Ein Lied singt in uns allen
Tylangir treten mit einem grossen Schritt mitten ins Rampenlicht und präsentieren ihr Debutalbum Ur-Chraft, mit dem sie direkt das Innerste des Hörers treffen oder in ihrer Sprache: „Äs Liäd, wa in iisch allu singt…“
Genau so heisst dann auch das einleitende Intro, das mit sanften Klängen und einem einnehmend vorgetragenen Gedicht die Marschirchtung für das Album vorgibt. Der Titeltrack „Ur-Chraft“ schliesst gleich nahtlos daran an. Tylangir haben sich ganz dem Folk Metal in Mundart verschrieben. Mundart bedeutet in diesem Fall Walliserdeutsch, was eine urwüchsige Stimmung transportiert, die Hand in Hand geht mit den Texten, welche die Band den zwölf Stücken auf Ur-Chraft verpasst hat. Letztere handeln nämlich von Figuren und Themen aus verschiedenen Sagen, die im Wallis ihren Ursprung haben. Dass das Septett sich dabei nicht auf eine reine Nacherzählung konzentriert, sondern seine ganze eigene Note einfliessen lässt zeigt beispielsweise „Zum heidnisch Biel“, in dem die Geschichte einer erschwerlichen Pilgerreise zu einem heiligen Berg mit persönlichen Erlebnissen von Sänger Lukas an einem ganz anderen Ort angereichert wird.
Eine ganze eigene Note verpassen Tylangir auch ihrer Musik. Der Folk Metal auf Ur-Chraft pendelt hin und her zwischen schwarzmetallischen Ausbrüchen, Riffs und Schreigesang auf Death Metal-Basis, zarten unverzerrten Einschüben sowie melancholischen Gesangspassagen. Sogar Jodeleinlagen sind hin und wieder zu hören, was dem Ganzen noch mehr Lokalkolorit verleiht. Den grossen Folkanteil steuert jedoch ein reiches Instrumentarium bei, zu dem sich neben den klassischen Metalinstrumenten keltische Harfe, Geige, Bouzouki, Flöten, Naturhörner, Rasseln, Naturtrommeln und zu Beginn von „Quatämbärchind“ auch noch Kehlkopfgesang gesellen. Sowohl über das ganze Album hinweg als auch innerhalb der einzelnen Kompositionen tritt dabei eine ganz grosse Stärke der Band in den Vordergrund: abwechslungsreiches Songwriting. Jedes Lied entwickelt sich während seiner Laufzeit, lässt immer wieder neue Facetten durchscheinen und bietet ständig neue spannende Passagen. Dabei schaffen Tylangir das Kunststück, einen kohärenten, eigenen Sound zu etnwickeln, der für einen roten Faden durch Ur-Chraft sorgt. Dass sie dabei sowohl Stimmungen erzeugen können, die an den prähistorischen, keltogermanischen Stamm der Tylangier (auf welchen sich auch der Bandname bezieht) denken lassen, wie auch immer wieder das Bild eines Sagenerzählers im 18. Jahrhundert im Kopf aufblitzen lassen können, ohne dass sich das beissen würde, ist schlussendlich das Tüpfchen auf dem i. Als noch offenes Potential verbleiben einzig die Strukturierung als ganzes Album, die noch etwas kompakter und dem Gesamtfluss dienlicher sein könnte und der ein oder andere Song, wie beispielsweise „Där Rollibock“ oder „Wassär frisst Land“, welche noch etwas fokussierter arrangiert sein könnten.
Gar nichts auszusetzen gibt es an der Produktion, die sich durch eine klare Aufbereitung auszeichnet, dabei aber nicht an Biss in den Gitarren vermissen lässt oder gar künstlich klingen würde. Ein passendes schönes Cover rundet das Gesamtpaket ab.
Das Fanzit zu Ur-Chraft von Tylangir
Metalmitinsider Dutti vermerkt in seinem Konzertbericht zwei Kapellen, zu denen Tylangirs Musik auf einer Tour passen würde, doch eigentlich könnten die Walliser Newcomer mit vollkommen jeder schweizerischen Folk Metal-Band auf Tour gehen und würden sich gut in das Lineup einfügen. Ur-Chraft enthält seiner Abwechslung geschuldet nämlich alles, was die Szene im Moment auszeichnet. Jede Nuance des Folk Metals ist auf irgendeine Weise in diesem Album erhalten, was gemeinsam mit dem durchdachten Songwriting dazu einlädt, richtig in die Scheibe einzutauchen und dem Lied, das in uns allen singt zu lauschen. Das Ergebnis ist eine klare Hörempfehlung in 8.5 Punkten.
PS: Am 14.05.2022 ist die Plattentauf im Moshpit-Club in Naters mit Norvhar und Morgarten (mehr Infos)
Video Tylangir – D‘ alt Schmidja