Was wäre wenn … ABBA (fiktiv)
Ich bin ehrlich: Ich behaupte alles an Musik und was Musik werden möchte, zu hören, doch Black Metal à la ABBA ist, auch nach dem ich mich lange damit auseinandergesetzt habe, eine Stilrichtung, die mein Herz bisher nicht vollends zu erwärmen vermocht hat, sofern sie das überhaupt soll, ist doch auch das Erzeugen von Furcht, Ärger oder gar Trauer eine Fähigkeit über die nur wenige Musiker verfügen. Ob sie dies durch Talent oder gerade durch das Nicht-Vorhanden-Sein von diesem, erreichen, sei mal dahingestellt.
Mich hat jedenfalls mal wieder die Neugier nach Neuem gepackt. So bin ich losgezogen, zum nächsten Musikdealer und habe mich nach den neusten Veröffentlichungen erkundigt.
Gross angepriesen wurden Tonträger einer schwedischen Band, namens ABBA (All Bees Beats Alan). Bekanntlich ist Metall aus dem Norden besonders hart und meist qualitativ hochwertig geschmiedet, daher habe ich mich beim Besitzer des Plattenladens für seine einstündige Beratung bedankt, bin nach Hause gegangen und habe mir das Album «Voyage» auf Spotify angehört. Schade, dass die Band keinen TikTok Account hat.
ABBA (fiktiv) – Voyage
Track für Track folgt nun die Review
I Still Have Faith In You
Gleich mit der Faust ins Gesicht startet ABBA in das Album. Immer wieder wird im Text erwähnt, dass I faith in den You hat. Die Erklärung, wer dieser „You“ denn ist, fehlt. Zeit also für eine gründliche Analyse und philosophische Abhandlung über dieses brachiale Liedstück:
I still have faith in you: Ich habe noch immer Glaube in dich, sinngemäss vielleicht auch: Ich glaube noch immer an dich – Mein Kopf beginnt sofort an monotheistische Religionen zu denken. Sind wir etwa beim White Metal angelangt? Meine Finger bewegen sich langsam zur Stopp-Taste, doch da singt die Sängerin Agnetha (ehem. Augustus) folgende Zeilen:
There was a union
Of heart and mind
The likes of which are rare
And, oh, so hard to find
Erleichtert beginnt sich mein erschütterter Finger wieder zu entspannen. Black Metal stilecht, wird in diesem Song beschrieben, wie der Antichrist langsam in den Verstand und die Moral (bildlich gesprochen: das Herz), eindringt, diese so zu einer Einheit bindet, was es für ihn einfacher macht den Verdammten zu lenken. Das wird nur selten bemerkt und wenn kriegt man seinen Willen nur schwer wieder zurück. Das Böse lenkt die Welt und ich bin mitschuldig, denn das Böse lebt in mir und lenkt mich wie auch so viele andere. Wahrlich ein pessimistisches Weltbild, aber ich höre mir schliesslich auch gerade Black Metal an.
Leider kommt die Musik nicht der Text-Raffinesse hinterher, wirkt abgedroschen, wie schon hunderte Male gehört.
When You Dance With Me
Langsam sinkt der stark behaarte Kopf nach unten, um dann gleich wieder in die Höhe zu schiessen, was die Frisur, die korrekterweise Mähne genannt werden müsst, aufwirbelt, sie in der Luft tanzen lässt, kurz bevor sie gemeinsam mit dem Kopf wieder Richtung Erde fällt. Dieses Prozedere wird beständig wiederholt. «Kopfknallen» heisst dieser rituelle Tanz und passt genial zu diesem Song. ABBA weiss, was ihre Zuhörer wollen, ihre Zuhörer wissen, dass ABBA weiss was ihre Zuhörer wollen und so weiter.
Vermutlich gerade deswegen klingt das Stück sehr konzipiert, nicht im Sinne von komplexen Passagen oder ähnlichem, eher möglichst an die Hörgewohnheiten des Fans angepasst. Schade. Da hätte man mehr herausholen können.
Little Things
Anni-Frid, die andere Sängerin, zeigt ordentlich, was ihre Kehle so hergibt. Crowlt, grunzt und schreit gemeinsam mit dem Hörer, wenn er dieses Stück Musik hört. Die Kralle des Kapitalismus, die Anpassung des Individuums, der wirtschaftlich gesteuerte Gesellschaftsdruck und weitere weltliche Probleme sind Themen, die in dem Song verarbeitet, besser ausgedrückt: zu Mus gemanscht werden. Nach links, rechts, oben und unten wird ausgeteilt, ein raues Handgemenge verpackt als musikalische Botschaft aus deinem Radio und das politisch unabhängig. Reiner Wahnsinn. Warum der Song dann doch nur 3:40 Minuten dauert, bleibt mir und wahrscheinlich einigen anderen auch, ein Rätsel. Ist es doch recht viel Inhalt in kürzester Zeit. Ich höre mir den Track erneut an, nun fokussierter auf die gesangliche Darbietung und werde erneut von der Genialität dieser Band überrascht.
Klar, viel Bands, gerade im Bereich Rock, werden für lange Lieder gerühmt, für ihre ach so tolle Dramaturgie und musikalische Raffinesse. Nachdem ich diesen Song gehört habe, sage ich: Vergesst diese Phrasen!
ABBA zeigt ihr volles Potenzial innerhalb weniger Minuten und unterstreicht dies, gleichzeitig mit einem Mittelfinger in Richtung der Langen-Songs-Fraktion, baut zusätzlich nach dem Vorbild der Urväter Pink Floyd, einen Kinderchor ein, der die ganzen Thematiken nochmal auf eine weitere, schauerliche Ebene hebt und nur um zu unterstreichen Inhalt kompakt verpacken zu können, wertvolle Spielzeit verbraucht. Ich wünschte, dieser Song wäre noch viel kürzer.
Don’t Shut Me Down
Der Protagonist betrachtet stillschweigend wie Kinder im Park entführt werden, dann geht er nach Hause und kümmert sich nur noch um sein Privatleben. Das in etwa ist der textliche Inhalt von «Dont Shut Me Down» und das, was passiert, wenn wir die Zeitung nach dem Lesen wieder zusammenfalten.
Eher ein Gedicht als ein Lied. Ein Gedicht, untermalt mit harter Musik. So ist es schön und so ist es auch. Wunderbar.
Just A Notion
Endlich wird es ein wenig entspannter, ich kann mich zurücklehnen und nur zuhören. Der Text ist da, damit er da ist und die Musik tut ihr Übriges. Das ist nach all der schwer verdaulichen Kost, die mir bisher auf diesem Album serviert worden ist, wahrlich eine Wohltat. Ein Lückenbüsser, wie ihn nur wenige Meister hinbekommen. Nichtssagend und langweilig. Natürlich bleiben kleine Anspielungen auf grössere Probleme nicht aus und ich beginne mich zu fragen, ob dieser Song doch einen bewusst überspitze sarkastische Grundlage für eine dystopische Zukunftsprognose ist. Daran möchte ich jetzt nicht denken, drehe die Musik auf und die Gedanken runter. Atme nur noch und existiere abgesehen von meinen Gehörgängen nur noch in Erinnerungen. Schön.
I Can Be That Woman
Langes recherchieren und sinnieren über den Text, hat es benötigt, damit ich ihn verstehe. Es wird nochmal aggressiver. Kinnhaken, Muskeln anspannen und noch einen Schlag ungebremst ins Gesicht – so fühle ich mich beim Hören, Zeit um K.O. umzufallen bleibt mir nicht, denn schon wird mir die Leidensgeschichte der geschlechtlichen Identitätsfindung von Agnetha (ehem. Augustus) in die Ohren gebrüllt. Ein Thema, das ich so noch nie im Black-Metal, generell nirgendwo in der Musik, behandelt gehört hatte. Fast wird es mir zu persönlich. Will ich so viel von der Sängerin wissen? Mutig ist es definitiv auf diese Weise an die Öffentlichkeit zu treten. Sich psychisch nackt auszuziehen, die Aussenwelt ungeschützt auf sich einwirken lassen, völlig im Klaren, dass da auch einiges schlechtes, verletzendes dabei sein wird. Wenn das mal nicht Metal ist!
Keep An Eye On Dan
Schön, dass hier endlich mal wieder eine Hommage an Dan daherkommt. Weder gesanglich noch musikalisch ist hier etwas am Track auszusetzen. Es wäre für mich auch sehr schwierig Kritik in Textform zu singen, geschweige denn mit einem Instrument auszudrücken. ABBA beweist, dass ihnen auch einen Abstecher Richtung Industrial gelingt und setzen zusätzlich zu ihren rauen Tönen einen Synthie ein. Einige werden dies vielleicht als Verrat am Black Metal bezeichnen, doch diejenigen kennen wahrscheinlich noch nicht einmal Dan.
Bumblebee
All Bees Beats Alan verwenden ihren Namen auf fast schon humorvolle Weise, um zu besingen, wie die westliche Welt zunehmend mit der Krankheit «Adipositas» zu kämpfen hat. Dementsprechend fett kommt der Sound rüber, fliesst durch den ganzen Körper, rumort in der Magengrube und macht süchtig nach mehr. Benny und Björn holen alles was geht aus ihren Instrumenten heraus. Fast gerät dabei das ernsthafte Thema des Stückes vergessen. Doch die Band beherrscht ihr Handwerk und weiss das umzusetzen, was, wie eingangs erwähnt, nur wenige Künstler beherrschen. So erzeugt sie, mit dem gezielten Einsatz von Blockflöten in der Tonspur, eine ordentliche Portion Angst, gewürzt mit Ekel und transferieren so den Text auch in die Musik.
No Doubt About It
Ich weiss auch nicht mehr, was ich hier schreiben soll. Jeder weiss schliesslich, dass ABBA nichts mit Rock, schon gar nicht mit Metal, am Hut hat und ich diese Pseudo-Review nur mache um irgendwie, irgendwo (irgendwann) herauszustechen, gepaart mit dem, von der Aussenwelt wahrscheinlich als kläglich aufgenommene Versuch lustig zu sein. Der Witz ist doch, sofern er jemals einer war, schon längst auserzählt. Ja ABBA ist keine Metal-Band, sondern ein altes Teenie-Musikprojekt, das 2021 aus […] Gründen noch mal in der Totenruhe gestört wurde.
Und warum mache ich eigentlich diese Review? Weder hör ich ABBA, mag ich ABBA, noch kann ich mit meinen 21 Jahren irgendetwas zu ABBA sagen, was nicht auf Wikipedia steht. Es bleibt jedenfalls mein Running-Gag, zu sagen, ABBA sei die härteste Black-Metal Band. Und das kann mir keiner nehmen, nicht einmal ich mir selbst.
Ode To Freedom
Gegen Ende wird es erneut unbequem. Nahezu jedes politische System wird an den Pranger gestellt, um ihm aufzuzeigen, wie es letzten Endes nur der Einengung des ihm unterstellten Menschen ist. Ein Aufruf zur Anarchie könnte man meinen – FALSCH, denn auch diese bekommt gegen Ende ihr Fett weg. Was bleibt also übrig? Die Möglichkeit zu etwas Neuem? Nichts? Hierzu bleibt die Antwort vorenthalten, der Hörer soll vermutlich beginnen selbst zu denken. Zeit dazu hat er nun, denn das Album ist zu Ende. Sicherlich kein Song für eine Single, doch ein toller Song für das Ende dieses Albums.
Kleiner Funfact: Die Gitarren wurden durch Cellos ersetzt.
Das Fanzit – ABBA (fiktiv) – Voyage
ABBA ist eine Band, die man kennen muss. Für viel zu viele noch ein Geheimtipp doch mit diesem Album definitiv auf dem Weg nach oben (und noch viel weiter). Ich bin mir sicher, dass bald jeder weiss wer und was All Bees Beats Alan ist.
Harte Riffs treffen harte Texte. Bewährte Wege zu komponieren, gehen Hand in Hand mit Offenheit für Neues. Die Liebe zum Black-Metal lässt auch den Einfluss von anderen, unterschiedlichsten Stilrichtungen zu. Später wird man es Erfolgsrezept nennen, heute tüftelt die Band noch daran. Klar ist da noch nicht alles glatt und rein und seltener ein handwerklicher Fehler zu hören, doch das macht meiner Meinung nach gerade guter Musik aus, die gedeiht ohne, dass ein Major-Label seine fettigen Finger auf dem Mischpult platziert und eigenartige Dinge konzipiert, wie eine aufgezeichnete Live-Show, bei der anstelle der Musikgruppe, Avatare der Bandmitglieder auftreten.
Also: Schüttelt ruhig über ABBA die Köpfe, aber wenigstens im Takt der Musik.
PS von pam: Eine rein fiktive Album-Review von Silas, der sich mit dieser Review bei uns als Schreibmeister empfohlen hat. Und das Ziel, unsere Aufmerksamkeit zu gewinnen, absolut erreicht hat. Damit seine Arbeit nicht gleich wieder im Kübel landet, haben wir diese Review hier hochgeladen. Gemeinsamkeiten mit echten Personen und Bands sind also rein zufällig und irgendwie doch gewollt.