwar einen Bassisten, aber das Kick-Drum ballerte so dermassen, dass man den Tieftöner nicht wirklich hören konnte. Wer an diesem Konzert ohne Gehörschutz teilnahm, handelte grobfahrlässig und selbst die tief ins Ohr hineingedrückten Sicherheitsutensilien vermochten ein über Stunden bleibendes Rauschen im Hörkanal nicht vermeiden. Schade, denn obwohl die Songs durchaus Power haben, bedarf es nicht einer hohen Lautstärke, um sie wirken zu lassen – sie sind einfach zu gut.
Geoff Tate, inzwischen nicht nur im Alter gereift, sondern ebenfalls in seiner Statur (null Haare, dafür etliche Pfunde auf den Rippen), stellte mit der ersten Vocal-Passage eines klar. Er gehört immer noch zu den Besten seines Fachs. Es schien mir, als wären zwischen der Rage For Order-Tour, ebenfalls in Luzern, damals im Vorprogramm von Bon Jovi, keine 36 Jahre vergangen. Der Mann brillierte mit einer unverändert grossartigen Stimme und hatte eine Präsenz, die ihresgleichen sucht.
Befremdlich war allerdings die halbstündige Pause nach dem ersten Durchgang. Ein Longplayer der 80er Jahre hat ca. 45 Minuten Laufzeit (mit Gebabbel live also knapp eine Stunde). Andere Bands spielen problemlos ein komplettes 2 Stunden Konzert am Stück. Nicht so Tate und seine Kumpane: die zogen sich für 30 Minuten aus dem Geschehen zurück. Gut für die Konsumation in der Schür und gut fürs Merchandising, das spärlicher nicht hätte sein können. Nun, die Pause hatte aber wenig Einfluss auf die Stimmung der Zuschauer, die, so muss ich leider gestehen, nicht so zahlreich in der Schüür zugegen waren, wie es der Meister durchaus verdient hätte. Durch die Pause zog sich der Auftritt ein wenig in die Länge und da man ohnehin verhältnismässig spät begann, tangierte dies vor allem die mit dem Zug angereisten Fans. Der Fahrplan der SBB richtet sich nun mal nicht nach einem Konzert und so ergab es sich, dass sich die Reihen nach Mitternacht ein wenig lichteten.
Das Fanzit Geoff Tate – Schüür Luzern
Geoff Tate gehört nach wie vor zu den begnadetsten Sängern des Genres. Wo andere Vocalisten im Alter abgeben, zeigte es eindrücklich, dass er noch lange nicht zum alten Eisen gehört. Auch wenn De Garmo, Rockenfield und Konsorten nicht auf der Bühne standen, so fühlte ich mich wieder wie damals, als 20 Jähriger – heute einfach mit sehr lichtem Haar und ebenfalls etlichen Pfunden mehr als damals. Naja, soll mir nicht besser gehen als dem guten Geoff Tate – nur singen kann ich halt immer noch nicht.
Set 1: Rage for Order
- Walk in the Shadows
- I Dream in Infrared
- The Whispera
- Gonna Get Close to You
- The Killing Words
- Surgical Strike
- Neue Regel
- Chemical Youth (We Are Rebellion)
- London
- Screaming in Digital
- I Will Remember
Set 2: Empire
- Best I Can
- The Thin Line
- Jet City Woman
- Della Brown
- Another Rainy Night (Without You)
- Empire
- Resistance
- Silent Lucidity
- Hand on Heart
- One and Only
- Anybody Listening?
Encore
- Last Time in Paris
- Take Hold of the Flame