Die Romandie erobert Lenzburg!
Sowohl Nerumia als auch Tyrmfar überwanden am Samstagabend den berühmt-berüchtigten «Röschtigraben» und führten den einen oder anderen Stabilitätstest am Gemäuer der Met-Bar durch. Ob die Hütte am Ende noch stand, könnt ihr in den folgenden Zeilen nachlesen.
Endlich wieder normales Leben in der Honigwein-Schenke! Eine neue Ära beginnt! Bleibt zu hoffen, dass wir uns endlich auf sorgenfreiere Augenblicke konzentrieren können. Zu lange dümpelte der Kultur-Sektor in unsicheren Gewässern umher. Hauchen wir ihm jetzt gemeinsam neues Leben ein! Für dieses Unterfangen pilgern zwei Westschweizer-Kapellen in das kleine, aber feine Aargauer Konzert-Lokal. Das scheint sich offenbar zu häufen, denn eine Woche zuvor hat bereits eine Equipe aus Neuchâtel auf dieser Bühne für Furore gesorgt. Dieses Mal gebühren dem Wallis und dem Waadtland die Rollen die Gastkantone. Ich fiebere insbesondere dem Auftritt von Tyrmfar entgegen, denn die letzte Begegnung an der 2018er-Ausgabe der Swiss Metal Attack im Z7 ist mir wahrlich in bester Erinnerung geblieben. Daran kann heute meinetwegen ungeniert angeknüpft werden.
Nerumia
Aber alles zu seiner Zeit. Wir wollen selbstverständlich brav der chronologischen Reihenfolge die Treue halten. Zuerst steht ein Gemisch aus melodiösem Black und Death Metal auf der musikalischen Speisekarte. Dieser Appetitanreger wird uns vom Quartett Nerumia serviert. Der vierte Mann ist bloss notfallmässig als Bassist eingesprungen. In der helvetischen Szene ist er jedoch kein Unbekannter. Leandro S. Pacheco war unter anderem Sänger bei Gonoreas und ist inzwischen hauptsächlich mit seinem Projekt Ean Lord aktiv.
Die Vorbereitungsphase für diesen Gig sei für ihn äusserst sportlich abgelaufen. Es blieb gerade noch Gelegenheit, um sich die Songs auf der Autofahrt nach Lenzburg anzuhören und zu verinnerlichen. Davon bemerkt man während der Show allerdings kaum etwas. Somit «chapeau!» an den Herrn am Tieftöner! Des Weiteren übernimmt Leandro bald die Mehrheit der Ansagen und stachelt das Publikum regelmässig an. Die Reden von Fronter Pascal Rivetti wirken dagegen eher scheu und zurückhaltend (was aber primär an der sprachlichen Barriere liegen dürfte).
Glücklicherweise ist die Musik eine Sprache, die so ziemlich alle verstehen. Und das Gehörte wirkt durchaus solide. Einflüsse von Satyricon oder Rotting Christ können die Akteure auf gar keinen Fall leugnen. Rhythmus-Klampfer Juan Abalo kämpft zwischendurch mit den Zickereien seines Spielgeräts, aber ansonst verläuft die Vorführung ohne grössere Schwierigkeiten. Für den nötigen Coolness-Faktor sorgt der Sonnenbrille tragende Drummer Carlos Bensabat, welcher optisch einen Mix aus Terminator und Joakim Brodén verkörpert.
Tyrmfar
Um 22.30 Uhr geht schliesslich das Wallis an den Start – und legt direkt einmal los wie die Feuerwehr! Alter Schwede, hier wütet gerade ein unbändiger Tornado durch den Raum! Das sind ja unfassbare Energieanfälle. Damit kann die vorangegangene Show von Nerumia eindeutig nicht mithalten. Tyrmfar spielen schlichtweg auf einem ganz anderen Niveau und verfallen in einen regelrechten Rausch. Diese Atmosphäre wirkt sich umgehend auf die Besucher aus. Urplötzlich sind überall muntere Mähnenschüttler zu sehen. Wer nicht gerade mit einer «Rapunzelfrise» gesegnet ist, versucht stattdessen mit intensivem Kopfnicken oder irgendwelchen «Luft-Instrument-Einlagen» trotzdem am Geschehen mitzuwirken.
Porno-Schnauzer-Frontmann Robin entfesselt seinen inneren Barney Greenway. Sein bewegungsfreudiges Treiben erinnert phasenweise tatsächlich an den Schreihals von Napalm Death. Sein Stimmorgan ist ebenfalls beeindruckend. Für gewisse seiner Brüllattacken braucht er überhaupt kein Mikrofon. Robin lebt die Musik effektiv mit jeder Faser seines Körpers. Die übrigen Protagonisten agieren im Vergleich zwar eher stoisch, bringen aber ungeachtet dessen ihre Leistungen.
Die Jungs von Tyrmfar sollte man zurecht auf dem Schirm haben. Weitere Shows in der Deutschschweiz (oder auf irgendwelchen Festivalbühnen dieser Welt) würde ich ihnen absolut gönnen. Im Melodic Black-Bereich sind sie freilich ein heisses Eisen. Und wer weiss? Falls sie am Wacken Metal Battle Ende Mai dieses Jahres triumphieren sollten, würde gar der ganz grosse Coup drin liegen. Von der starken Konkurrenz dürfen sie allerdings kaum mit Geschenken rechnen. Für diese Herausforderung dürfte bei den Wallisern nach dem einstündigen Abrisskommando hier in Lenzburg zweifelsohne ausreichend Selbstvertrauen vorhanden sein.
Das Fanzit – Tyrmfar, Nerumia
«Allez les Romands!» Gerade der bockstarke und überragende Gig von Tyrmfar hat wieder einmal aufgezeigt, dass wir auch auf der anderen Seite des «Röschtigrabens» mit verdammt talentierten Metal-Bands gesegnet sind. Sie konnten sich dank der rundum gelungenen Betreuung durch die Met-Bar Crew vollends entfalten. Ich kann das Quintett mit bestem Gewissen weiterempfehlen. Die Vorfreude auf das bald erscheinende, neue Album ist nochmals gewachsen. Vielleicht liegt ja mal eine gemeinsame Darbietung mit den Kameraden von Morgarten im Bereich des Möglichen?
Setlist – Nerumia
- Apocalyptic Blast
- Soulless Warrior
- Fatal Delirium
- New Era
- Entracte Synth
- Moonakik’s Legenda
- Killed Forgotten By All
Setlist – Tyrmfar
- Intro
- Legions Of Eternity
- Of Ice And Blood
- Inner Destruction
- Humanitys End
- Supreme Justice
- Hunter
- Mountains Of Madness
- Rise Of Chaos
- Illusion Of Choice
- Dying In The Depths
- Dark Hours
- The Altar Of The Damned