Dark Tranquillity - Schüür Luzern 2022
Sa, 7. Mai 2022

Dark Tranquillity, Ensiferum, Pyogenesis, The Legion:Ghost

Konzerthaus Schüür (Luzern, CH)
24.05.2022
Dark Tranquillity - Schüür Luzern 2022

Eine Sauna namens Schüür

Ihre diesjährige Headliner-Tournee führte die beiden metallischen Grössen Dark Tranquillty und Ensiferum am Abend des 7. Mai in die Luzerner Schüür. Die einen Akteure mögen es eher melancholisch-melodiös, während bei der anderen Truppe feierliche, durstig machende Folklore im Zentrum steht. Trotzdem vermochten beide auf ihre Art zu überzeugen. Obendrein hatte man mit Pyogenesis und The Legion:Ghost zwei ideale Einheizer im Gepäck. Mehr dazu in den nachfolgenden, schweissdurchtränkten Zeilen.

Mein Metalinside-Kollege Domi ist heute Abend leider verhindert, weshalb ich für ihn in die Bresche springen und die bevorstehenden Shows in schriftlicher Form festhalten darf. Mache ich natürlich liebend gerne, denn bei diesem Line-Up ist das Herumgammeln in der heimischen Stube definitiv keine Option! Schliesslich hat Metal Storm Concerts zwei vielerorts populäre und unterhaltsame Kapellen in die Zentralschweiz gelotst. Endlich können Dark Tranquillity dem Publikum die Hymnen ihres neuen Meisterwerks «Moment» präsentieren. Da kribbelt es den Musikern sicherlich zünftig unter den Fingernägeln. Mit Ensiferum – dem anderen Headliner – hatte ich bereits Anfang des Jahres am Meh Suff! Winter-Festivals das Vergnügen. Damals war jedoch Tastenmann und Klarsänger Pekka Montin unglücklicherweise nicht mit von der Partie. Seine Dienste und Fähigkeiten werden die Leistung der Finnen dieses Mal mit grosser Wahrscheinlichkeit direkt nochmals ordentlich pushen. Es ist effektiv alles angerichtet für einen fantastischen Konzertabend.

Die Veranstalter dürfen sich an einer bis unters Dach gefüllten Location erfreuen. Mittlerweile bin ich zwar auch eher Anhänger von nicht restlos ausverkauften Gigs, aber den Gastgebern sei dieser Erfolg trotzdem völlig gegönnt. Es ist möglicherweise sowieso mein allererster «Sold Out»-Event nach der ganzen «Pest-Misere». Vielleicht wirkt die Geschichte deshalb so ungewohnt. Da man praktisch an jede Ecke auf vertraute Antlitze trifft, wird der Gang zur Bar oder das generelle Vorwärtskommen beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Dank exzellentem Uhren-Management stehen wir ungeachtet dessen rechtzeitig und mit Getränk in der Hand vor der Bühne. Die grosse Masse hat den Weg in den ersten Stock noch nicht gefunden, weswegen sogar noch ausreichend Bewegungsfreiheit herrscht.

The Legion:Ghost

Das Warm Up-Programm wurde komplett in deutsche Hände gelegt. Zuerst fühlen The Legion:Ghost den Puls der Zuhörerschaft. Die sympathischen, stets breit grinsenden Honigkuchenpferde ziehen das Publikum unglaublich schnell auf ihre Seite. Der Mix aus Modern Metal und Metal schlägt wuchtig ein! Fronter Kevin bittet uns eh darum, die Aufwärm-Sequenz ernst zu nehmen. Dieser Aufforderung kommen wir logischerweise nach. Bei dieser schwungvollen Performance fällt es einem spielend leicht. Beim Song «The Price» verwandelt sich der Saal in ein Meer aus Handytaschenlampen, was fraglos ein tolles Motiv für die anwesenden Fotografen darstellen dürfte. Schade nur, dass diese dreissig Minuten viel zu rasch ihrem Ende entgegen brausen. Doch ich bin überzeugt, dass der Fünfer einige neue Fans dazugewonnen hat und ausserdem – wie gewünscht – viel Liebe über seine «social media»-Kanäle erhalten wird.

Pyogenesis

Alternative Rock, Metal, Punk, Gothic etc. – die nächste Kapelle hat offenbar diverse Stile in ihrem Repertoire. Genau wie The Legion:Ghost reissen nun auch Pyogenesis die «Spielwiese» mit ihren wilden, teilweise undefinierbaren Kompositionen ab. Saustark! Frontmann Flo (der gemäss Einschätzung einer meiner Kollegen Ähnlichkeiten zu Johnny Depp aufweist) ist die geborene Rampensau! Der weiss ganz genau, wie er die Zuhörerschaft in seinen Bann ziehen und motivieren kann. Aufgrund dessen grölt und singt die Meute bei Stücken wie «Blaze, My Northern Flame» oder «Flesh And Hair» (dessen Refrain sich wohl tagelang in meinen Gehörgängen festbeissen wird) lauthals mit, was die Musiker arg verblüfft aus der Wäsche gucken lässt. Mit einer solch imposanten Resonanz haben sie offensichtlich in keiner Weise gerechnet.

Die Bespassungs-Sequenzen gehen konstant weiter. Plötzlich wird ein Wasserball zu den Fans hinuntergeschleudert und danach selbstverständlich jeder damit herumjonglieren. Dass das Spielgerät am Ende des Tracks artig zurückgegeben wird, veranlasst Flo zu einer Danksagung. Diese Bälle seien eben extrem teuer. Dass er kurz darauf seine Gitarre, die tendenziell noch ein paar Euronen mehr Kosten dürfte, einige Meter durch die Luft seinem Roadie zuwirft, ist dann exakt Humor nach meinem Geschmack (es geht notabene gottlob nix zu Bruch). Nach der Show muss ich mir jedenfalls unbedingt das Merchandise-Angebot reinziehen. Diese Herrschaften haben freilich Unterstützung verdient.

Ensiferum

Saunabesuche sind im Land der tausend Seen fester Bestandteil des Alltags. Deswegen dürften Ensiferum mit den inzwischen in der Schüür herrschenden Temperaturen kaum Probleme bekunden. Bei den Besuchern bin ich mir diesbezüglich nicht hundertprozentig sicher. Die nächste Stunde steht jedenfalls komplett im Zeichen des Schweisses. Es wird gefeiert, als gäbe es kein Morgen. Das nordische Quintett verwandelt die Scheune in ein Tollhaus. Weiter vorne sind eskalierende Moshpits zu sehen. Die Epic Folk Metal-Sause ist in Tat und Wahrheit lanciert!

Wie bereits in der Einleitung angedeutet, gilt meine Aufmerksamkeit hauptsächlich dem Neuling Pekka Montin. Mein lieber Scholli, dessen kraftvolles Stimmorgan ist glasklar eine Verstärkung für die Equipe. Der Keyboard-Irokese klettert die Tonleiter in gekonnter Manier hinauf und bringt jede Menge Power ins Spiel. Hammermässig! Seine Kollegen liefern gleicherweise souverän ab. Der Kilt tragende Basser Sami Hinkka geizt sowieso nur selten bei seinen Energieanfällen und Gesichtsentgleisungen. Derweil beweist Axtmann Markus Toivonen, dass man auch mit einem kleinen Zöpfchen locker Kopfnick-Gymnastik betreiben kann.

Das aktuelle Eisen «Thalassic» wird mit vier Liedern berücksichtigt. Allerdings kommen ebenfalls Klassiker der Marke «Into Battle» oder das gewohnt mehrheitlich von Markus vorgetragene «Lai Lai Hei» zum Zug. Derweil bezeichnet Anführer Petri Lindroos kurz vor «In My Sword I Trust» die Krücke eines Gastes als vertrauenswürdiges Schwert. Jep, die Finnen stellen alle zufrieden. Der Druck bei den nach ihnen aufspielenden Dark Tranquillity wächst und wächst.

Dark Tranquillity

Die Schweden greifen ihrerseits um 22.20 Uhr ins Geschehen ein und haben nach wie vor einen vollen Saal vor sich. Sie setzen – ähnlich wie schon bei vergangenen Auftritten – auf multimediale Hilfsmittel in Form eines Videoprojektors und einer Leinwand. Über Letztgenannte flimmern wahlweise Clips und Lyrics der gespielten Stücke. Also die Inszenierung ist fraglos eines Headliners würdig, aber wie sieht’s mit der Leistung aus? Die ist schlichtweg ÜBERRAGEND! Meine Fresse! Es tut so gut, alle diese Gruppen endlich wieder in Aktion erleben zu dürfen. Die Spielfreude ist durchwegs spürbar. Sänger Mikael Stanne ist diesbezüglich das optimale Beispiel: Bitterböse Growls ins Mikro brüllen und krächzen, aber ansonsten den Strahlemann in Person raushängen lassen. Dieser Aura kann man sich nie wirklich entziehen. Ich muss bei diesem Anblick immer an die Aussage von Kaufi denken, dass dieser Typ wirklich einmal in den Anfängen bei HammerFall engagiert war. Eventuell wäre er in einem Paralleluniversum ja immer noch dort. Mir ist jedoch unsere Zeitlinie lieber. Mikael passt hervorragend zu Dark Tranquillity und HammerFall haben mit Joacim Cans schliesslich ebenfalls eine exzellente Stimme in ihren Reihen.

Erwartungsgemäss zündet das «Moment»-Liedgut auch im Live-Gewand. Zu hören gibt’s «Identical To None», «Transient», «The Dark Unbroken» und «Phantom Days». Meinetwegen hätten sie sogar die komplette Scheibe durchzocken können, aber andererseits haben die älteren Kompositionen des Sextetts zurecht einen Platz in der Setliste verdient. Packende Angelegenheiten wie «Lost To Apathy» will schliesslich niemand missen, oder? Nein, die Songauswahl ist ohne Zweifel ein waschechtes Verwöhnprogramm für die Gehörgänge der Besucher. Diese bejubeln ihre Helden mit vollem Elan. Gemäss Aussage des Fronters seien wir Schweizer «fucked up – but in the best possible way!»

Zum Schluss noch kurz eine Information zur Personalthematik. Allenfalls ist es den aufmerksamen Fans bereits aufgefallen, aber der ehrenwerte Christ Amott ist ja gar nicht am Start! Seine Abwesenheit hat allerdings einen guten Grund. Der jüngere Bruder von Arch Enemy-Maestro Michael ist kürzlich Vater einer Tochter geworden und weilt deshalb in der Heimat (Glückwunsch von unserer Seite!). Sein Ersatz Joey Concepcion vertritt ihn als würdigen «Padawan» (zumindest stellt uns Mikael den Gitarristen so vor).

Das Fanzit – Dark Tranquillity, Ensiferum, Pyogenesis, The Legion:Ghost

Ein fettes Dankeschön in Richtung Metal Storm Concerts für diesen Konzert-Höhepunkt in der ausverkauften Schüür! Alle Bands können überzeugen. Irgendwie hat jede Formation nochmals eine Schippe draufgelegt. Die wunderbare Stimmung in der Location hat die Künstler garantiert zusätzlich motiviert. Ausserdem sorgten die Techniker für eine astreine Soundqualität. Und jetzt schleunigst ab unter die Dusche! Das ist nach diesem «Sauna-Besuch» dringend nötig.

Setliste – The Legion:Ghost

  1. Unwelcome
  2. Discharged
  3. Myprivacy.com
  4. The Price
  5. Farewell
  6. The End Of Tides

Setliste – Pyogenesis

  1. Steam Paves Its Way (The Machine)
  2. Blaze, My Northern Flame
  3. Flesh And Hair
  4. Through The Flames
  5. Will I Ever Feel the Same
  6. I Have Seen My Soul
  7. Don’t You Say Maybe

Setliste – Ensiferum

  1. Intro – Seafarer’s Dream
  2. Rum, Women, Victory
  3. Andromeda
  4. One More Magic Potion
  5. Into Battle
  6. For Sirens
  7. Run From the Crushing Tide
  8. Treacherous Gods
  9. In My Sword I Trust
  10. Lai Hei
  11. From Afar

Setliste – Dark Tranquillity

  1. Intro – Iron Man (Black Sabbath-Song)
  2. Identical To None
  3. Transient
  4. The Lesser Faith
  5. Monochromatic Stains
  6. Forward Momentum
  7. Terminus (Where Death Is Most Alive)
  8. The Dark Unbroken
  9. Punish My Heaven
  10. Atoma
  11. The New Build
  12. Phantom Days
  13. Encircled
  14. ThereIn
  15. State Of Trust*
  16. Lost To Apathy*
  17. Misery’s Crown*

*Zugabe


Wie fandet ihr das Konzert?

24.05.2022
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