Sabaton – The Interview to end all Interviews
Kaufi: Die schwedische Kriegsmaschine Sabaton steht mit ihrem zehnten Album in den Startlöchern, Anfang März werden die nächsten Geschichten über den ersten Weltkrieg erzählt. Die Reviews von Sandro und meiner Wenigkeit sind hier und hier zu lesen.
Einige Tage vor dem Release durften wir mit Schlagzeuger Hannes van Dahl das finale Interview der gesamten Promo-Kampagne zu „The War To End All Wars“ führen – es ist in der Tat „The Interview to end all Interviews“! Der Taktgeber von Sabaton zeigte sich als äusserst sympathischer und auskunftsfreudiger Gesprächspartner, der auch viel Humor hat. Es entwickelte sich eine Unterhaltung nicht nur über das neue Album, sondern auch über die kommende Tour in Schweden, den Respekt für Schauspieler, das Interesse an Geschichte und warum Hannes keine Vinyl-Sammlung mehr hat…
The Interview To End All Interviews
Metalinside (Kaufi): Hannes! Wie geht’s Dir?
Hannes van Dahl (HvD): Gut, danke! Und Euch?
MI (Kf): Prima. Hier wurden soeben fasst alle Massnahmen und Restriktionen aufgehoben, Normalität kehrt zurück.
HvD: Ja, bei uns hat vor wenigen Tagen oder Wochen auch alles wieder geöffnet.
MI (Sandro): Wenn wir richtig informiert sind, ist dies das letzte Interview – also quasi „The Interview to end all Interviews“! Wie anstrengend ist es für Euch nach all den Jahren, uns Journalisten immer Red und Antwort zu stehen?
HvD: (grinst) Ganz ehrlich, wir sprechen über neue Musik. Fuckin‘ Hell, das sind gute Dinge, über die man reden kann! Wir müssen uns nicht über Pandemien oder andere hässliche Sachen unterhalten. Ehrlich, ich bin keinesfalls erschöpft und werde dies auch für lange Zeit nicht sein.
MI (Kf): Das letzte Mal haben wir uns ja in Florida getroffen, Oktober 2019, als ihr mit HammerFall auf Tour wart. Ich hab‘ dann noch drei Shows der „Great Tour“ in Europa gesehen, kurz danach stand die Welt still. Wie hast Du persönlich die Zeit genutzt? Familienleben? Oder hast Du ein Projekt verwirklichen können wie beispielsweise Tommy mit seinem Weihnachtsalbum?
HvD: Wir kamen im März zurück aus Russland, als diese Tour abgebrochen wurde. Wenn ich nun auf diese zwei Jahre zurückschaue, dann kann ich sagen, dass ich meine Zeit sinnvoll genutzt habe – sowohl musikalisch / professionell wie auch persönlich. Man hatte so viel Zeit… Aber es ist doch so: In jedem Nachteil ist auch ein Vorteil – wenn Du gewillt bist ihn zu finden! So viel Zeit zu haben mit meiner Familie und meiner Tochter, die jetzt dann in fast genau einem Monat fünf Jahre alt wird, war grossartig. Dafür bin ich dankbar.
Aber auch sonst waren wir nicht untätig. Wir haben massenhaft Musik produziert, wie haben die Gelegenheit genutzt, wenn wir sie schon mal so hatten. Dazu haben wir Dinge gemacht, die wir machen können – anstatt Dinge zu suchen, die wir NICHT machen können. Aber das ist natürlich nicht alles immer mit bester Laune geschehen, denn es waren wirklich Scheisszeiten für so viele Leute.
Das neue Album – Sabaton – The War To End All Wars
MI (SP): Reden wir über „The War To End All Wars“. Unserer Meinung nach ist es ein grossartiges Album geworden. Aber die Songs sind nicht ganz so „catchy“ wie auf dem Vorgänger „The Great War“. Es ist ernster, düsterer und irgendwie erwachsener. Wie würdest Du das einschätzen?
HvD: (scheint etwas überrascht) Oh, das hört sich interessant an. Für mich hat es viel von allem. Es ist eines dieser Alben, welches ich vom Start bis zum Ende durchhören würde. Ich sehe es so: (macht mit den Händen Wellenbewegungen). Du hast „Soldier Of Heaven“ mit seinem totalen „80er Fist in the Air“ Groove, ein sehr spassiger Song in diesem Zusammenhang. Dann hast Du „Hellfighters“, der wohl härteste Song, den wir in vielen Jahren gemacht haben. Für mich ist es wohl einfach die natürliche Weiterentwicklung der Band im Moment, da wo wir stehen.
MI (SP): Inwiefern bist Du selbst beim Songwriting involviert? Wenn ich da beispielsweise an die galoppierenden Drums bei „The Unkillable Soldier“ denke? Wieviel Einfluss hast Du da?
HvD: Es ist ein sehr offener Prozess. Joakim ist der Hauptsongschreiber, war er schon immer. Wenn jemand aber Ideen hat oder Riffs, oder sonst irgendwelche Inputs – das ist immer willkommen. Ja, und die Drumparts sind ziemlich „frei“. Joakim weiss, was ich spielen kann und was ich spielen will. Umgekehrt weiss ich, was er für den Song haben möchte. Diese Zusammenarbeit nach fast zehn Jahren ist sehr natürlich.
MI (Kf): Genau diese angesprochenen Parts habt ihr seit Jahren nicht mehr gemacht – das tönt sehr cool und bringt ein frisches Element in den Sound.
HvD: Ja, und es ist ein sehr dynamischer Song! Es dauert bis zum letzten Chorus, bis es wirklich „tätscht“. Es hat solchen Spass gemacht, das aufzunehmen! Ich mag dynamische Musik… Ich bin ein riesiger Musikfan, von Fleetwod Mac bis Slayer und alles, was dazwischen ist – Give it to me! Es war wie gesagt sehr spassig, so dynamisch zu spielen.
MI (Kf): Bei „Soldier Of Heaven“ habt ihr dann sehr moderne, elektronische Elemente eingebaut. Auch wenn es 80er Style ist – es ist ein ziemlich untypischer Song. Werden wir diese modernen Klänge in Zukunft des Öfteren zu hören bekommen von Sabaton?
HvD: (grinst) Ich weiss es nicht! Da gibt es keine wirklich konkreten Gedanken darüber. Es geht mehr in die Richtung „Haben wir Spass damit“? „Mag es jeder?“ Dann Daumen hoch – Yes, cool, lassen wir es so. Dir muss die Musik selbst gefallen, die du machst. Ich wüsste nicht, wie sie sonst jemand anderem gefallen könnte!
MI (SP): In einem anderen Interview hat Joakim mal gesagt, dass es sehr schwer ist, die Sabaton-Identität zu behalten, ohne sich selbst zu wiederholen. Wie seid ihr mit dieser Challenge umgegangen – und wie gut ist es aus Eurer Sicht gelungen?
HvD: Es ist schon sehr tricky, es sind ja mittlerweile auch zehn Alben! Speziell für ihn als Hauptsongschreiber… Ich meine, du willst dich nicht selbst betrügen, und doch sollte es irgendwie einem gewissen Stil folgen. Aber vielleicht geht’s einfach auf das zurück, was ich vorhin gesagt habe: Wenn es dir gefällt und es ist gut – dann ist das vielleicht schon genug. Aber klar: Es gibt viel hin und her in den Songs! Melodien, die lange, lange Zeit brauchen… (überlegt) Da ist ein Song auf „The Great War“. „The Attack Of The Dead Men“, dieser Track existierte als Demo oder in irgendwelchen Arten schon seit Jahren. Einige Songs brauchen einfach Zeit, mal geht’s etwas vorwärts, dann wieder zurück, aber man muss die Zeit manchmal auch einfach geben. Umgekehrt gibt es aber auch Songs, die man sehr schnell geschrieben hat.
Von Videodrehs und Schauspielerei
MI (Kf): In den letzten etwa zwei Jahren habt ihr einige sehr beeindruckende Videos gedreht. „Livgardet“ als erstes und dann ohne Zweifel das unglaublich beeindruckende „Christmas Truce“. Waren diese Clips eine Art Arbeitstherapie, weil ihr nicht live auftreten konntet?
HvD: Ja, irgendwie war das schon ein Weg, wie wir produktiv bleiben können. Wie ich es vorhin gesagt habe: Was können wir tun? Und dies hatten wir schon lange auch irgendwie geplant, aber wir hatten schlicht nicht die Zeit dafür. Warum also nicht jetzt? Wenn wir es auf sichere Art für alle machen können – dann zur Hölle, ja! Machen wir es! Und zwar so gut wie wir es können.
MI (SP): In „Christmas Truce“ haben ja alle Bandmitglieder auch als Schauspieler fungiert. Wenn Du die Möglichkeit hättest eine Rolle in einem Film oder in einem Remake eines Klassikers zu spielen, welche Rolle wäre das und warum?
HvD: (schaut überrascht und grinst) Zuerst einmal kann ich Dir sagen: Ich würde den Job gar nicht bekommen! (Gelächter) Wenn ich wählen könnte… (überlegt) Omg, was würde das sein… (studiert) Nein, ich würde gar kein Schauspieler sein wollen! (lacht) Ich will Drummer sein!
MI (SP): Aber Du hast das wirklich sehr gut, sehr emotional hinbekommen!
HvD: Danke! Ich wurde in die Luft gejagt! (Gelächter) Das war ungefähr Take Nummer 8! Nimm das… ich habe alle anderen Takes verkackt. (lacht)
Nun ja, wenn es um Schauspieler geht, habe ich immer gedacht, dass dies ein einfacher Job ist. (grinst) Ich habe keine Ahnung, warum ich das dachte. Ich hatte einfach das Gefühl, dass es sehr einfach ist, das zu tun. Aber nachdem ich das selbst probiert habe, mit einem harten Director – Holy Shit! Mein Respekt für die Schauspieler ist in die Höhe katapultiert worden!
Und bei uns – wir hatten ja nicht mal Dialoge. Wir mussten nur die Emotionen zeigen, dann musstest du aufpassen, wo du hinläufst… Jeder Schritt wurde Stunden zuvor geprobt. Du läufst zu schnell – Cut. Du läufst zu langsam – Cut.
Die erste Aufnahme da im Schützengraben… Die Leute machen auch professionelle Filme. Der Typ sagte mir „Du weisst ja, was du zu tun hast, es ist eine Kriegsszene“. Ich sage „No, ich hab keine Ahnung!“. Und er „wir machen das einfach“. Also bin ich losgerannt, so wie ich es gedacht habe, und die ganze Crew begann zu lachen und überall „Cut! Cut!“ Rufe. (Gelächter) Ich so: „Warum lacht ihr alle?“ Und sie „Weil du wie ein Idiot aussiehst!“ (schallendes Gelächter). Danke für diesen Motivationsschub! Wir haben also einige Rehearsals gemacht und schlussendlich hat’s geklappt.
MI (Kf): Wie lange haben denn die Aufnahmen insgesamt gedauert?
HvD: Lass mich überlegen… Viele Aufnahmen waren ohne uns. Nur mit den Bandmitgliedern waren es zwei volle Tage und Nächte, wenn ich mich richtig erinnere. Filmaufnahmen um fünf Uhr morgens… Plötzlich heisst es „Go“! Du machst dich frisch, wirst acht Mal in die Luft gejagt und das war’s…. Es war harte Arbeit! Schauspieler – die sind cool as hell!
MI (Kf): „Soldier of Heaven“ hat auch einen beeindruckenden Clip. Habt ihr solch hohen Berge in Schweden oder wo ist das gefilmt worden?
HvD: (grinst) Grad hier um die Ecke! Nein, das haben wir in Serbien aufgenommen. Auch The Unkillable Soldier“ haben wir da gemacht.
Geschichte
MI (SP): Im Song „Versailles“ heisst es am Ende „Something‘s growing in the dark, war will return, sooner than we think“. Darf man dies als Hinweis sehen für das nächste Album? Ein Album über WWII?
HvD: (zuckt grinsend mit den Schultern)
MI (Kf): Damit rücken sie NIE raus! (Gelächter)
HvD: (Grinst)
MI (Kf): Der geschichtliche Aspekt bei Sabaton ist hinlänglich bekannt. Moderne Geschichtslektionen. Soweit ich weiss, sind es vor allem Joakim und Pär, welche wirklich sehr an dieser Thematik interessiert sind. Interessierst Du Dich selbst auch für die Geschichten und Hintergründe Eurer Texte oder zählt für Dich primär einfach die Musik?
HvD: Das ist eine gute Frage. Als ich damals eingestiegen bin, kam ich von Evergrey und ich habe nur über Musik nachgedacht. Das ist zwar heute auch meistens noch so. Dann kam ich in diese Band und treffe Leute, die sehr interessiert sind an einer gewissen Thematik. Dabei spielt das Thema an sich nicht mal so eine grosse Rolle. Es färbt einfach ab.
Ich interessiere mich durchaus für verschiedene Dinge. Ich komme hierhin und treffe Joakim und Pär, die sich seit Jahren sehr leidenschaftlich dafür interessieren. Und mit der Zeit wurde auch bei mir diese Leidenschaft oder das Interesse geweckt. Am Anfang war ich nicht sehr interessiert, auch wenn ich Geschichte generell als wichtig erachte. Ich hätte auch kein Buch oder so über irgendein Geschehnis gekauft. Aber heute: Oh ja, sicher! Ich kann manches über gewisse Dinge nachlesen, ich mag die Geschichten – Geschichten, wo man sich fragt, warum man noch nie davon gehört hat. Ja, das hat sich sicherlich sehr geändert!
Back on Stage
MI (Kf): Anfang April geht ihr zurück auf die Bühne, so wie es aussieht! (Hannes macht Jubel-Pose). Ich habe gesehen, dass da um die zwanzig Shows oder so in Schweden stattfinden werden. Sind das jetzt kleinere Venues wie z.B. das Z7 in der Schweiz oder sind das grosse Hallen, in denen ihr mit der vollen Produktion auffahren könnt? Wenn ich ehrlich bin, überlege ich mir nämlich grad einen Kurztrip nach Schweden für eine oder zwei Shows dafür… Da würde es mich interessieren, was mich erwarten würde!
HvD: Perfekt, mach das! Wir würden uns sehr freuen! Es wird eine Clubtour mit insgesamt 30 Shows sein, das Ganze startet am 4. April in Örebro. Die Hallen haben ein Fassungsvermögen von zwischen 800 und 1500 Personen, mehr oder weniger. Es ist eine Tour, die wir schon seit Jahren im Sinn hatten. Ich denke, es wird eine der spassigsten Touren sein seit einer langen… der letzten zwei Jahre (grinst).
Natürlich wird es auch eine spezielle Produktion dafür geben, aber aus naheliegenden Gründen müssen wir sie im Vergleich zu den ganz grossen Hallen etwas herunterschrauben. Aber wir werden dadurch nahe bei den Leuten sein, jetzt wo die Pandemie endlich vorüber und vergessen ist (wischt das olle Virus mit den Händen förmlich beiseite). Ich bin wirklich aufgeregt. Momentan diskutieren wir noch, welche Lieder wir spielen werden, aber das ist ein Luxusproblem. Es wird wirklich sehr cool werden!
MI (SP): Auf der „Great Tour“, und natürlich auch in Wacken 2019, habt ihr in Sachen Pyros beinahe schon neue Massstäbe gesetzt. Wie wichtig sind Pyro-Effekte bei einer Sabaton-Show? Pär ist m.W. ausgebildeter Pyro-Techniker – das dürfte einiges vereinfachen?
HvD: Klar, sein Fachwissen ist sicherlich hilfreich. Aus meiner Sicht sind die ganzen Pyro-Effekte eine wunderbare Bereicherung, ein Add-On zur Show, und irgendwie wird sowas ja auch erwartet. Denn wenn man zu einem Konzert geht, wird einem dadurch einfach etwas mehr als „nur“ die Band geboten – was natürlich auch für sich allein toll sein kann. Gleichwohl es ist das Gesamtpaket, das es ausmacht. Aber ich denke auch, dass man sich nicht einfach dahinter verstecken kann, wenn du weisst, was ich meine. Das ist anderen Combos leider bereits passiert. Wenn Band und Show gut sind, können Pyros eine tolle Ergänzung sein, aber wenn die ersten beiden Dinge nicht passen, so kannst du auch nichts damit kaschieren.
MI (SP): Habt ihr bereits eine Idee, welche Songs es auf die Setlist schaffen werden?
HvD: Da sind die Diskussionen bei uns noch voll im Gange. Aber ja, auch das ist wieder ein Luxusproblem, aus der Vielfalt von zehn Alben wählen zu „müssen“. Was für ein Gedanke (lacht). Schlussendlich muss man schauen, dass alle zufrieden sind.
MI (Kf): Spielt einfach lange genug! (Hannes nickt zustimmend)
MI (SP): Welcher Song von „The War To End All Wars“ müsste es aus deiner Sicht auf die Bühne schaffen?
HvD: Mein Lieblingstrack ist momentan – und das kann sich immer mal wieder ändern, da ich mir unsere neue Scheibe seit ein paar Wochen nicht mehr bewusst angehört habe – „Hellfighters“. Ich mag die Story dahinter, ich finde es einfach unglaublich, was sich da alles abgespielt hat. Und es hat mir auch sehr viel Spass gemacht, dieses Solo zusammen mit Chris aufzunehmen; wahrscheinlich mein persönliches Highlight auf dem Album.
MI (Kf): Ich habe vorhin „spielt länger“ gesagt… Ihr habt in Denver nach dem abrupten Ende der Tour mit Judas Priest eine fast schon als legendär zu bezeichnende, zweieinhalbstündige Show gespielt. Wie schwierig ist das für Euch, mit all den alten Songs wie „Gott mit uns“, die ihr länger nicht mehr gespielt habt, die wieder hervorzukramen, sie kurzfristig wieder ins Programm aufzunehmen? Ist das so einfach wie Fahrrad fahren – oder musstet ihr da noch etwas üben vorher? Ich denke da auch speziell an Joakim, kann der alle Texte immer auswendig?
Hvd: (nickt) Zunächst einmal, Joakim kann sich Songtexte unglaublich gut merken. Was der Typ alles in seinem Kopf behält ist einfach verrückt. Je mehr er darüber nachdenkt, umso weniger kann er sich zwar daran erinnern, aber sobald er zu singen beginnt, ist alles wieder da. Einfach genial. Ich denke, das ist für Sänger irgendwie typisch, vielleicht auch für Musiker im Allgemeinen.
Wenn wir auf einer Tournee irgendwo einen Soundcheck machen, und am Ende alle, inklusive dem Tontechniker zufrieden sind, ist es einfach toll, noch einen alten Song einzubauen, den wir schon eine Weile nicht mehr gespielt haben. Einfach, um sich daran zu erinnern (tippt sich an die Stirn). Selbst wenn er so alt ist, dass wir ihn mitten im zweiten Refrain versauen. „Oh ja, das ging ja so“. Und zuweilen haben wir auch schon mal eines unserer Crewmembers gefragt, was wir spielen sollen. Das ist eine nette Art, alte Lieder für uns zu präsent, frisch zu halten. Und es ist spassig, denn jeder liebt es, Musik zu machen, warum also nicht?
MI (Kf): Ich denke, auf der Clubtour könnt ihr auch spontaner sein als auf einer grossen Tour, wo alles miteinander verknüpft und durchgetaktet ist. Zum Beispiel jeden Abend die Setlist ändern.
HvD: Absolut, das würde ich liebend gern machen (lacht). Aber es ist wie erwähnt einfach eine gute Möglichkeit, das Ganze frisch zu halten. Bei der Show in Denver, wo wir ja 2 Stunden und 40 Minuten gespielt haben, hatten wir viele alte Lieder im Set. Zuerst dachten wir uuuuh, ob das wohl gutgeht? Aber wir haben dann in der Nacht zuvor im Bus geprobt, denn schlussendlich hatten wir nur einen Tag Zeit, um die Show zu verkaufen und diese Songs vorzubereiten. Und es war das Beste, was wir tun konnten. Wenn wir es versauen, versauen wir es eben. Eine grosse Sache? Nicht wirklich, nein! Wir sind eine Band, keine Computer! Und so wurde die Show in Denver zu einer wirklich denkwürdigen Nacht und einem würdigen Abschluss einer Tour, die leider vorzeitig beendet werden musste.
Spotify und Vinyl
MI (SP): Spotify, YouTube – generell die virtuellen Plattformen sind heute kaum mehr wegzudenken. Aber wie wichtig ist für euch der Markt mit physischen Tonträgern?
HvD: Sehr wichtig! Nenn uns altmodisch. Bei dir sehe ich viele CDs im Hintergrund (zeigt in Kaufis Büro). Wir mögen es, und wir tun es, und besonders der Markt für Vinyls ist am Explodieren, was einfach fantastisch ist.
MI (Kf): Ihr habt ja auch diese Spezialedition mit Schiesspulver herausgegeben (Hannes nickt: „Stimmt, das war echtes Schiesspulver“). Ich bin sehr altmodisch, wie man ja an all den CDs in meinem Rücken leicht erkennen kann. Ich habe kein Spotify, ich benutze kaum YouTube – ich will immer noch eine klassische CD, die ich in Händen halten und berühren kann. Gibt es irgendwelche Pläne, dass all diese Nicht-Album-Titel wie „Bismarck“, „Defence Of Moscow“, „The Royal Guard“ und „Steel Commanders“ auf einer physischen CD veröffentlicht werden?
HvD: Ich weiss es nicht – das ist die beste Antwort, die ich dir geben kann. Aber ich kann’s gut nachvollziehen. Eins muss ich euch aber gestehen: Ich hatte viele Schallplatten und auch einen Plattenspieler. Und aus irgendeinem Grund habe ich den nahe am Fenster aufbewahrt – nicht hier, sondern in meiner alten Wohnung – und die Sonne hat das ganze Ding komplett verzogen. So ein verdammter Anfängerfehler.
Ich kann mich noch erinnern, wie ich dann das „Bark At The Moon“-Album von Ozzy darauf abspielen wollte (macht Kreisbewegung mit der Hand), und „tiütjü….“ (alle lachen). Ich war so unglaublich enttäuscht, und hatte es irgendwie satt, so dass ich alle meine Vinyls in eine riesige Kiste gepackt und sie Chris geschickt habe. Er ist jetzt der stolze Besitzer all meiner Schallplatten (lacht). Ich habe keine einzige mehr, mal abgesehen natürlich von denjenigen, auf denen ich selbst spiele. Aber gerade in der Metalszene kehren viele wieder zu Vinyl zurück, was ich super cool finde.
Hannes persönlich
MI (SP): Was macht für dich Sabaton so besonders? Ich denke, es ist mehr als auf einem feuerspeienden Panzer zu sitzen, oder?
HvD: Für mich persönlich? Da gibt es eine simple Antwort: Ich kann da mit Personen musizieren, mit denen es einfach unglaublich Spass macht. Ich mag die Leute in der Band, ich mag die Crew, und ich schätze, wir haben wirklich eine gute Zeit zusammen. Und ich glaube, das ist etwas, das man auf der Bühne auch sehr gut sehen kann. That’s it.
MI (Kf): Und dabei hast du sicher auch so einiges erlebt. Was war die verrückteste Geschichte, das verrückteste Ereignis, seit du bei Sabaton bist?
HvD: Ufff (lächelt). Da gibt es eine Menge verrücktes Zeug, schätze ich. Und auch viel Unerwartetes (lehnt sich zurück). Wo soll ich beginnen. Als wir damals Iron Maiden während vier Wochen supportet haben… Darüber haben wir vorhin schon gesprochen, oder? Nein? Ok, da vermische ich wohl zwei Interviews… Auf alle Fälle haben wir an einem Abend in einer riesigen Arena in Spanien gespielt, und auf einmal bemerkte ich, dass Nicko McBrain hinter meinem Panzer stand, ein Bier in der Hand, den Daumen nach oben gereckt (Hannes stellt die Szene nach)… Ich dachte mir nur, what…? Ein supercooles Erlebnis!
MI (Kf): Du bist da nicht aus dem Takt geraten?
HvD: Ich habe einfach versucht, es nicht zu versauen (alle lachen). Aber solche Dinge passieren einfach, und wenn mir das jemand gesagt hätte, als ich 15 Jahre alt war, so hätte ich ihm das nie und nimmer geglaubt.
MI (SP): Wenn du zurückblickst: Wie stark unterscheidet sich dein Leben als Musiker von dem Traum, den du damals als Kind davon hattest?
HvD: Es ist lustig, ich habe nie wirklich darüber nachgedacht. Als ich jung war, wollte ich einfach nur spielen. Natürlich hatte ich Träume, dies oder jenes zu tun. Pyros, in Wacken spielen, solches Zeugs eben. Aber primär habe ich mich darauf konzentriert zu spielen, das stand immer im Vordergrund. Ich wollte einfach nur spielen, und alles andere war mir scheissegal, wirklich. I don’t care, I really didn’t.
Ich hatte eine Freundin, und das Erste, was ich ihr gesagt habe war, dass sie niemals wichtiger sein wird als mein Schlagzeug. Eine tolle Art, eine Beziehung zu beginnen (schmunzelt), klappt perfekt. Bei ihr habe ich das natürlich nicht getan (zeigt in Richtung Wohnung und meint damit selbstredend seine Ehefrau Floor Jansen). Meine Gedanken drehten sich einfach immer nur ums Spielen, einfach weil es Spass macht. Und ich hatte das Glück, viele dieser Träume dann auch wirklich erleben zu dürfen. Das ist unglaublich, absolut unglaublich. Und dann gibt es Momente wie die Show in Wacken, bei denen du dich einfach in den Arm kneifst (macht entsprechende Geste), um sicher zu sein, dass du das alles nicht nur träumst. Wo du denkst: Was tun wir hier?
MI (SP): Wenn wir von Träumen sprechen. Ein Sprichwort besagt, dass jeder Erfolg seinen Preis hat. Was war das Kostbarste, dass du für die Musik opfern musstest – mal abgesehen von besagter Freundin?
HvD: Genau (lächelt und überlegt dann). Ich denke, am offensichtlichsten sind Geburtstage, Hochzeiten, Sommerfeste und so. Ich habe zum Beispiel viele Hochzeiten verpasst, zu denen ich eigentlich gehen wollte. Das ist dann wohl eben der Preis, den man dafür bezahlen muss. Aber das ist es dann eigentlich auch schon. Ich glaube nicht, dass ich extrem viel verpasst habe, was ich nebst der Musik sonst unbedingt tun wollte.
Aber ja, wenn dein bester Freund heiratet und du nicht dabei sein kannst, dann ist das schon ein Wermutstropfen. Aber das bringt der Job nun mal mit sich, und ich denke, dass es sowas in jedem Beruf auf die eine oder andere Weise mal gibt. Und schlussendlich ist die Belohnung höher als das Opfer, daran besteht für mich kein Zweifel.
MI (Kf): Das war’s dann auch fast schon – noch irgendwelche berühmten letzten Worte für die Schweizer Fans?
HvD: Wir sehen uns zuerst in Schweden! (Gelächter)
MI (Kf): Ok, ich versuch’s (lacht).
HvD: Dann hoffe ich natürlich, dass euch die neue Platte gefallen wird. Lasst mich bitte wissen, was ihr davon haltet. Ich bin total stolz und glücklich, wie das Ganze herausgekommen ist. Und ich hoffe, wir können so bald als möglich zu euch kommen! Denn wir sind mehr denn je bereit!
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