Atlanta calling!
Nach 2016 und 2017 beehrten die US-Amerikaner Kickin Valentina auch in diesem Jahr abermals den Wetziker Rock-Schuppen Hall Of Fame. Vor einer dummerweise ziemlich überschaubaren Zuschauertraube zeigten die vier bodenständigen Haudegen einen ansprechenden Auftritt und genossen dabei das entspannte Ambiente in der Location. Support erhielten sie von der aus Deutschland stammenden Truppe High Tide.
Samstagabend – und die Agenda ist wieder einmal zum Bersten voll. Man könnte sich wahrlich an jeder Ecke der Schweiz austoben. Für die jeweiligen Veranstalter bedeutet das notabene einen knallharten Konkurrenzkampf. Das Ringen um die Publikumsgunst ist kein leichtes Unterfangen. Der Besuch im Hall Of Fame stand für mich jedoch bereits im Vorfeld verdammt schnell fest. Metalinside-Kumpane Kaufi ist ebenfalls am Start und wird im Fotograben auf Sujet-Jagd gehen.
In genau diesem Laden habe ich die Jungs von Kickin Valentina vor einer halben Dekade kennengerlernt. Damals führten sie zusammen mit den Baslern Fire Rose durch den Abend und boten wirklich gute Unterhaltung. Ich hätte ihnen an besagtem Event eine grössere Zuhörerschar absolut gegönnt. Doch leider sieht es so aus, als würden sie auch heute mit verflucht wenigen Nasen vorliebnehmen müssen. Bleibt zu hoffen, dass trotzdem irgendwie eine tolle Atmosphäre erzeugt werden kann.
High Tide
Komisch… Basierend auf dem Flyer und der Werbung in den sozialen Medien hätte ich an dieser Stelle eigentlich mit der Equipe El Pistolero gerechnet. Aber die rockigen Revolverhelden treten offenbar nicht zum heutigen Schiessduell an. Stattdessen übernehmen ihre Landsleute High Tide diese Aufgabe. Gemäss Frontmann Alexander Kühner, der mit schickem Hut in der Gegend herumstolziert, sei die Anfrage für diese Tour erst vor drei Wochen bei ihnen eingetrudelt. Das verlangte ihnen eine gewisse Improvisations-Dosis ab. Der eigentliche Trommler Andi Braun glänzt durch Abwesenheit und von einem gewissen Dave vertreten. Der Tieftöner-Posten ist ebenfalls verwaist, weil sich Kevin Pfeiffer vorbildlich um seine schwangere Gattin kümmert. Glücklicherweise hat man noch Keyboarder Giuseppe Celentano in seinen Reihen. Er könne notfalls mit seiner liken Hand auf Bassist machen – sofern die richtigen Tasten getroffen werden.
Charmant ist das Quartett allemal. Trotzdem wissen die Akteure, dass ihre Musik mit derjenigen des Headliners nicht sonderlich viel gemeinsam hat. Sie seien mit ihrem 70er-Rock eher in gemächlicheren Gefilden unterwegs. Mir gefallen insbesondere die Blues-Elemente, welche in einzelnen Stücken auftauchen. Zudem weiss Alexander fraglos mit seinem Stimmorgan umzugehen. Wir sollen anschliessend alle am Merch-Stand vorbeikommen und die Künstler unterstützen. Doch davor steht der finale Song «Not The One» auf dem Plan. Dabei erhalten High Tide Unterstützung von ihren bestens gelaunten Tour-Kollegen. Ausserdem mischt sogar die Tochter von Bar-Dame Lynne mit einem Schellenkranz fleissig mit. So geht richtige Erziehung! Nach diesem gelungenen Finale können die Deutschen morgen sicherlich entspannt die Heimreise in Richtung Baden-Württemberg antreten.
Kickin Valentina
Für die Amis heisst die nächste Station ihrer Europarundreise England. Aber das ist Zukunftsmusik. Zuerst will jetzt einmal Wetzikon in Grund und Boden gerockt werden. Mit «Freakshow» starten Kickin Valentina energiegeladen in ihr Set. Kleine Justierung bei der Gesangsabmischung und dann passt das! Basser Chris Taylor und Sänger D.K. Revelle verkörpern dabei das pure Rockstar-Image und setzen konsequent auf ihre Sonnenbrillen. Für mich ist es die erste Begegnung mit dem neuen Hüter des Mikrofons. 2017 gehörte dieser Job nämlich noch einem gewissen Joe Edwards. Der ist aber meines Wissens aufgrund irgendwelcher unschöner Reibereiern oder Egotrips ein Jahr später aus der Band geflogen. Kein Grund zur Trauer, denn die neue «Röhre» hat effektiv einiges auf dem Kasten. Darf man da einen Vergleich zu einem gewissen Mark Tornillo (Accept) ziehen? Ich denke schon! Dafür ist sein freches «Smells Like Slut In Here»-Tanktop nicht sonderlich jugendfrei.
Immerhin haben die Publikumsreihen ein bisschen mehr Zuwachs erhalten, aber es herrscht trotzdem noch massiv Luft nach oben… In anderen Ländern geniesst diese Kapelle durchaus mehr Popularität. Gab es 2019 zufälligerweise nicht einen äusserst umjubelten Gig am Bang Your Head!!!-Festival? Wobei… damals bin ich offenbar bei Metal Church auf der Hauptbühne hängengeblieben. Tja, immerhin erlebe ich sie hier und heute als Entschädigung im intimen Rahmen. Die Grimassen von Saitenhexer Heber Pampillon kommen so eh besser zur Geltung. Des Weiteren wird D.K. nicht müde, uns ständig als «Maniacs» zu betiteln. Witzigerweise muss er regelmässig seine tief ins Gesicht gezogene Mütze anheben, um uns überhaupt sehen zu können. Beim Zugaben-Track «Get Ready» dreht die Vorgruppe High Tide den Spiess schliesslich um und greift nun ihrerseits den Atlanta-Boys bei der Performance der Nummer unter die Arme. Schön zu sehen, dass alle Beteiligten unglaublich viel Spass zusammen haben. Da ist mit grosser Wahrscheinlichkeit eine neue Tour-Freundschaft entstanden.
Das Fanzit – Kickin Valentina, High Tide
Vor allem Kickin Valentina rockten die Bude und drückten das Gaspedal kräftig durch. Mehr Publikum wäre allerdings wünschenswert gewesen… Dem HoF-Capo Pasquale rechne ich es hoch an, dass er solche Akteure trotzdem auf der grösseren Bühne seines Ladens ranlässt. Im Fumoir wäre die ganze Sache doch bloss versauert. Möglicherweise muss das Quartett bei seinem nächsten Gastspiel auf helvetischem Grund aber zuerst tatsächlich als Support-Act einer noch bekannteren Truppe mitmischen. Dann klappt’s vielleicht eines Tages auch mit der grossen Anziehungskraft als Headliner.
Setliste – High Tide
- Dear Fear
- Untameable
- On My Way Down
- Sunset
- My Way
- For The Sky
- Bad Dreams
- Not The One
Setliste – Kickin Valentina
- Intro
- Freakshow
- On My Side
- Easy Rider
- Rat Race
- Somebody New
- Heartbreak
- Shakedown
- War
- Turns Me On
- Looking For Me
- Alone
- End Of The Road
- Revenge Of Rock
- Get Ready*
*Zugabe