Zwischen Rock und Metal
Da sind ist sie wieder: die Kirche Satans, die Gruppe, die ohne Personenkult auskommt, die mit den Masken, die nicht aus Amerika, sondern aus Schweden kommen. Meine Damen und Herren, hier kommt: Ghost!
2018 erschien ihr, bis jetzt, letztes Studio-Album «Prequelle», am 3. März 2020 fand das für die folgenden zwei Jahre letzte Konzert statt, dem Coronavirus hielt nicht einmal die satanistische Kraft von Papa Emeritus IV (Tobias Forge’s Pseudonym, wenn er als Frontmann des Bandprojektes «Ghost» in Erscheinung tritt) stand.
Im September 2021 dann ein Lebenszeichen: Für den Sampler «The Metallica Blacklist», für den diverse Musiker, Songs des «Black» Albums von Metallica coverten, steuerten sie eine Interpretation des Stückes «Enter Sandman» bei.
Ghost – Impera
Und nun liegt eine völlig neue Scheibe vor, wahlweise auch Kassette oder File, auf der die „Nameless Ghouls“ und ihr Meister Ghost erneut beweisen, was sie können.
Der Synthesizer ist im Vergleich zum Vorgänger, mehr in den Hintergrund gerückt. Generell klingt das Album «rockiger» als der Vorgänger. Nahezu-Absurditäten wie ein «Pet Shop Boys» Cover («It’s A Sin») oder ein unerwartetes Saxophon Solo («Miasma») fallen diesmal aus, was nicht bedeutet, dass nicht die eint oder andere Überraschung auf dem Album wartet entdeckt zu werden.
Doch von vorne:
Eingeleitet wird das Werk von einer «Fingerstyle» gespielten Akustik-Stahlsaiten-Gitarre, wechselt in ein Marsch-ähnliches Tambour-Getrommel und fügt sich dann zu einem theatralischen Intro zusammen: Die Ankündigung, eines imposanten Gesamtkunstwerks aus pompösen orchestral aufgebauten Stücken.
In etwa so geht es weiter in «Kaiseron», das mit an Green Day anmutendendem Pop-Punk, mit einem Power-Chords Gitarrenboden einsteigt (als Referenz: Green Day – American Eulogy: Mass Hysteria), in zirka der Hälfte unterbricht dann ein an Slash erinnerndes Gitarrensolo, das den Song in die zweite, eher an Hard Rock angelehnten Hälfte leitet.
Gut möglich, dass Parallelen zu anderen Bands und ihren Songs auf diesem Album nicht nur von mir überinterpretiert, sondern gewollt sind, ist doch das Intro des nachfolgenden Tracks «Spillways» fast schon offensichtlich eine Hommage an Bon Jovi’s «Runaway». Es bleibt nicht nur beim Intro: Bon-Jovi-Hair-Metal typisch wird der Song durch Kopfstimmen-Chöre begleitet. Dem Vorbild ähnlich eingehend ist der Song. Damit könnten sich womöglich selbst «unrockbare» Radio-HörerInnen anfreunden, sofern klassische Funkstationen, sich von der Furcht befreien könnten, massig Hörer zu verlieren, wenn sie mal etwas anderes als die Top 50 Single Charts spielen würden. Jedenfalls herrlich erfrischend diese kleine Retrospektive in die 80er.
«Little Sunshine» hiess die erste Single-Auskoppelung und reiht sich problemlos in eine ganze Reihe aus tollen Ghost-Singles wie «Dance Macabre» oder «Square Hammer» ein. Entsprechend frisst sich der « (Call me …) LITTLE SUNSHINE» -Ohrwurm ins Gedächtnis. Ein eingängiges Instrumental rundet das ganze dann noch zur Vollkommenheit ab. Ein absolutes Muss auf einem Best-of Sampler, sofern es denn irgendwann mal einen geben sollte.
Gleich nachfolgend dann die zweite Single-Auskoppelung: «Hunters Moon», die insgesamt, trotz eines Thrash-Metal-C-Teils melodiöser rüberkommt. Das gesungene «It’s a hunters moon», bleibt allerdings, zumindest bei mir, weniger haften.
Die Platte dreht sich weiter mit «Watcher In The Sky», ein Stück, dass auch ein Wikipedia-Artikel sein könnte, der den Sound von Ghost beschreibt. Musikalisch definitiv nicht schlecht, aber auch nicht sonderlich aufregend oder überraschend. Genau wie der Song fadet auch meine Aufmerksamkeit, die ich an ihn richte, gegen Ende aus.
Horn. Streicher. Düsternis. «Etwas Ungutes ist im Anmarsch» kündigt das nun folgende Intro «Dominion» des Songs «Twenties» an, der dann diese Stimmung allerdings nicht aufgreift, stattdessen ein weiteres, eher aufrüttelndes Intro bereithält. Wieso also dieser Track davor? Die Antwort bleibt mir schuldig. Im Power-Metal-Style rast der Hörer durch «die Zwanziger». Ein rassiges Stück, das zum Tanzen einlädt (sofern man es könnte).
Es folgt mit «Darkness At The Heart Of My Love» die obligatorische Ballade. So obligatorisch, dass selbst das, mittlerweile durch übermässige Nutzung ausgelaugte John Lennon Zitat: «Love is all you need» im Text seinen Platz findet. Weder musikalisch noch gesanglich ist hier objektiv betrachtet etwas auszusetzen, doch es ist eine Ballade, wie so viele zuvor und danach. Irgendwie fehlt hier der Wiedererkennungswert. Das Eigenständige. Und würde ich ihn mir nicht nochmal anhören, hätte ich den Song bereits wieder vergessen.
«The Breakfast Club» ist ein Genre-bezeichnender Film aus den 80ern, eine klassische Ami-High-School-Geschichte. Schade erschien nicht auch zu dieser Zeit der Track «Giftwood»: Besonders im ersten Teil lässt er bei mir Assoziationen mit genau dieser Art von Video-Verleih-Kassetten aufleben. Ein weiteres Hair-Metal Stück, mit einer guten Portion Ghost. Mit einer Spielzeit von 5 Minuten vielleicht, aber eher ein bisschen zu sehr in die Länge gezogen.
Dann geht es auch schon bald dem Ende zu, wie uns ein weiteres Intro («Bite Of Passage») ankündigt, unverzerrte Gitarre, sanft gespielt, ein flüssiger Übergang zu «Respire On The Spitalfields», ein melodiöses Stück, mit dezentem Einsatz von Klavier. Genre mässig am ehnsten als «Melodic-Power-Metal» (?) einzuordnen. Würde ich diesen Song auch losgelöst vom Album hören? Schwer zu sagen, vermutlich nicht. Ein Lückenbüsser allerdings ist er auch nicht, eher das tolle Outro eines tollen Albums.
Das Fanzit – Ghost – Impera
Generell klingt dieses Album, wie bereits erwähnt, mehr nach einem Ghost Sound, der sich irgendwo zwischen Rock und Metal bewegt, als sein Vorgänger. Mehreren Internet-Foren war zu entnehmen, dass einige Hörer mit «Prequelle» nicht sonderlich viel anfangen konnten, es gab gar böse Vergleiche mit scheusslichen Gesichtern und Klängen aus der Pop-Szene, ein Schritt zu weit meiner Meinung nach, denn auch dieses Album war ein komplexes Meisterwerk und keine Hommage an eine K-Pop Boygroup oder eine Glorifizierung von «Take That»,
Ich will an dieser Stelle auf keinen Fall das aktuelle Album diskreditieren, aber meiner Meinung nach war der Vorgänger, gerade weil er eine andere Richtung einschlug, als von ausserhalb erwartet und gewünscht wurde, deutlich mutiger als «Impera», das allerdings, wenn ich ehrlich bin, auch eher meinen Geschmack trifft.
Reinhören und CD/Vinyl portofrei erhalten