Filmmusik und Metal – wie geht das?
Von Filmmusik inspirierte Projekte gibt es mittlerweile zuhauf. Bekannte Grössen wie Nightwish oder Rhapsody of Fire sind da nur Repräsentanten eines Konzepts, das sich sehr gut kombinieren lässt und sich so querbeet durchs gesamte Metalgenre ausgebreitet hat. Gekonnt eingesetzt verleiht es der Musik eine unvergleichliche Epik, wenn auch die Gefahr besteht, auf der anderen Seite vom Pferd herunterzufallen und sich in Belanglosigkeit oder Kitsch zu verheddern. Feingespür und das richtige Händchen sind also unabdingbar, um die perfekte Balance zu schaffen. Ob Michael Romeo auf seinem neuen Output die richtigen Attribute mitbringt?
Um dies zu beantworten, muss man etwas ausholen:
Als Michael Romeo seinerzeit das selbstproduzierte 4-Track-Demo an ein Label schickt, kriegt er als Antwort zurück, dass er eine Band zusammenstellen soll. Was daraus folgt, ist Michaels stetig wachsende und sich erweiternde Soundvision, die in Symphony X mittlerweile sein bekanntes Aushängeschild hat. Mit einer Verschmelzung aus malmsteenesker Neoklassik und rotzig groovigen Gitarrensalven eines Dimebag Darrell hat er seinen ganz eigenen, unwiderstehlichen Stil entwickelt, was ihm einen hohen Wiedererkennungswert verleiht. Zwischen 1994 und 1996 ist Romeo äusserst produktiv und veröffentlicht nebst dem ersten Soloalbum «The Dark Chapter» drei Alben mit Symphony X, wovon «The Divine Wings Of Tragedy» mit zu den Sternstunden des Prog Metal zählt. Das zweite Soloalbum «War Of The Worlds // Pt. 1» erscheint dann erst 2018, als das letzte Symphony X Album bereits drei Jahre zurückliegt. Und wo Fans nach wie vor auf den Nachfolger von «Underworld» warten, vertröstet Michael Romeo die Gemeinde vorerst mit seinem dritten Solowerk «War Of The Worlds // Pt. 2» (WOTW2).
Symphony X
Während Michael Romeo bei Symphony X auf gestandene Musiker trifft und die Band eine ausgereifte Synergie jedes einzelnen Mitglieds ist, entsteht auf seinen Solowerken alles in Eigenregie. Unterstützt wird er auf WOTW2 durch die Flexibilität von namhaften Gastmusikern wie Drummer John Macaluso (Yngwie Malmsteen) oder Basser John DeServio (Black Label Society) sowie der gesanglichen Neuentdeckung Dino Jelusick. Trotzdem unterscheiden sich Romeos Solowerke und Symphony X nur in Nuancen. Wo Keyboards und Orchestrationen bei Symphony X durch Michael Pinnella zutiefst in der Neoklassik verwurzelt sind und durch seinen eigenen Stil vervollständigt werden, schimmert bei WOTW2 (wie im Übrigen auch bei Pt. 1) Romeos Faible für Filmmusik durch.
… Michael Romeo
So ist ‹Introduction – Part II› die perfekte Einstimmung auf einen gestählten Filmsoundtrack. Der Übergang zu ‹Divide & Conquer› jagt dann das Adrenalin dermassen hoch, dass man während den nächsten knapp fünf Minuten nicht mehr herunterkommt. Bass und Drums peitschen unerbittlich, die Gitarre flitzt und brettert in Höchstgeschwindigkeit und Sänger Dino Jalusick beweist schon mal eindrücklich, aus welchem Metall er gegossen ist. Definitiv ein grossartiger Opener, der mit der passenden Orchestration am Schluss abgerundet wird. Dagegen dient ‹Destroyer› geradezu als Erholung, wenn auch die anfängliche Gemächlichkeit täuscht: Der Track wächst zunehmend mit Breaks, Tempowechsel, stimmig orientalischen Orchestrationen und flinken Soli. Auch ‹Metamorphosis› haut da in dieselbe Kerbe, wobei immer wieder auffällt, wie versiert Sänger Jalusick agiert; nicht selten hat man den Eindruck, den jüngeren Bruder von Russell Allen zu hören – wirklich sackstark!
Mit ‹Mothership› folgt ein Instrumental, in dem Romeo sein Gespür für packende Stimmungen beweist, bevor einem dann mit der Powerballade ‹Just Before The Dawn› eine Verschnaufpause gegönnt wird, Hühnerhaut inklusive. Doch der Kurs wird daraufhin stampfend wieder aufgenommen und betont mit ‹Hybrids› die progressive Seite des Albums. Mit dem nächsten Instrumental ‹Hunted› wird man schliesslich ins Monster des Albums eingestimmt: ‹Maschinenmensch› rattert in bester Symphony X Manier daher und bietet während neun Minuten das Beste, was man aus der Feder eines Michael Romeo erwarten darf. Und mit dem folgenden ‹Parasite› wird nachdrücklich und unverbraucht nachgesetzt – welch ein grooviges Brett! Da braucht man direkt eine Erholungsphase und lässt das Album mit dem Outro ‹Brave New World› orchestralisch ausklingen.
Zumindest endet hier die Standartversion von WOTW2. Die limitierte 2-Disc-Edition bietet nämlich nicht nur zusätzlich das gesamte Album als Instrumentalversion, sondern packt gleich noch zwei Bonustracks obendrauf: ‹The Perfect Weapon› und das Instrumental ‹Alien Deathray›. Warum diese beiden Stücke nicht auf der Standardversion sind, weiss wohl nur das Label. Gerade ‹The Perfect Weapon› hätte sich nämlich perfekt in die furiose Schlussphase des Albums eingefügt. Aber so oder so bleibt WOTW2 ein fulminantes, wuchtig produziertes und abwechslungsreich geschriebenes Album.
Das Fanzit Michael Romeo – War Of The Worlds // Pt. 2
Es ist immer wieder erstaunlich und zugleich faszinierend, wie Michael Romeo es schafft, sich selbst und seinem eigenwilligen Stil treu zu bleiben, darin aber immer wieder erfrischend zu wirken. Mehr noch – er ist sich selbst nicht zu schade, sich stetig weiterzuentwickeln. War der Vorgänger WOTW1 etwas experimentierfreudiger, so zeigt sich der Gitarrenzauberer auf WOTW2 zwar nicht weniger versiert, aber bedeutend cineastischer als je zuvor. Das macht «War Of The Worlds // Pt. 2» zu einem erstaunlich zugänglichen Prog Metal Album, das vorbildlich unterstreicht, wie man Filmmusik und somit Epik gekonnt metallisiert, ohne sich dabei im Theatralischen zu verlieren. Michael Romeo komponiert seine Attribute routiniert zu einem homogenen, stimmigen Ganzen – etwas, wofür er seit seiner ersten Veröffentlichung verlässlich bürgt. Das bereitet Riesenfreude am vorliegenden Album und erzeugt zugleich Vorfreude auf künftige Werke dieses Ausnahmemusikers. Wem also die Wartezeit fürs nächste Symphony X Album langsam unerträglich erscheint, dem sei «War Of The Worlds // Pt. 2» besonders ans Herz gelegt.
Reinhören und limited Gatefold – 2CDs – und Vinyl portofrei bestellen
Trackliste Michael Romeo – War Of The Worlds // Pt. 2
- Introduction – Pt. II
- Divide & Conquer
- Destroyer
- Metamorphosis
- Mothership
- Just Before the Dawn
- Hybrids
- Hunted
- Maschinenmensch
- Parasite
- Brave New World (Outro)
- The Perfect Weapon (Bonus Track)
- Alien Deathray (Bonus Track)
Line Up – Michael Romeo
Michael Romeo – Guitars, Keyboards, Orchestrations, Cello, Saz
John «JD» DeServio – Bass
John Macaluso – Drums
Dino Jelusick – Vocals
Video Michael Romeo – Divide & Conquer