Dance, dance, dance! Dance with me!
Okay, nach Metalcore hört sich das eigentlich nicht an. Und auch wenn diese Zeilen des Titeltracks der frisch getauften Scheibe «Puppet Dance» nicht (nur) eine Tanzaufforderung sind, hat das Publikum diese während dem Auftritt von Royal Desolation genau so interpretiert. Den Auftakt zur Release Party, welche am 23. April in Brugg stattfand, machten vier weitere Schweizer Bands.
Release Party zu «Puppet Dance»
Für den Release ihres Debütalbums «Puppet Dance» haben sich die Metalcorer Royal Desolation ganz schön ins Zeug gelegt: Nicht eine, nicht zwei, nicht drei Bands haben sie verpflichtet, nein, ganze vier Acts unterstützen sie bei der Release Party. Es erwartet uns also ganz viel Musik: Der einige Tage vorher veröffentlichte Zeitplan verrät, dass jede Band 45 Minuten spielt, und Royal Desolation für ganze 80 Minuten Unterhaltung sorgen.
Schon vor der Location kommen wir mit Bekannten von C.R.A.T. ins Gespräch. Überhaupt scheint jede Band ihre Fans und Bekannten mitgebracht zu haben, und so wird der Konzertraum später alles andere als leer sein. Erstaunlich, wenn man bedenkt, wie viele Konzertalternativen es heute geben würde.
Für mich ist der heutige Abend gleichzeitig der erste Besuch im Brugger Piccadilly. Die bunt bemalte Fassade (u.a. mit ‘Brugglyn’-Bemalung und einem Schild des Londoner ‘Piccadilly Circus’) schreit förmlich nach Jugendkulturhaus. Nach der Sicherheits- und Ticketkontrolle geht es einen Stock runter, vorbei an der Sofa-Ecke, den Toiletten und dem Aussenbereich, rein in den Konzertraum.
Stone Hail
Als wir diesen Raum betreten, haben Stone Hail gerade begonnen, mit «Wrong Decision» einzuheizen. Dass die Bühne gleich beim Eingang steht, ist unerwartet, und so bleiben wir in der Nähe – etwas abseits vom Besucherstrom – stehen. Die Stützsäule gleich mittig vor der Bühne ist etwas gar unglücklich gewählt, jedoch ist diese Sichteinschränkung einem Dacheinsturz gegenüber zu bevorzugen. Nichtsdestotrotz beeinträchtigt der Pfosten die Sicht auf die Bühne etwas gar stark, und führt auch dazu, dass man je nach Positionierung und Bewegungsdrang der Musiker Teile der Bands fast gar nicht sieht.
Bei Stone Hail aus Interlaken ist dies jedoch kein Problem, denn insbesondere der mit tief ins Gesicht gezogenem Cap bestückte Fronter A.D. vernachlässigt keine der beiden Bühnenseiten und wechselt immer wieder von links nach rechts und auch sehr gerne runter ins Publikum. Mehr als einmal bekommt ein dort stehendes (und headbangendes!) Kind ein high five, und gegen Ende rockt besagtes Kind zusammen mit A.D. und Gitarrist Peace die Tanzfläche!
Musikalisch siedle ich Stone Hail irgendwo zwischen Clawfinger, Hatebreed und Mad Sox an. Bei Letzteren hielt Sänger A.D. früher das Mikro in der Hand und trägt auch heute stolz ein Shirt der Solothurner Crossover-Band. Dank kurzweiligem Thrashcore, einigen Ansagen und dem einen oder anderen Megafon-Effekt vergeht der Auftritt von Stone Hail fast ein wenig zu schnell.
Setlist – Stone Hail
- Wrong Decision
- Thirsty
- Faked Illusions
- Influencer
- Scott Song
- Give A Shit About It
- Preaching Water Drinking Winestone
- Dumbass
- Admire Yourself
- Timebomb
- What’s Inside?
Ophelia’s Eye
Umzubauen gibt es nicht allzu viel: Das Royal Desolation-Schlagzeug steht bereits da und wird von allen fünf Bands bespielt. Lediglich einige einzelne Becken werden jeweils zusammen mit sonstigem Gear ausgetauscht. Auch alle Backdrops sind bereits aufgehängt und werden Stück für Stück runtergenommen, sobald die Bands durch sind.
Nach einer entsprechend kurzen Pause und einem Besuch an der Bar (wo es auch lokales Bier und eine äusserst feine Ingwer-Limo gibt) geht es mit Ophelia’s Eye gleich schon wieder los. Auch die Dulliker haben vor kurzem – genau eine Woche vor Royal Desolation – ihr Debütalbum veröffentlicht. Es nennt sich «Hopeless World» und bildet mit seinen sechs Tracks und den vier bereits früher veröffentlichten Stücken die Setlist. «Straffes Programm», wie der ebenfalls mit Cap ausgestattete Vocalist Michel mehrmals betont. Auch wenn der visuelle Anblick etwas anderes vermuten lässt, ist die Truppe musikalisch ziemlich klar dem Death Metal zuzuordnen. So haben wir von der Härte der Musik her den Höhepunkt des Abends wohl bereits erreicht.
Mir persönlich hat der Track am besten zugesagt, der als von der Gitarristin Corinne geschrieben angekündet wird. Wie der Titel nun genau lautete, war wegen den gebrüllten Titelansagen schwer zu verstehen. Beim Anhören im Nachhinein wage ich jedoch zu behaupten, dass dies «I’m Explosive» gewesen sein müsste…
Setlist – Ophelia’s Eye
- Ophelia’s Eye
- Pain And Sorrow
- Speak Words Of Destruction
- The Demon Behind My Mind
- Fuck My Trust
- Fight For Us
- I’m Explosive
- Hopeless World
- My Honor
- Human Abyss
C.R.A.T.
Der dritte Act des Abends hört auf den Namen C.R.A.T. Gemäss eigenem Beschrieb habe sich mit dem Zugang des Sängers Martin sowohl die Musik als auch der Name (früher nannten sich die Jungs Craticula) geändert. Genau dieser Martin zieht dann auch auf der Bühne viel Aufmerksamkeit auf sich – trotz am rechten Bühnenrand stehendem C.R.A.T.-Fähnrich.
Da ich selber auf der linken Seite in der Nähe des Eingangs stehe, liegt mein Fokus jedoch stark auf den hier spielenden Musikern und dem Schlagzeug. Diese Gitarrenriffs könnten teilweise direkt von Slayer stammen! Doch wenn auch gewisse Thrash-Einflüsse auszumachen sind (und anscheinend auch bei Craticula stärker vorhanden waren), trumpfen C.R.A.T. mit sowas wie Heavy Rock auf. Dieses Rezept funktioniert, wenn auch das Publikum ungewohnt inaktiv ist.
Gespielt werden heute – so vermute ich – vor allem Songs vom sich in Vorbereitung befindenden Album «Changing Routes», dessen Titeltrack dann auch als Abschluss der Setlist fungiert. Es folgt die nächste Pause, in welcher einige Royal Desolation-Musiker bereits geschminkt zu sehen sind.
Setlist – C.R.A.T.
- Start The Show
- Release Me
- Lonesome Cowboy
- Now Or Never
- Memory
- Standby
- Rule The World
- Train To Nowhere
- Changing Routes
The Hunt
Auch wenn schon C.R.A.T. rockig unterwegs waren, tanzen The Hunt aus Thun noch ein wenig stärker aus der Reihe. Wir verorten deren Musik irgendwo zwischen Linkin Park und einer härteren Version der Lovebugs. Das Publikum wird mit dieser Darbietung also wieder nicht zu mehr Aktivität angeregt, auch wenn dies keineswegs an der musikalischen Leistung der Band liegt. Trotzdem frage ich mich, ob nicht besser Ophelia’s Eye diesen vorletzten Platz in der Running Order eingenommen hätte…
À propos Linkin Park: Mit einem strahlenden Lächeln kündet Sänger Rolf gegen Ende an, dass ein Song kommt, den wir alle kennen. Gespielt wird dann «One Step Closer» von Linkin Park, gefolgt von zwei weiteren Songs. Das vier Acts lange Vorprogramm ist nun zu Ende und viele fleissige Musiker helfen dem Protagonisten des Abends bei den Vorbereitungen auf der Bühne. Derweil sieht man im Publikum den einen oder anderen Hot Dog durchflitzen. Doch dank einem frühzeitigen Besuch beim City Grill am Bahnhof verlangt mein Magen noch immer nur nach Flüssignahrung.
Setlist – The Hunt
- Shelter
- Extasy
- Back To Me
- Falling
- Run
- Storm
- Inside
- I Am
- Cyrcle
- One Step Closer (Linkin Park Cover)
- Burning Sun
- I See Stars
Royal Desolation
Nach dem Umbau und einer kurzen Kunstpause betritt ein Typ – wahrscheinlich ein Freund der Band – die Bühne und kündet vor Motivation nur so strotzend den Star des Abends an. Das am Vortag releaste Album hält er derweil in CD-Form bereits in den Händen und tauft es kurzerhand selber, indem er mehrmals Bier darüberkippt. Dieser Punkt wäre dann wohl abgehakt! Er erwähnt noch kurz die einzelnen Musiker und dann ertönt ein Intro, während welchem diese einzeln die Bühne betreten.
Wer mich kennt oder zwischendurch meine Berichte liest, weiss, dass dieses Core nicht etwas ist, mit dem ich viel am Hut habe. Ausser vielleicht bei Tuxedoo, aber das ist eine andere Geschichte. Doch als ich vor einigen Wochen die noch wenigen Singles hörte, die Royal Desolation bereits veröffentlicht hatten, war ein Besuch an der heutigen Release Party fast schon beschlossene Sache. Meine Vermutung, dass da enorm viel Potenzial versteckt ist, sollte sich mit dem Release der Single «Puppet Dance» und des ganzen Albums sowie mit dem jetzigen Auftritt bestätigen.
Eine erste Bestätigung ebendieses Gefühls ist das eingangs gespielte «Killer And Monster». Rhythmisches Intro, an Alexi Laiho erinnernde Vocals (ich weiss, das habe ich vor kurzem schon zu Crisix geschrieben), ein supercharakteristisches ‘thiiis is my revenge-a’, an Michael Poulsen erinnernde cleane Vocals, das leicht verzögerte ‘monster’, Synthi… Dazu noch einfach fett vorgetragen! Eine detaillierte Beschreibung spare ich mir für die kommende Albumreview, doch dass die allesamt geschminkten Jungs absolut ready sind, zeigen sie ab der ersten Sekunde.
Dies wird auch sofort mittels Publikumsbewegung à la Moshpit gewürdigt. Zugegeben, die heutigen Headliner haben da einen leichten Vorteil, da die übrige ‘mosh-fähige’ Musik bereits zu Beginn des Abends verballert wurde, und inzwischen auch der etwas behindernde Tisch in der Saalmitte weggestellt wurde. Ausnahmsweise halte ich mich jedoch aus dem Pit und huldige der Band mit Haareschwingen und in die Höhe gestreckter Horns. Aber da drin wird sogar sowas wie Zumba getanzt, gleich neben der Ich-kann-kaum-noch-gerade-stehen-Fraktion! Zwischendurch zweifle ich kurz daran, dass das gut ausgeht, aber meines Wissens gab es schlussendlich keine Verletzte.
Die Setlist besteht grösstenteils aus dem frisch getauften Album «Puppet Dance». Zwei dieser Songs («We Will Not Fall» und «Army Of Desolation») wurden bereits 2020 resp. 2021 veröffentlicht und den Titeltrack kennen wir ebenfalls seit letzter Woche. Gleich nach diesem Brett gibt es eine kurze Verschnaufpause für alle ausser Drummer Gregory. Dieser ist mit einem Solo an der Reihe und brettert uns seine Beats entgegen. Ganz stark! Bereits vergangene Aufeinandertreffen mit Gregy (als Drummer einer Jubla-Band, von Up Rising sowie einer Guggenmusig) haben gezeigt, dass dieser Mann sein Handwerk versteht. Doch was er heute (nicht nur während dem Solo) liefert, ist ganz grosse Klasse.
Das Gleiche darf übrigens über jeden Einzelnen gesagt werden. Leadsänger Räffu kotzt sich für uns die Seele aus dem Leib. Leadgitarrist und Songwriter Taylor überzeugt mit sehr sauberem Spiel – das kann ich aus nächster Nähe beobachten. Bassist Yannick bekomme ich des Pfostens wegen leider nicht allzu oft zu Gesicht, doch bei seinen Ausflügen auf die rechte Bühnenseite scheint auch er sehr energiegeladen. Clean Singer und Rhythmusgitarrist Nathan leistet ganze Arbeit und glänzt in dieser Doppelaufgabe. Seine Gesangsparts sind je nach Song so präsent, dass man statt ‘lead singer’ und ‘clean singer’ eigentlich ‘harsh singer’ und ‘clean singer’ ankünden dürfte…!
Auf das Drumsolo folgt ein kleiner Publikumswettbewerb: Zwei Besucher dürfen auf der Bühne gegeneinander im Biertrinken antreten. Der Gewinner erspielt sich eine CD, geht dann jedoch beim Stagedive-Versuch etwas erbärmlich unter.
Die Band setzt sechs weitere Songs obendrauf, wovon zwei als Zugabe gespielt werden. Der letzte davon, das bereits erwähnte «We Will Not Fall» soll mich noch den gesamten Heimweg und bis ins Bett als Ohrwurm begleiten…
Nach dem Konzert ist vor der Party (oder so)! Auf jeden Fall erscheint Gregy nochmals auf der Bühne und bittet darum, noch nicht gleich abzuhauen, sondern stattdessen auf ein Bierchen zu bleiben und den Abend zu den Klängen des Metal DJs ausklingen zu lassen.
Setlist – Royal Desolation
- Intro / Killer And Monster
- Schizophrenia
- Dead Inside
- Unbreakable
- Army Of Desolation
- No One Will Survive
- Puppet Dance
- Drum Solo & Wettsaufen
- Lost In The Day
- One Of A Kind
- Memories Of Pain
- Downfall
- Runaway*
- We Will Not Fall*
*Zugabe
Das Fanzit – Royal Desolation, The Hunt, C.R.A.T., Ophelia’s Eye, Stone Hail
Royal Desolation haben sich für ihre Release Party ein Datum ausgesucht, an welchem Anhänger der harten Klänge die Qual der Wahl haben. Dynazty in der Hall Of Fame, QL in der Musigburg, Mabon im Ölfleck, Felskinn und Molotov Train in der Metbar, Fiddler’s Green im Z7, Ost+Front im Oxil… Diese Liste ist kaum abschliessend, und doch haben es Royal Desolation und Co. geschafft, ‘das Pic’ zu füllen. Im Gespräch verrät mir Gitarrist Taylor, dass die Location auf dem Papier ausverkauft war.
Jene, die sich für Brugg entschieden haben, bekamen über vier Stunden Livemusik geliefert. Die allesamt sehr jungen Bands haben in dieser sehr sympathischen Location gezeigt, dass Livemusik eben doch nicht ersetzt werden kann. Der Intensitätssteigerung hätte eine andere Reihenfolge bestimmt zugetan (z. B. The Hunt -> C.R.A.T. -> Stone Hail -> Ophelia’s Eye -> Royal Desolation). Doch die Intensität ist (zu Recht!) nicht das einzige Kriterium, und auch die tatsächliche Running Order hat gut funktioniert.
Mit Stone Hail habe ich eine neue Band entdeckt, welche ich bestimmt weiterverfolgen werde. Ophelia’s Eye haben wie mich wie schon letztes Jahr in der Metbar (Review von Dutti) von sich überzeugt. Und Royal Desolation haben für einen ganz fetten Abriss gesorgt! Verdient gehen sie nicht nur als Headliner, Organisatoren und Protagonisten, sondern auch als Gewinner des Abends nach Hause. Hoffentlich machen die königlichen Jungs etwas aus ihrem Potenzial und versorgen uns auch in Zukunft mit böser Musik und schweisstreibenden Auftritten!